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überragte Menelaos den Helden Odysseus; wenn sie sich aber beide gesetzt, erschien Odysseus als

       der Herrlichere. Auch redete Menelaos wenig, lauter hingeworfene inhaltsreiche Worte. Odysseus

       aber, wenn er reden wollte, stand da, die Augen zur Erde geheftet, den Stab unbeweglich in der

       Hand, anzusehen wie ein Verlegener; man wußte nicht, ist er tückisch oder dumm. Sandte er aber

       einmal die gewaltige Stimme aus der Brust, dann drängten sich seine Worte wie Schneeflocken im

       Winter, und kein Sterblicher konnte sich mit Odysseus an Beredsamkeit messen.«

       Priamos hatte sich indessen noch weiter umgeschaut. »Wer ist denn der Riese dort«, rief er, »der so

       gar groß und gewaltig über alles Volk hervorragt?« »Das ist der Held Ajax«, antwortete Helena, »die

       Stütze der Argiver; und weiter drüben steht wie ein Gott unter seinen Kretern Idomeneus. Ich kenne

       ihn wohl; Menelaos hat ihn oft in unserer Wohnung beherbergt. Und ach, nun erkenne ich einen um

       den andern, die freudigen Krieger aus meiner Heimat; hätten wir Muße, so wollte ich dir sie alle mit

       Namen nennen! Nur meine leiblichen Brüder Kastor und Pollux sehe ich nicht. Sind sie wohl nicht mit

       hierhergekommen? Oder scheuen sie sich, in der Schlacht zu erscheinen, weil sie sich ihrer Schwester

       schämen?« Über diesem Gedanken verstummte Helena; sie wußte nicht, daß ihre Brüder schon

       lange von der Erde verschwunden waren.

       Während diese sich so unterredeten, trugen die Herolde die Bundesopfer durch die Stadt, welche aus

       zwei Lämmern und aus einheimischem Weine zum Trankopfer, der in einen bocksledernen Schlauch

       gefüllt war, bestanden. Der Herold Idaios folgte mit einem blinkenden Krug und goldenen Becher. Als

       sie durchs Skäische Tor kamen, nahte dieser dem Könige Priamos und sprach zu ihm: »Mach dich auf,

       König; beide, die Fürsten der Trojaner und der Griechen, rufen dich hinab ins Gefilde, damit du dort

       einen heiligen Vertrag beschwörest. Dein Sohn Paris und Menelaos werden allein um das Weib mit

       dem Speere kämpfen: wer im Kampfe siegt, dem folgt sie mitsamt den Schätzen. Alsdann schiffen die

       Danaer nach Griechenland zurück.« Der König stutzte, doch befahl er seinen Gefährten, die Rosse

       anzuschirren, und mit ihm bestieg Antenor den Wagensitz. Priamos ergriff die Zügel, und bald flogen

       die Rosse durchs Skäische Tor hinaus aufs Blachfeld. Zwischen den beiden Völkern angekommen,

       verließ der König mit seinem Begleiter den Wagen und stellte sich in die Mitte. Aus dem griechischen

       Heere eilten jetzt Agamemnon und Odysseus herbei. Die Herolde führten die Bundesopfer heran,

       mischten den Wein im Kruge und besprengten die beiden Könige mit dem Weihwasser. Dann zog der

       Atride das Opfermesser, das ihm immer neben der großen Scheide seines Schwertes herabhing,

       schnitt den Lämmern, wie bei Opfern gebräuchlich, das Stirnhaar ab und rief den Göttervater zum

       Zeugen des Bündnisses. Dann durchstach er den Lämmern die Kehlen und legte die geopferten in

       den Staub nieder; die Herolde gossen unter Gebet den Wein aus goldnen Bechern, und alles Volk von

       Griechenland und Troja flehte dazu laut: »Zeus und ihr unsterblichen Götter alle! Welche von uns

       zuerst den Eidschwur brechen, deren Gehirn fließe auf den Boden wie dieser Wein, ihres und ihrer

       Kinder!«

       Priamos aber sprach: »Jetzt, ihr Trojaner und Griechen, laßt mich wieder zu Ilions hoher Burg

       zurückkehren; denn ich kann es unmöglich mit eigenen Augen ansehen, wie mein Sohn hier auf

       Leben und Tod mit dem Fürsten Menelaos kämpft; weiß doch Zeus allein, welchem von beiden der

       Untergang verhängt ist!« So sprach der Greis, ließ die Opferlämmer in den Wagen legen, bestieg mit

       seinem Begleiter den Sitz und lenkte die Rosse wieder der Stadt Troja zu.

       Hierauf maßen Hektor und Odysseus den Raum des Kampfplatzes und schüttelten in einem ehernen

       Helm zwei Lose, zu entscheiden, wer zuerst die Lanze auf den Gegner werfen dürfe. Hektor,

       rückwärts gewandt, schwenkte den Helm: da sprang das Los des Paris heraus. Nun waffneten sich

       beide Helden und wandelten in Panzer und Helm, die mächtigen Lanzen in der Hand, mit drohendem

       Blicke in der Mitte der Trojaner und Griechen einher, von beiden Völkern angestaunt. Endlich traten

       sie einander in dem abgemessenen Kampfraume gegenüber und schwangen zornig ihre Speere.

       Durch das Los berechtigt, entsandte zuerst Paris den seinigen: der traf dem Menelaos den Schild,

       aber die Lanzenspitze bog sich am Erze und sank zurück. Dann erhob auch Menelaos seinen Speer

       und betete dazu mit lauter Stimme: »Zeus, laß mich den strafen, der mich zuerst beleidigt hat; daß

       man noch unter den späten Enkeln sich scheue, dem Gastfreunde Böses zu tun!« Der entsandte

       Speer durchschmetterte dem Paris den Schild, durchdrang den Harnisch und durchschnitt ihm den

       Leibrock an der Weiche; nun riß der Atride sein Schwert aus der Scheide und führte einen Streich auf

       den Helm des Gegners; aber die Klinge zersprang ihm klirrend. »Grausamer Zeus, was mißgönnst du

       mir den Sieg?« rief Menelaos, stürmte auf den Feind ein, ergriff ihn am Helm und zog ihn, sich

       umwendend, der griechischen Schlachtordnung zu; ja er hätte ihn geschleift und der beengende

       Kehlriemen ihn erwürgt, wenn nicht die Göttin Aphrodite die Not gesehen und den Riemen

       gesprengt hätte. So blieb dem Menelaos der leere Helm in der Hand; diesen schleuderte der Held

       den Griechen zu und wollte von neuem auf seinen Gegner eindringen. Den aber hatte Aphrodite in

       einen schirmenden Nebel gehüllt und plötzlich nach Troja geführt. Hier setzte sie ihn im süß

       duftenden Gemache nieder, trat dann in Gestalt einer alten spartanischen Spinnerin zu Helena, die

       auf einem der Türme unter vielen trojanischen Weibern saß. Die Göttin zupfte sie am Gewand und

       sprach zu ihr: »Komm, Paris ruft dich, er sitzt in der Kammer in reizendem Feierkleide; du solltest

       glauben, er gehe zum Reigen, und nicht, er komme vom Zweikampf.« Als Helena aufblickte, sah sie

       Aphrodite in göttlichem Reize vor sich verschwinden. Unbemerkt von den Frauen schlich sie sich

       davon und eilte nach ihrem Palaste. Dort fand sie im hohen Gemache den Gatten, von Aphrodite

       geschmückt, in einem Sessel gelagert. Sie setzte sich ihm gegenüber, kehrte die Augen weg und

       schalt ihren Gemahl: »So kommst du vom Kampfe zurück? Lieber sähe ich dich getötet von dem

       Gewaltigen, der mein erster Gatte war! Noch kürzlich prahltest du, ihn im Lanzenwurf und im

       Handgemenge zu besiegen! Geh nun und fordere ihn noch einmal heraus! Doch nein, ich rate dir,

       bleib in Ruhe, das zweitemal dürfte er dir übler mitspielen!« »Kränke mir das Herz nicht durch deine

       Schmähungen, Frau«, erwiderte ihr Paris; »wenn Menelaos mich besiegt hat, so geschah es mit

       Athenes Hilfe. Ein andermal werde ich über ihn siegen; die Götter haben auch uns noch

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