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saß er im Sattel, hörte das Wasser plätschern, die Zypressenzweige im sanften Herbstwind rascheln. Ein Vogel zwitscherte, dann erklang ein anderer Ruf, und die welken Blätter am Boden wurden nicht mehr von der Brise bewegt.

      Er hob die Hände, um zu zeigen, daß sein Messer in der Lederscheide am Schienbein steckte, sein Gewehr in der Lederschlinge am Sattel. Geschmeidig schwang er ein Bein hoch und sprang vom Pferd. »Ich bin allein gekommen!«

      Sofort erschienen drei Männer in Lederhosen und bunten Baumwollhemden, einer war mit Messingepauletten geschmückt, am Hals eines anderen hingen schimmernde Silberketten. Wie die ernsten Gesichter zweier Männer verrieten, floß weißes Blut in ihren Adern. Der eine war mittelgroß, mit dunklen, klugen Augen, die den Weißen Tiger unverwandt musterten. Seine hohe Position hatte er nicht geerbt, denn in der Muskogee-Kultur mußte ein Kriegerhäuptling keiner Herrscherdynastie entstammen. Als er zum Mann gereift war, hatte er von seinem Volk den Kriegernamen Asi Yaholo erhalten. Das bedeutete ›Sänger des schwarzen Tranks‹. Um beide Namen zusammenzufügen, nannten die Weißen ihn Osceola.

      Der zweite Mischling war hoch gewachsen und jünger, schlank und muskulös. Sein hübsches Gesicht vereinte die edelsten Züge beider Kulturen, mit ausgeprägten, bronzebraunen Wangenknochen, vollen Lippen und hoher Stirn, von glattem, ebenholzfarbenem Haar umrahmt. Die Augen strahlten in verwirrendem Blau. Den Namen ›Laufender Bär‹ hatte er sich als Krieger verdient, denn auf der Jagd konnte er die schnellsten behendesten Tiere übertrumpfen. Er begrüßte den Weißen Tiger als erster, umarmte ihn, trat schweigend zurück. Und er war es auch, der diese Begegnung herbeigeführt hatte. Selbst ein mächtiges Familienoberhaupt, das seinen eigenen Fähigkeiten vertrauen durfte, zollte er den beiden Kriegern, die ihn begleiteten, Respekt und Anerkennung.

      Von rein indianischer Herkunft, hieß der dritte im Bunde Alligator, der Schwager des Häuptlings Micanopy vom alten Alachua-Stamm. Nun wollte er den Mann beeinflussen, den sie inmitten der Wildnis trafen, denn sein Erbe verband den Weißen Tiger nicht nur mit den Seminolen, die Muscogee sprachen, sondern auch mit der Hitichi-Sprache der Mikasukis.

      In Alligators dunklen Augen las der Weiße Tiger, daß dieser Mann nicht auf eine friedliche Zukunft hoffte.

      Osceola wies auf eine kleine Lichtung zwischen den Zypressen, und die vier Männer setzten sich. Ohne Umschweife begann der Weiße Tiger zu sprechen, da er Osceolas Ungeduld spürte. »Ich bin gekommen, um von der Sorge vieler guter weißer Männer zu berichten, die den Mico Osceola kennen.«

      Wortlos nickte Osceola und wartete. Auch die anderen schwiegen.

      »Soviel ich weiß, hält Asi Yaholo nicht alle Weißen für schlecht. Das ist ein kluger Mann, der das Gute aus beiden Welten verbindet und nutzt. Unter den Weißen hatte er zahlreiche Freunde.«

      »Und Feinde«, warf Alligator erbost ein.

      Leise seufzte der Weiße Tiger. »Osceola, einige gute Männer hörten, du hättest dein Messer durch den Friedensvertrag gestoßen, als Wiley Thompson dich aufforderte, westwärts zu ziehen. Sicher weißt du, welch großen Kummer Thompson so manchen Weißen bereitete, als er dich fangen und in Ketten legen ließ.«

      »Nichts kann die Seminolen schmerzlicher kränken«, betonte der Laufende Bär.

      »Alle Verträge waren Lug und Trug!« stieß Alligator zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und erinnerte den Weißen Tiger an das Reptil, dessen Namen er trug. »Moultrie Creek versprach uns Land für zwanzig Jahre – neun sind noch übrig. In dem Gebiet, wo wir zusammengepfercht wurden, sind wir fast verhungert. Und wenn wir’S notgedrungen verließen, um zu fischen, zu jagen und Nahrung zu suchen, schlug uns der Feind zurück.«

      Außerdem hatten sie Vieh gestohlen und Haß heraufbeschworen, aber nur, um dem Hungertod zu entrinnen. Das wußte der Weiße Tiger. In diesem Jahr herrschte mildes Wetter, aber die bittere Kälte des letzten Winters hatte fast die ganze Ernte vernichtet. Viele Weiße glaubten, die verzweifelte Lage würde die Indianer nachgiebiger stimmen. Doch ihr Kampfgeist erlosch nicht.

      »Ich habe euch etwas mitgebracht«, erklärte der Weiße Tiger und stand auf. »In einigem Abstand folgen mir meine Männer, um den Seminolen das Geschenk zu übergeben, wenn Osceola es annehmen möchte.«

      »Stammt dieses Vieh aus unseren eigenen Herden?« fragte Osceola.

      »Teilweise. Und aus den Herden einiger Weißer, die Osceola respektieren und sich bei ihm entschuldigen wollen. Diese Männer sind deine Freunde, und ich habe sie mit dir bekannt gemacht.«

      »Aber das ist keine offizielle Entschuldigung von deiner Regierung«, bemerkte Osceola lächelnd.

      »Nein«, gab der Weiße Tiger ehrlich zu.

      Auch Osceola, Alligator und der Laufende Bär erhoben sich. Osceola reichte dem Weißen Tiger seine schmale Hand. »Natürlich hast du recht – ich verdamme nicht dein ganzes Volk. Und ich nehme dein Geschenk an, weil viele unserer Leute hungern. Leider muß ich dir mitteilen, daß ich Thompsons verräterische Maßnahmen nicht verzeihen kann. Ebensowenig bedauere ich, was ich tun mußte, um meinen Brüdern zu helfen, oder was ich in Zukunft beabsichtige.«

      Diese letzten Worte bedrückten das Herz des Weißen Tigers.

      »Du schweigst«, sagte Osceola leise.

      »Weil ich immer noch auf Frieden hoffe. Der Krieg bringt nur Leid, Hunger und Not.«

      »Aber der Friede hat uns genug Hunger gebracht!« entgegnete Alligator.

      »Trotzdem ist der Krieg das größere Übel. Friede bedeutet Leben.«

      »Was ist ein Leben ohne Ehre?« fragte Osceola. »Ich wollte dich nicht betrügen, und ich weiß, du sorgst dich um unser Volk. Eins mußt du bedenken – wir vergessen niemals unsere Freunde.«

      »Unsere Brüder«, ergänzte der Laufende Bär.

      Sogar Alligator nickte.

      »Und ich werde nicht die Waffen gegen meine Brüder erheben«, erwiderte der Weiße Tiger. »Ich werde weiterhin um den Frieden beten und ihn mit meiner Seele suchen.«

      Nachdenklich sah Osceola ihn an. »Wir alle beten um Frieden, aber ob er uns vergönnt wird, müssen unsere Götter entscheiden.«

      »Ein Gott, ein und derselbe Gott«, erklärte der Weiße Tiger. »Ishtahollo, der große Geist der Seminolen, ist ebenso der einzige Gott aller weißen Christen – ganz gleich, wie er genannt wird. Und ich glaube, er will deinem und meinem Volk ein friedliches Leben schenken.«

      Obwohl Osceola lächelte, stimmte er nicht zu. »Wohin du auch reitest, mein Freund, dir wird nichts zustoßen. Wo du lebst, ist der Boden heilig. Dort sollst du alle deine Lieben um dich versammeln, dann sind auch sie sicher.«

      »Mico Osceola, ich bitte dich, denk gründlich nach, ehe du dich für den Krieg entscheidest ...«

      »Du bist zu stolz, um zu bitten, sondern selber ein Krieger, ein Soldat.«

      »Jetzt bin ich Zivilist. Und in meinen Träumen sehe ich dein Land als Paradies, in dem wir alle leben können.«

      »Sei beruhigt, ich überstürze nichts.« Wieder lächelte Osceola. »Früher warst du ein blutjunger, kampflustiger Mann. Du wandtest dich gegen die Briten und auch gegen meine Leute.«

      »Damals war ich ungestüm, aber ich lernte meine Lektion.«

      »Du warst ein guter Krieger, und du hast auch erkannt, daß man den Tod nicht auf die leichte Schulter nehmen darf.«

      »Und daß der Krieg nicht nur Ehre bedeutet.«

      »Soviel ich höre, willst du dein Heim verlassen und auf Reisen gehen?«

      »Das hatte ich vor. Aber wenn es nötig ist, daß ich bleibe ...«

      »Nein, du mußt dich um deine Geschäfte kümmern. Ich habe deine Worte vernommen. Hier kannst du nichts tun. Segle nur munter davon. Der Laufende Bär hat mir erzählt, du würdest gern segeln und dabei innere Ruhe finden. Möge der Meereswind den Schmerz davonwehen, den

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