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Die Initiation kann dabei zurecht als „Matrix der Persönlichkeitsentfaltung“ gelten.

      In Kapitel 4 wird das sogenannte „Lebensrad“ vorgestellt, das als Grundlage und Modell einer modernen, integrativen Pädagogik dienen kann. In Kapitel 5 wird dieses Modell des Lebensrades dann zuerst auf die Situation der Schüler angewandt. In Kapitel 6 dient es dazu, die Ausbildung der Lehrerpersönlichkeit zu untersuchen und näher zu entfalten. Im letzten Kapitel 7 schließlich habe ich einige Prinzipien dargelegt, die für mich unabdingbar für eine „Pädagogik des Herzens“ sind, um die es in der Schule immer gehen sollte.

      Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass die sieben Kapitel eine systematische Ordnung aufweisen. Im Zentrum des Buches steht Kapitel 4, in dem mit Hilfe des Lebensrades eine integrative Pädagogik entworfen wird. Die drei Kapitel davor korrespondieren dann mit je einem Kapitel danach. Während in Kapitel 1 die reale, gegenwärtige Situation von Schule und Bildungspolitik im Fokus steht, soll in Kapitel 7 gleichsam als Antwort darauf die Vision einer „Pädagogik des Herzens“ entworfen werden. Kapitel 2, in dem es um meinen persönlichen Werdegang als Pädagoge geht, korrespondiert mit Kapitel 6, in dem die Archetypen der Lehrerpersönlichkeit ganz allgemein entfaltet werden. Kapitel 3 schließlich widmet sich ganz grundsätzlich der Initiation – der Persönlichkeitsentfaltung und dem Erwachsenwerden der Schüler. Darauf nimmt dann wiederum Kapitel 5 Bezug, in dem mit dem exemplarisch vorgestellten und auch für Schulen geeigneten Initiations-Ritual des WalkAway eine reale Möglichkeit beschrieben wird, wie dieser Prozess des Erwachsenwerdens heute ganz konkret und im Rahmen der Schule gestaltet werden kann.

      Mir ist bewusst, dass ich in diesem Buch nur einige Anregungen und Impulse geben kann. Diesen Anspruch möchte ich jedoch als mittlerweile „alter Hase der Pädagogik“ durchaus erheben – unverkrampft und bisweilen mit einem Augenzwinkern nach dem Motto: „Leute, nehmt die Bildungspolitik und vor allem unsere Schüler ganz ernst, aber vergesst dabei die Freude nicht! Schule kann doch auch im dritten Jahrtausend Spaß machen!“

      Olching, im Herbst 2015

      Peter Maier

      Die Corona-Krise verhinderte 2020 wochenlang das Unterrichten der Kinder und Jugendlichen in der Schule. Durch die Digitalisierung war Home-Schooling jedoch möglich. Dabei zeigte sich aber, wie enorm wichtig der persönliche Kontakt zwischen den Schülern untereinander und zwischen Schülern und Lehrern für den Lernerfolg ist. Viele Kinder und Jugendliche vermissten ihre Lehrer schmerzlich. Für die Persönlichkeitsentwicklung, die Charakterbildung und die Werteerziehung ist der Lehrer-Schüler-Kontakt auch im dritten Jahrtausend unverzichtbar, da Jugendliche gerade in der Pubertät eben keine digiatlisierten Lernroboter sind. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie erhalten die in diesem Buch vorgebrachten „Grundprinzipien einer Herzenspädagogik“ daher eine ganz neue, unerwartete Aktualität.

      Olching im Frühjahr 2020

      Peter Maier

      Einleitung

      Wenn ich das Referendariat mit einbeziehe, dann bin ich jetzt, da ich dieses Buch schreibe, seit 34 Jahren ohne Unterbrechung als Lehrer an staatlichen Gymnasien in Bayern tätig. Und wenn man will, könnte man dies so ausdrücken: Seit 34 Jahren bin ich „an der pädagogischen Front“ im Einsatz. Im Rückblick auf diese lange Zeit kann ich sagen: Ich bin noch immer gerne Lehrer und habe die meiste Zeit auch gerne unterrichtet. Das pädagogische Feuer, das man unbedingt braucht, um heute vor großen Klassen bestehen zu können und nicht frustriert zu werden, lodert noch immer in mir.

      In Deutschland sind die weiterführenden staatlichen Schulen „Mainstream-Schulen“, da die meisten Eltern ihre Kinder in genau diese Schularten schicken. Ich persönlich halte unser gegenwärtiges Schulsystem trotz der sehr aufgeregten bildungspolitischen und gesellschaftlichen Dauer-Diskussion auch im internationalen Vergleich grundsätzlich für geeignet, den Kindern und Jugendlichen das Wissen zu vermitteln, das sie für die Erfordernisse unserer heutigen Bildungsgesellschaft in einer globalisierten Welt benötigen.

      Ich selbst würde mich einerseits als „konservativen Lehrer“ in einem wörtlichen Sinne bezeichnen, der das, was sich beim jahrzehntelangen Unterrichten bewährt hat, erhalten und weitergeben will. Ich bin etwas skeptisch, wenn in immer kürzerer Taktung wieder eine „neue pädagogische Sau“ durchs „Schul-Dorf“ getrieben wird, von der es heißt, sie würde alle Schulprobleme schnell beseitigen oder „die“ Lösung für einen exzellenten Unterricht bringen. Im Rückblick betrachtet gab es aber drei entscheidende Entwicklungen, die mich zwangen, meinen Standpunkt als Lehrer in seinen Grundlagen neu zu überdenken. So gesehen halte ich mich persönlich auch für einen fortschrittlichen, suchenden und „progressiven Pädagogen“.

      Die erste dieser Entwicklungen wurde in mir zu einer Zeit ausgelöst, in der am Gymnasium bildungspolitisch gesehen noch relative Ruhe herrschte. Denn vor 20 Jahren wurde mir in einer Lehrerkonferenz schlagartig bewusst, dass ich motivationslos und krank werden könnte, wenn ich nicht sofort etwas für mich selbst unternehmen und meine Lehrerpersönlichkeit entscheidend weiterentwickeln würde. Und so begann ich 1995 mit der ersten meiner drei Zusatzausbildungen, die sich dann über 15 Jahre hinweg erstreckt haben:

       zum Lehrer für Gruppendynamik nach der Methode der „Themenzentrierten Interaktion“ (TZI) nach Ruth Cohn;

       zum Supervisor an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, einem Institut, das nach dem Standard der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSV) ausbildet;

       und zum Initiations-Mentor in der Tradition der nordamerikanischen „School of Lost Borders“.2

      Diese drei Weiterbildungen haben mich ziemlich verändert – als Mensch und als Lehrerpersönlichkeit. Ja, sie haben mir erst die Augen dafür geöffnet, was in der Schule und beim Unterrichten möglich und für die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler nötig ist. Dafür bin ich auch aus heutiger Sicht noch sehr dankbar. Denn dadurch wurde mein Unterricht viel lebendiger, meine Beziehung zu den Schülern intensiver und, davon bin ich überzeugt, meine Effektivität als Lehrer größer.

      Und dann platzte 2001 mit dem sogenannten Pisa-Schock eine bildungspolitische Bombe in das herkömmliche, etwas behagliche und betuliche deutsche Schulsystem, die alles veränderte. Danach war nichts mehr, wie es einmal war. Dies war die zweite wesentliche Entwicklung, die ich als Lehrer erlebte und die diesmal von außen kam. Dazu hieß es unter der Überschrift „Der heilsame Schock“ in ZEIT ONLINE vom 2. Dezember 2011:

      „Vor zehn Jahren, am 4. Dezember 2001, schockte die erste Pisa-Studie die deutsche Öffentlichkeit. Denn die Leistungen unserer Schüler im Lesen, in der Mathematik und den Naturwissenschaften erwiesen sich im internationalen Vergleich als unterdurchschnittlich. Noch schlimmer: Jeder vierte 15-Jährige konnte nicht richtig lesen und schreiben.“3

      Die Folge dieser Pisa-Studie, die das deutsche Bildungssystem im Allgemeinen und das Gymnasium im Besonderen eher schlecht wegkommen ließ, war, dass mehrere westliche Bundesländer bald darauf und überstürzt das verkürzte, achtjährige Gymnasium einführten, das in den ostdeutschen Ländern bereits die Regel war. Ein entscheidendes Argument zur Verkürzung der Schulzeit bei einer gleichzeitigen Beibehaltung des Abiturniveaus war auch der Druck aus der Wirtschaft. Deutsche Uni-Absolventen sollten in Zukunft, so wie in vielen Vergleichsländern, schon früher, das heißt schon Anfang zwanzig, für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen können.

      Infolge dieser Reformen wurden in den einzelnen Bundesländern zudem moderne Unterrichtsmethoden eingeführt, eine neue, vergleichende Aufgabenkultur entwickelt und neue Leitungs- und Führungsmodelle erprobt, so wie sie in Unternehmen üblich sind. Diese gymnasialen Reformen wurden aufgrund des Pisa-Schocks in vielen Bundesländern in der Regel von oben her, das heißt von den zuständigen Kultusministerien, durchgesetzt. Deutschland sollte als Bildungsland, als Land der Ingenieure, der Hochleistungstechnologie und einer modernen Dienstleistungsgesellschaft, fit gemacht werden für eine globalisierte Welt im dritten Jahrtausend. So wurde etwa in Bayern 2003 von der damaligen Landesregierung ganz unerwartet und überstürzt das verkürzte G-8-Gymnasium beschlossen

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