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D-Mark. Auch beim Verhökern von Kindern gab es eine Inflation oder einfach nur profane Geldgier. 67 Kinder hatten einen Betrag von über einer Million D-Mark eingebracht! Er stieß einen leisen Pfiff aus und griff zum Handy. Als sich ein Mitarbeiter der KTU meldete, erklärte er ihm seltsam ruhig, was er soeben entdeckt hatte.

       *

      Oliver Hell bekam den Anruf von der KTU, als er unter dem Esstisch die Krümel zusammenfegte. Bis er unter dem Tisch hervorgekrochen war, sprang schon der Anrufbeantworter seines Handys an. Leise fluchend krabbelte er unter dem Tisch hervor und suchte nach dem Handy, fand es schließlich auf dem Wohnzimmertisch. Da er seine donnerstägliche Arbeit als nicht sehr vergnüglich empfand, ließ er sich von den Worten des KTU-Kollegen nur zu gerne ablenken. Dieser hatte es auch noch spannend gemacht und auf dem Anrufbeantworter die Nachricht hinterlassen, dass Kommissar Akuda eine heiße Spur gefunden hätte. Hell drückte die Rückruftaste und lauschte gespannt dem Klingeln. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis jemand das Gespräch annahm, in Wahrheit waren es nur fünf Sekunden, bis Elmar Juffing sich meldete.

      »Hallo, Herr Kommissar, ich hoffe, ich habe Sie nicht bei etwas Wichtigem gestört?«, begann der Tatortermittler das Gespräch.

      »Nein«, brummte Hell, »so erzählen Sie schon, was hat Akuda entdeckt?«

      Juffing stieß einen komischen Laut aus. »Das ist ein echtes Ding, wissen Sie? Der setzt sich hin, um ‚Peter und der Wolf‘ zu hören, dabei fällt ihm auf, das der Klang der sündhaft teuren Boxen - ich zitiere - für den Arsch ist. Er hat dann eine der Boxen aufgeschraubt und dort ein Notizbuch gefunden, was darin versteckt war. Ist das ein Ding?«

      Hell konnte seine Neugier kaum bremsen. »Was für ein Notizbuch? Mit welchem Inhalt?«

      Juffing stieß erneut den komischen Laut aus. »Jetzt kommt das Brisante: darin sind Namen vermerkt und Summen. Akuda vermutet, und ich kann da nur mit ihm mitgehen, dass dort jemand die Einnahmen aus dem ‚Verkauf‘ der Jugendlichen und Kinder aus dem Heim dokumentiert hat.«

      Er ließ seine Worte wirken und Hell musste schlucken. Wenn das kein Mordmotiv war!

      »Welchen Zeitrahmen decken diese Notizen ab?«, wollte er wissen.

      »Von 1973 bis Ende 1989. Aufaddiert ist es eine sechsstellige Summe.«

      Hell stieß einen Pfiff aus. Das war definitiv ein Mordmotiv.

      »Ihr müsst sofort sämtliche Bankverbindungen überprüfen, privat wie auch geschäftlich. Das Geld muss ja irgendwo auftauchen. So ein Milliönchen kann man nicht einfach verstecken!«

      Jetzt seufzte der Tatortermittler. »Akuda ist schon dran und wir werden sicher auch eine freundliche Nachtschicht dranhängen.«

      »Wenn es sein muss, reißt die ganze Bude auseinander, wenn er so gerne Sachen versteckt hat, vielleicht ist auch das Geld noch irgendwo im Haus.«

      Juffing lachte. »Denselben Gedanken hatte Kollege Akuda auch bereits, er hat die andere Box schon auseinandergeschraubt - hat aber nichts gefunden.«

      Hell fasste sich an die Nase und rieb sie aufgeregt. »Egal, sucht weiter und vergleicht die Namen aus dem Notizbuch mit den Namen der Heimkinder. Wenn es dort Parallelen gibt, haben wir vielleicht eine heiße Spur. Danke für die Info und bis morgen. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden!«

      Wie gut, dachte Hell, als er wieder unter den Esstisch zurückkehrte. Wir haben zwar keinen blassen Schimmer, aber immerhin eine Spur. Wohin diese Spur auch immer führen würde. Total aufgekratzt verrichtete er seine weiteren Putzarbeiten und gönnte sich dann ein Feierabendbier auf der Terrasse.

       *

      Als Klauk wieder zuhause war, machte er sich einen starken Kaffee und telefonierte mit Lea. Er brauchte nicht viel Überzeugungskraft, um sie zu einem Treffen zu überreden. Eigentlich überhaupt keine. Sie verabredeten sich in der Bonner Innenstadt und hatten den Plan, Eis essen zu gehen, locker ins Auge gefasst. Sie verabredeten sich am Hofgarten neben dem altehrwürdigen Universitätsgebäude, quasi schon in Sichtweite zu der Eisdiele, die am Kaiserplatz lag. Lea war noch nicht da, als Klauk den Mini in der Straße ‚Am Hofgarten‘ parkte. Er schlenderte unter den alten Bäumen bis zum vereinbarten Treffpunkt neben der Einfahrt zur Tiefgarage. Er überlegte kurz, ob er noch schnell auf einen Sprung in die Stadt gehen sollte, verwarf den Gedanken allerdings sofort. Lea ließ auch nicht mehr lange auf sich warten.

      »Hallo, Sebi, du siehst gut und entspannt aus«, sagte sie als Begrüßung.

      »Ach ja, findest du? Ich könnte mich besser fühlen ...«

      »Die Frage ist, was machst du jetzt?«, fragte sie und Klauk konnte ihr innerlich nur laut applaudieren. Dennoch hätte er sich eine andere Begrüßung gewünscht, nicht direkt mit der Tür ins Haus zu fallen, hätte er als angenehmer empfunden. Irgendetwas stand zwischen ihnen, das spürte er sofort. Ihr Blick hatte etwas Lauerndes, als wolle sie ihn nach einer unbedachten Äußerung ans Kreuz nageln. Sie überquerten die Straße und gingen an dem Brunnen vorbei, der, wie immer im Sommer, von lautstark herumschreienden Kindern belagert war.

      »Du musst dich langsam entscheiden, was du tun willst«, sagte sie und schaute eine Mutter giftig an, die es für völlig normal hielt, dass ihre Tochter die Passanten nassspritzte.

      »Wem sagst du das ...«

      »Ich sage es dir, Sebastian Klauk. Wir haben einen ziemlich seltsamen Mordfall vor der Brust und das halbe Team ist entweder krank oder auf Selbstfindungstrip!«

      Klauk überhörte ihre Spitze. »Krank?«, fragte er.

      »Jan-Philipp hat sich eine Männergrippe genommen und du spielst die Mimose.«

      »Ich spiele nicht, ich überlege, was ich tun soll. Mal ganz ehrlich, wenn du keinen Bock darauf hast, dich mit mir zu treffen und meine Beweggründe zu verstehen, dann können wir das auch lassen, Lea!«

      Er blieb unverwandt stehen und sah sie an.

      Sie hob die Augenbrauen und kam einen Schritt auf ihn zu. »Entschuldigung, es ist nur, weil dieser Akuda als Ersatzmann ins Team gerutscht ist, so lange bis ... bis ihr wieder einsatzfähig seid«, erklärte sie und ihr Blick verlor etwas von der Härte.

      »Also setzen wir uns jetzt und du hörst mir zu?«, fragte er mit einem reichlich genervten Unterton in der Stimme. Lea nickte.

      Sie warteten, bis die Eisdielen-Bedienung den Tisch trocken gewischt hatte und die Getränkekarte und die Zuckerdose wieder an ihren Platz stellte.

      »Sie dürfen sich schon setzen«, forderte sie die beiden Gäste auf. Klauk zog galant den Stuhl zurück und schob ihn dann nach vorne, damit Lea sich setzen konnte.

      Dann setzte er sich selber und signalisierte der Bedienung noch, dass sie aus der Karte bestellen wollten. Lea bestellte sich vorab einen Espresso.

      »Für Sie auch einen?«

      Klauk schüttelte den Kopf. Stattdessen kreisten in seinem Kopf die Gedanken. Er überlegte, wie er ihr weiter begegnen sollte. Seine Stimmung mit ihr zu flirten, ihr vielleicht sogar ein Liebesgeständnis zu machen, war mit Leas anfänglicher schlechter Laune untergegangen. Als er ihr jetzt so gegenübersaß, fragte er sich für einen Moment, ob diese Frau überhaupt die Richtige für ihn sein konnte. Verglichen mit Irina war sie ein grober Klotz. Aber den Vergleich mit seinem Cousinchen verloren fast alle Frauen. Die Bedienung brachte den Espresso und Lea versenkte zwei Stück Zucker darin. Dabei sah sie zu ihm herüber.

      »Nun, wo drückt denn der Schuh, Sebi?«, fragte sie und rührte mit dem kleinen Kaffeelöffel den Espresso um.

       *

      Als Lea Rosin an diesem späten Nachmittag in die Bonner City fuhr, hatte sie bereits eine genaue Vorstellung der Abläufe. Als sie gegen neun Uhr wieder nach Hause fuhr, fand sie diese Vorstellung in fast allen Belangen bestätigt. Ihr Kollege Sebastian machte auf sie den Eindruck eines ziemlich verwirrten Menschen, der mit den Erlebnissen der letzten Wochen noch nicht im Reinen war. Es kam genau

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