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Die polnischen Könige, die statt der kleinen Fürsten Herrscher über diese weiten Landstriche geworden waren, freilich nur Herrscher aus der Ferne und ohne viel Macht, begriffen die Bedeutung der Kosaken sehr wohl und erkannten den Nutzen, den ihre Kampflust und Wachsamkeit ihnen brachten. Sie munterten diesen Geist noch auf und schmeichelten den Neigungen dieser Männer. Unter ihrer fernen Oberhoheit formten die Hetmane, die aus der Mitte der Kosaken selber erwählt wurden, die Gaue und Gemeinden zu Regimentern und regelrechten Wehrkreisen um. Dies war kein stehendes Frontheer – davon fand man hier nichts –, doch wenn es Krieg gab, und es ging eine große Bewegung durch unser Land, dann dauerte es nicht länger als acht Tage, bis jeder hoch zu Roß mit voller Bewaffnung antrat. Der König zahlte nur einen Dukaten Sold auf den Kopf, doch binnen zwei Wochen schon war ein Heer versammelt, wie es keine Aushebung hätte hinstellen können. War dann der Feldzug vorbei, so zerstreuten sich die Krieger über Wiesen und Weiden, zogen zu ihren Dnjeprfurten heim, fischten, trieben Handel, brauten Bier, waren freie Kosaken. Jeder Gast aus dem Ausland bewunderte zu der Zeit ihre vielseitige Geschicklichkeit. Es gab kein Handwerk, worauf sich der Kosak nicht verstanden hätte: er war Branntweinbrenner und Stellmacher, Pulvermüller, Schlosser und Schmied, und nebenbei wußte er tolle Feste zu feiern, zu zechen und zu schlemmen, wie nur der Russe zu schlemmen versteht – das alles war so richtig sein Fall. Außer den eingeschriebenen Kosaken, die verpflichtet waren, sich für den Krieg zu stellen, konnte man jederzeit, wenn Not am Mann war, ganze Horden von Freiwilligen zu den Waffen rufen – es brauchte nur der Oberstleutnant auf die Märkte und Plätze der Dörfer und Flecken zu ziehen, dort auf den Wagen zu steigen und aus vollem Halse zu rufen: »He, ihr Biersäufer und Brauer! Jetzt habt ihr lang genug Bier gebraut und euch auf den Ofenbänken gesielt und mit euern fetten Leichnamen die Fliegen gemästet! Vorwärts für Rittertum und Kosakenehre! Ihr Pflüger, ihr Säemänner, ihr Schafhirten, ihr Weiberhelden, lang genug seid ihr hinterm Pflug gegangen und habt eure gelben Schuhe mit Erde verdreckt, lang genug habt ihr um die Weibsbilder geschwänzelt und eure Ritterkraft bei ihnen gelassen! Heute ruft der Kosakenruhm!« Solche Worte wirkten wie Funken, die auf dürres Holz springen. Der Pflüger zerbrach seinen Pflug, die Brauer ließen ihre Kufen und schlugen die Fässer entzwei, die Handwerker und Händler schickten Gewerbe und Kram zum Teufel, jeder zerbrach die Töpfe in seinem Haus, und alles, was da war, stieg in den Sattel. Kurz, der russische Geist flammte auf und schaute aus tapfern Augen hell in die Welt.

      Taras war einer von den angestammten alten Obersten. Er schien geschaffen fürs Kampfgetümmel und war ein Mann von rauher Geradheit der Sitten. Damals begann schon der polnische Brauch auf den russischen Adel zu wirken. Viele machten sich die fremden Sitten zu eigen, trieben Aufwand, hielten sich zahlreiche Dienerschaft, Falken, Hundemeuten, gaben Gastmähler und befleißigten sich eines höfischen Tons. Das alles war nicht nach Bulbas Sinn. Er liebte das einfache Leben des Kosaken und bekam Streit mit denen von seinen Kameraden, die nach der Warschauer Seite hinüber liebäugelten, weil er sie geradeheraus Leibeigne der polackischen Junker hieß. Ein ewig unruhiger Kopf, hielt er sich für den gottgewollten Schirmer des rechten Glaubens. Er setzte sich selber zum Richter ein und ritt in jedes Dorf, wo die Leute über Bedrückungen durch die Pächter oder neue Erhöhungen des Grundzinses klagten. Mit seinen Kosaken hielt er Gericht und hatte es sich zur Regel gemacht, in drei Fällen ohne langes Besinnen zum Säbel zu greifen: wenn die Kommissare den Ältesten die Ehre nicht gaben und das Haupt vor ihnen bedeckt ließen, wenn sie sich über den rechten Glauben lustig machten und den Sitten der Altvordern die Achtung versagten, und schließlich, wenn die Feinde Ungläubige und Türken waren. Gegen die war es immer erlaubt, zur Ehre des Christenglaubens die Waffen zu brauchen.

      Jetzt freute er sich im voraus bei dem Gedanken, wie er mit seinen beiden Söhnen im Lager erscheinen und sagen würde: »Da seht, was für tüchtige Burschen ich bringe!«, wie er sie allen seinen alten, schlachtgehärteten Kameraden vorstellen, wie er ihre ersten Taten mit erleben würde, beim frohen Kampfspiel und beim weidlichen Pokulieren, das für ihn gleichfalls eine der wichtigsten Pflichten des Ritters war. Zuerst hatte er sie allein reiten lassen wollen, aber angesichts ihrer frischen Mannbarkeit, ihrer gesunden Körperschönheit packte ihn mächtig der soldatische Geist. Er beschloß, selbst mit ihnen zu reiten, und das gleich am nächsten Tag, wenn dafür auch keine andre Nötigung vorlag als sein eigensinniger Wille. Alsbald war er frisch an der Arbeit und erteilte Befehle, wählte Rosse und Sattelzeug für die Söhne aus, sah in Stall und Scheuer nach dem Rechten, bestimmte die Knechte, die morgen mit ihnen reiten sollten. Er übertrug dem Oberstleutnant Towkatsch seine Gewalt und erteilte ihm den gemessenen Befehl, sich ohne Verzug mit dem ganzen Regiment in Marsch zu setzen, sobald er aus dem Lager Botschaft schickte. War er auch angeheitert, und rumorte ihm auch noch der Rausch im Kopf – er dachte an alles. Er kümmerte sich sogar darum, daß die Pferde zu saufen bekämen und ihnen der schönste Großweizen in die Krippen geschüttet würde. Schließlich trat er, matt von der vielen Arbeit, wieder ins Zimmer.

      »Na, Burschen, Schlafenszeit! Und morgen tun wir, was Gott gefällt. Laßt nur sein die Bettmacherei! Wir brauchen kein Bett: wir schlafen im Hof.«

      Die Nacht stieg erst am Himmel empor; Taras ging aber gern zeitig zur Ruhe. Er streckte sich auf den Teppich und wickelte sich in den Schafpelz. Die Nachtluft war kühl, und Bulba hatte es am liebsten schön warm, solang er daheim war. Bald schnarchte er, und der ganze Hof tat es ihm nach. Alles, was dort in Ecken und Winkeln herumlag, schnarchte und orgelte laut. Als erster sank der Wächter in Schlaf – er hatte den Jungherrn zum Willkomm am meisten getrunken.

      Bloß die arme Mutter konnte nicht schlafen. Sie setzte sich ihren geliebten Söhnen zu Häupten nieder; sie schlichtete die jungen wirren, verfitzten Locken mit ihrem Kamm und ließ heiße Tränen darauf niederrinnen. Sie sah sie gleichsam mit dem ganzen Körper an, all ihr Gefühl, ihre ganze Kraft legte sie in den Blick und konnte sich gar nicht sattsehen. An dieser Brust hatte sie ihre Jungen gesäugt, hatte sie großgezogen, sie treulich gehegt; und nur so flüchtig sollte sie sich ihrer jetzt freuen. – »Ihr meine Kinder, meine geliebten Kinder! Was wird nun mit euch? Wie wird's euch ergehen?« murmelte sie, und Tränen funkelten in den Runzeln, die ihr einstmals schönes Gesicht so traurig verwandelt hatten. Ja, sie konnte einen wohl dauern, wie jede Frau jener fernen Zeiten. Einen kurzen Augenblick der Liebe hatte sie genossen, im ersten Fieber der Leidenschaft, im ersten Fieber der Jugend, und schon hatte ihr rauher Verführer sie weggeworfen und nur noch seinen Säbel, die Kameraden und lustige Zechgelage gekannt. Sie sah ihren Mann zwei, drei Tage im Jahr, und dann war wieder ein paar Jahre lang nichts mehr von ihm zu hören. Und wenn sie ihn sah, wenn sie zusammen lebten – was für ein Leben war das denn schon für sie! Schimpfworte, selbst Schläge setzte es; und wurde ihr einmal schöngetan, so wars wie ein Bettelgroschen, den man ihr hinwarf. Als etwas wunderlich Fremdes stand sie im Kreis dieser unbeweibten Kosaken, deren Sitten das Kriegerleben einen wilden und rohen Anstrich gegeben hatte. Ihre Jugend schwand freudlos dahin, ihre schönen, frischen Backen und Brüste verblühten ungeküsst und wurden vor der Zeit faltig und welk. Ihre ganze Liebe, alle ihre Gefühle, alles was an Zärtlichkeit und Leidenschaft im Frauenherzen zu Hause ist – das alles floß zusammen in ihrem Muttergefühl. Mit Glut, mit Leidenschaft, mit Tränen warf sie sich über ihre Kinder, wie die Möwe der Steppe über die Brut ihres Nestes. Ihre Söhne, ihre geliebten Söhne nahm man ihr weg, riß sie ihr für immer vom Herzen! Nie wieder sollte sie sie sehen! Wie leicht konnte ihnen in der ersten Schlacht der Tatar die Köpfe vom Rumpf schlagen, und sie würde nicht wissen, wo ihre verlassenen Leiber lägen und den Schnäbeln der schweifenden Raubvögel zur Beute fielen. Schluchzend schaute sie ihnen in die Augen, die der allmächtige Schlaf schon schloß, und dachte bei sich: – Vielleicht gibt Bulba doch noch zwei Tage zu; vielleicht war das nur eine trunkne Laune von ihm.

      Der Mond goss aus himmlischen Höhen sein Licht über den mit Schläfern dicht belegten Hof, über das struppige Weidengebüsch und das hohe Steppengras, in dem der Knüppelzaun um den Hof förmlich versank. Immer noch saß sie ihren geliebten Söhnen zu Häupten, nicht für eine Sekunde wendete sie den Blick von ihnen und dachte gar nicht an Schlaf. Schon witterten Bulbas Pferde Morgenluft, sie hatten sich ins Gras gelegt und fraßen nicht mehr; die obersten Blätter der Weiden wisperten leise, und mählich lief dieses Wispern hinab zu den Zweigen dicht über dem Boden. Die Mutter saß, bis es tagte, sie spürte keine Müdigkeit und wünschte in ihrem Herzen, die Nacht möge noch lange, recht lange dauern. Von der Steppe herüber kam eines Fohlens helles Gewieher;

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