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Wenn wir 1918 .... Walter Muller
Читать онлайн.Название Wenn wir 1918 ...
Год выпуска 0
isbn 9783966512022
Автор произведения Walter Muller
Жанр Социология
Издательство Bookwire
Die Stunde eurer Befreiung hat noch nicht geschlagen. Der Siegestaumel, der in euren Ländern herrscht, hat auch weite Kreise des Proletariats erfasst. Die vom Siegesjubel erfüllten Gehirne werden erst allmählich zu der Erkenntnis gelangen, dass es nicht nur darauf ankommt, den deutschen Kapitalismus zu schlagen, sondern dass man den Kapitalismus international beseitigen muss. Die Zeit wird kommen, wo diese Notwendigkeit von den Werktätigen aller Länder klar erkannt wird. Noch ist es nicht so weit. Vorläufig erwarten wir nur eins von euch, Kameraden: Schießt nicht auf eure deutschen Brüder!
Der Seekrieg beginnt
Die deutsche Ostseeflotte hat sich auf der Höhe von Danzig mit der russischen Ostseeflotte vereinigt. Die Nordseeflotte hat den Nord-Ostsee-Kanal passiert und wird heute abend den Kieler Hafen verlassen. Die englisch-französische Nordseeflotte hat bei ihrem Vorgehen in der Helgoländer Bucht 3 deutsche Minenschiffe, 2 Torpedo- und 2 Unterseeboote zerstört, aber selbst schwere Verluste durch Minen erlitten. Ein englisches Linienschiff wurde von einem deutschen Unterseeboot torpediert und sank. Die Engländer scheinen eine Landung in Cuxhaven und Brunsbüttelkoog zu planen. Truppentransportschiffe wurden bei Helgoland gesichtet. Die englische Flotte versucht in die Ostsee einzudringen. Sie erleidet schwere Verluste durch Unterseeboote, Flugzeuge und Minen. Wird die deutsche Flotte aktionsfähig sein, obwohl mehr als die Hälfte der Offiziere fehlt? Nur drei Schiffskommandeure von größeren Einheiten haben sich mit der Mannschaft solidarisch erklärt und die Führung behalten. Auf den kleineren Schiffen ist die Zahl der uns ergebenen Offiziere glücklicherweise bedeutend höher. Die Möglichkeit einer offenen Seeschlacht hat eine ganze Anzahl höherer Marineoffiziere in letzter Minute veranlasst, ihre Dienste wieder zur Verfügung zu stellen. Aus Sicherheitsgründen hat der Zentralmatrosenrat jedoch nur in geringem Umfange von diesem Angebot Gebrauch gemacht und die ausgewählten Offiziere unbeschadet ihres Dienstranges nur mit der Führung kleinerer Schiffseinheiten betraut. Wird der revolutionäre Elan der Matrosen imstande sein, den Mangel an militärischer Führung wettzumachen? Werden die englischen Matrosen bedingungslos den Befehlen ihrer Führer Folge leisten? Die nächsten Tage werden Antwort bringen.
Vorwärts - 29. November 1918
Lenin in Berlin
Die Ankunft. Schon am frühen Morgen war ganz Berlin auf den Beinen. Trotz der schwierigen Verkehrslage waren Zehntausende von Menschen nach Berlin geströmt, um Zeuge zu sein bei der Grundsteinlegung der neuen Gesellschaft. Der ganze lange Weg vom Flugplatz bis zum Reichstagsgebäude, das nun wirklich dem deutschen Volke und dem internationalen Proletariat gehört, war dicht von Menschen umsäumt. Acht Reihen tief standen auf einer Straßenseite die Mitglieder der bewaffneten roten Macht, die Angehörigen der Roten Armee und der Roten Arbeiterwehr Berlins. Auf der anderen Seite die Mitglieder des Roten Frauenbundes zur Verteidigung der Revolution und -kilometerweit, ebenfalls zu Hunderttausenden — unsere Jugend, die kommende Generation, der die Erfolge unseres Kampfes zugute kommen sollen. Spannung, Begeisterung, Kampfbereitschaft auf allen Gesichtern. Heut kommt kein Potentat, kein degenerierter Spross eines Fürstenhauses. Heut kommen die Männer von morgen, die Führer der Revolution. Ungeheurer Jubel bricht aus, als die Führer der deutschen Revolution vorbeifahren, Karl Liebknecht, Ledebour, Rosa Luxemburg, Levine.
Immer stärker schwillt der Sturm der Begeisterung an: die ausländischen Revolutionäre fahren vorbei, die Vertreter der Länder, in denen die Revolution bereits siegreich war, und auch der Länder, deren Herren noch bemüht sind, die internationale Revolution mit Waffengewalt niederzuschlagen. Niederzuschlagen? Wenn ihr bisher noch Furcht gehabt habt um das Schicksal der Revolution, heute nicht mehr! Seht sie euch an, die Hunderttausende auf der rechten Straßenseite, die hungernden und schlechtgekleideten Männer mit dem Gewehr über der Schulter, seht ihre abgehärmten, aber entschlossenen Gesichter! Seht ihre leuchtenden Augen! Auf diese Männer könnt ihr euch verlassen, ihr ausländischen Genossen. Nehmt diese Zuversicht mit in eure Länder!
Die Begeisterung wächst ins ungemessene, wie die französischen und englischen Sozialisten kommen, die sich unter Lebensgefahr in das rote Berlin durchgeschlagen haben. Und plötzlich wird der Sturm zum Orkan, reißt alles hoch in einem einzigen ungeheuren Wirbel. Hunderttausend Willen werden zusammengeschweißt zu einem einzigen Willen, hunderttausend Kehlen verschmelzen, vereinigen sich zu einem einzigen Ruf
Lenin!!! Lenin!!! Lenin!!!
Kilometerweit rollt der Wagenzug dahin durch ein Meer Von schreienden, schwitzenden, begeisterten Menschen. Endlich wird die Fahrt langsamer. Im Tiergarten, vor dem Brandenburger Tor, stehen Glied an Glied die bewaffneten Ehrengäste der deutschen Revolution. An der Spitze ein rotes russisches Regiment, das den ganzen Bürgerkrieg in Russland mitgemacht hat und nun auf die neugebildeten Kriegsgefangenenformationen verteilt werden soll. Und dann Kompanien, Bataillone, Regimenter, Brigaden, Divisionen, eine ganze Armee, eine große Armee in voller Ausrüstung mit Tausenden von Geschützen: die roten russischen Regimenter, die in den deutschen Kriegsgefangenenlagern gebildet worden sind. Danach kleinere Abteilungen: ein österreichisches und ein ungarisches Regiment, ein polnisches, rumänisches und griechisches Bataillon. Berittene Kirgisen. Eine gemischte Formation aus Chinesen, Japanern und Koreanern. In ihrer Heimat haben sie auf Befehl ihrer Pierren gegeneinander marschieren müssen. Hier kämpfen sie, — nach jahrelanger Internierung — Seite an Seite für die Revolution, die eines Tages auch ihre Revolution sein wird. Neben ihnen kleine Gruppen von Partisanen, Flüchtlinge aus Serbien und Bulgarien, wo jetzt nach Niederwerfung des Aufstandes, unter dem Schutz der Ententetruppen, der weiße Terror herrscht. Eine freiwillige nordische Kompanie : Dänen, Schweden, Norweger. Früher konnten sie (oder waren es nur ihre Fürsten?) sich nicht vertragen, waren nicht unter einen Hut zu bringen. In Zukunft, in der großen sozialistischen Republik, werden sie es lernen.
Auf dem Platz der Revolution, vor dem Reichstagsgebäude stehen die Exoten: Neger, Zuaven, Marokkaner. Inder usw., in tiefgestaffelten Kolonnen, in Bataillonen und Regimenter formiert. Ihr farbigen Brüder! Man hat euch hineingezerrt in den Krieg der Weißen, in dem ihr nichts zu suchen hattet. War es euch nicht einerlei, ob ihr von deutschen, französischen, englischen oder belgischen Kapitalisten beherrscht wurdet? War euch viel daran gelegen, welche Sprache der weiße Mann sprach, der gegen euch die Peitsche schwang, der euch eure Frau raubte und euren Boden, der eure Hütte anzündete, wenn ihr nicht zur Zwangsarbeit erschient? Nein Genossen, ihr habt wahrhaftig kein Interesse daran gehabt, dass gerade eure Beherrscher den Krieg gewannen. Ihr habt nur ein Interesse, einen großen, brennenden, dringenden Wunsch: frei zu werden. Deshalb hat die Agitation im Kriegsgefangenenlager gerade in euren Reihen so großen Erfolg gehabt. Deshalb habt ihr euch so gefreut, als die Ententeoffiziere, die im Lager erschienen waren, um euch zurück in die Knechtschaft, in die Hände eurer Sklavenhalter zu treiben, von roten Soldaten verhaftet wurden. Die sozialistische Revolution macht nicht halt vor Landesgrenzen, auch nicht vor Sprachgrenzen und ebenso wenig vor einer anderen Hautfarbe. Die sozialistische Revolution wird allen Völkern, allen Rassen die Freiheit bringen. Auch ihr habt eure Delegierten ins Reichstagsgebäude gesandt, und was da drüben heute beschlossen wird, soll auch für euch Gültigkeit haben. Deshalb steht ihr hier, auf dem Platz der Revolution.
Links und rechts vom Reichstagsgebäude aber steht je ein rotes Regiment aus englischen, französischen, belgischen und italienischen Kriegsgefangenen. Sie können nie mehr in ihre Heimat zurückkehren, wenn nicht auch bei ihnen die Revolution