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Sorge sein, nicht die seine.

      »Was starrst du so verträumt vor dich hin?«, wollte Dendar grinsend wissen.

      »Ich warte darauf, dass ihr fertig werdet. Können wir gehen?«

      Helims Kopf schaute hinter einem der Ulphane hervor. »Hat sie einen Trell?«

      »Nein.«

      »Gut. Ich hasse diese Biester. Klettern überall hinauf und ziehen dir an den Haaren.«

      Cor klopfte sich die verbliebenen Körner von der Hand. »Sie gönnt uns einen Tag Rast. Die Verwalterin wird euch eure Räume zuweisen.«

      »Im Stift?« Dendar grinste frech.

      »Ich kann der Verwalterin auch sagen, dass du lieber im Stall schlafen möchtest.«

      »Tu mir das nicht an, mein Prinz. Lass mir wenigstens meine Träume.«

      Die Ulphane waren alle wohlversorgt, und Cor wandte sich zum Gehen. Während sie den Hof überquerten, stieß Dendar ihm den Ellbogen in die Seite. Als er Cors Aufmerksamkeit hatte, hob er vielsagend den Blick.

      Auf einer umlaufenden Balustrade drängten sich Seite an Seite gut zwanzig Mädchen, alle in helle Pelze gekleidet, alle mit ausdrucksstark geschminkten Lippen und Augen.

      »Das wird eine Nacht mit wundervollen Träumen, mein Prinz.«

      »Es schmerzt mich, dich enttäuschen zu müssen, aber du bist vermutlich nicht ihre erste Wahl.«

      »Das macht nichts.« Dendar grinste. »Das Schöne an geträumten Freuden ist, dass eine Jungfrau danach noch immer eine ist. Sie können zuerst zu dir und dann zu mir kommen.«

      Eine der Heiligen Schwestern stand auf den Stufen vor dem Hauptportal und sah ihnen entgegen. »Die Priorin erwartet Euch«, sagte sie zu Cor. »Sie möchte ein paar Worte mit Euch wechseln. Diese Magd wird Euch zu ihr führen, während ich Euren Begleitern die Gastgemächer zeige.«

      »Gut.« Cor sah besagte Magd auffordernd an. Die junge Frau senkte schüchtern den Blick und ging voran.

      Die Priorin besaß einen Raum eigens für die Arbeit, welche die Verwaltung der Schwesternschaft mit sich brachte, und diese Arbeit war sicher umfangreich. Der über dem Mutterschoß erbaute Tempel war zwar das Hauptheiligtum, doch gab es Schwesternschaften überall im Lande, die der Mildtätigkeit für die Armen und Kranken verschrieben waren und der Priorin unterstanden. Viel Arbeit und viel Verantwortung also. Nicht verwunderlich, dass diese Frau einen energischen, harten Eindruck machte.

      Sie hieß Cor mit reservierter Freundlichkeit willkommen. Wie alle Heiligen Schwestern war auch sie eine Frau des Adels, Hochadel sogar, aus dem Geschlecht der Merkadinger. Sie saß sehr aufrecht. Vermutlich stieß es ihr sauer auf, ihr Anliegen mit einem Bastard bereden zu müssen.

      Cor setzte sich in einen Lehnstuhl ihr gegenüber und legte die Arme entspannt auf die gepolsterten Lehnen. »Wie kann ich Euch dienen, Hohe Schwester?«

      Sie begann mit den üblichen Floskeln. Aber es dauerte nicht lange, bis sie auf ihr eigentliches Anliegen zu sprechen kam. »Die Verbindung des Königshauses mit dem Tempel hat eine lange Tradition«, sagte sie. »Auch wenn die Zusammenarbeit seit einigen Jahren brachliegt, da sich Euer Vater nach dem Tode der Akh’Eldash geweigert hat, erneut zu heiraten.«

      Cor lächelte. »Ihr könnt nicht erwarten, dass ein Mann dem No’Ridahl verfällt und diese Liebe dann für eine neue Akh’Eldash zur Seite legt.«

      Sie wussten beide, dass Ruothgar nach dem Tod der Akh’Eldash durchaus körperliche Freuden in den Armen anderer Frauen gefunden hatte. Er hatte mit der Heirat der Akh’Eldash und der Geburt eines Thronfolgers aus ihrem Schoß seine Pflicht gegenüber dem Tempel erfüllt. Ihr Tod war ihm insofern entgegengekommen, als er die Macht auf diese Weise nicht mehr hatte teilen müssen, und nur aus diesem Grunde hatte es seit über zwanzig Jahren keine Akh’Eldash mehr gegeben.

      Zwar war der Tempel nicht ganz ohne Einfluss geblieben, es gab wechselnde Beraterinnen am Hof. Doch alleine die Wirkung, die der Anblick des leeren Thrones auf das Volk und Gesandte hatte, musste für die Priorin ein ständiges Ärgernis darstellen. Ruothgar hatte ihr allerdings bereits vor Jahren klargemacht, dass es für die Schwesternschaft besser war, sich mit diesem Arrangement zu begnügen, als in einem Kräftemessen die Privilegien zu gefährden, die sie trotz ihres Geschlechtes innehatten.

      All das war Cor genauso bekannt wie der Priorin, und dieses beiderseitige Wissen drückte die Frau mit einem durchdringenden Blick und einem langen Schweigen aus, bevor sie sagte: »Selbstverständlich nicht. Umso größer ist meine Freude darüber, dass die Zeit der Entfremdung der Vergangenheit angehört. Königshaus und Tempel werden das Schicksal Galathräas zukünftig wieder mit vereinten Kräften gestalten.«

      Cor lächelte dünn. »Ihr richtet diesen Appell an den Falschen, Hohe Schwester. Ich bin nur ein Bote, die Eskorte für die Akh’Eldash.«

      »Das ist mir bewusst. Doch als Bote werdet Ihr mein Anliegen sicher getreulich weitergeben.«

      »Sowohl der König als auch der Kronprinz sind über dieses Euer Anliegen im Bilde.«

      »Ich spreche nicht als Bittstellerin. Zu einer Partnerschaft müssen beide Seiten einen Beitrag leisten, und ich möchte zeigen, dass wir dazu in der Lage sind.« Sie legte die Hand auf einige Blätter. »Ich habe hier Briefe, die belegen, dass Oneräa sich zu einem Krieg gegen Galathräa rüstet.«

      Der Tempel verfügte sicher über ein ähnlich enges Netz von Zuträgern wie das Königshaus. Nicht zuletzt darum war das Verhältnis zum Tempel ein ständiger Streitpunkt zwischen dem König und Siluren. Wenn Siluren den Thron bestieg, würde die bessere Zusammenarbeit mit dem Tempel nicht nur auf den No’Ridahl zurückzuführen sein. Siluren würden weder falscher Stolz noch Machtgier daran hindern, alle Wissensquellen zu Galathräas Wohl zu nutzen.

      Aber Cor war nicht als Unterhändler hier, seine Aufgabe bestand nicht darin, die Politik des Königshauses zu verteidigen. »Die Könige von Oneräa«, sagte er, »haben schon mehrfach versucht, Galathräa zu überwältigen, das letzte Mal vor drei Jahren. Es ist ihnen nicht gelungen.«

      »Seit zwei Jahren nun sitzt Krolan der Fahle auf dem Thron, ein Anhänger der Geister, wie man munkelt. Er hatte genug Zeit, neue Waffen zu schmieden und neue Männer auszuheben. Für Galathräa ist dies eine Zeit großer Unsicherheit. Er wäre klug, die Gelegenheit zu nutzen, und genau das scheint er im Sinn zu haben.«

      »Diese Zeit ist auch nicht unsicherer als andere.«

      Die Priorin musterte ihn scharf. »Haltet mich nicht für dumm, Graf Thul. Ich weiß sehr wohl, dass der König nicht nach der Akh’Eldash geschickt hätte, wenn er sich bester Gesundheit erfreute. Ich bin sicher, König Krolan von Oneräa kann die Zeichen ebenso deuten.«

      »Mein Vater ist ein besonnener, vorausschauender Mann«, sagte Cor und fragte sich dabei, warum ihn diese Worte nicht würgen ließen. »Sollte Krolan die Grenze tatsächlich überschreiten, wird er feststellen, dass der König weder krank noch schwach ist. Sorgt Euch nicht, das Reich ist bestens gerüstet.«

      Das Lächeln der Priorin machte deutlich, dass sie diese Worte mit gesunder Skepsis aufnahm. Offenbar war sie eine kluge Frau. Siluren würde in ihr eine wertvolle Verbündete finden. »Dennoch stelle ich dem Königshaus unser Wissen zur Verfügung. Zieht Eure eigenen Schlüsse daraus.« Sie schob ihm die Blätter zu. »Soll ich eine Vorleserin in Eure Räume schicken?«

      »Danke, ich bin des Lesens mächtig.« Er griff nach den Papieren und fing einen erstaunten Blick der Priorin auf.

      Wieder einmal setzte man ihn mit seinem Vater gleich. Der König hatte sich nie die Mühe gemacht, Feder und Tinte zu meistern. Er hatte zu diesem Zwecke ausreichend Schreiber zur Verfügung und würde sich damit ebenso wenig die Hände beschmutzen wie mit dem Leeren seines Nachttopfs.

      Seines Vaters Abneigung gegen diese Kunst hatte sich noch verstärkt, als Siluren sie sich angeeignet hatte, und darum hatte Cor es heimlich lernen müssen. Siluren war sein geduldiger Lehrer gewesen. In aller Verschwiegenheit hatten

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