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vornehmsten Geschlechter entstammend – die Legende schrieb ihm später, genau wie Jesus, einen göttlichen Vater (Apollo) und eine jungfräuliche Mutter zu –, wurde er denn auch körperlich und geistig aufs sorgfältigste erzogen und mit der ganzen wissenschaftlichen und künstlerischen Bildung des damaligen Athens ausgerüstet. Und doch galt ihm dies alles nichts – er soll unter anderem seine Jugendgedichte verbrannt haben – im Vergleich zu dem vertrauten Umgange mit seinem geliebten Meister Sokrates, den er von seinem 21. bis 28. Lebensjahre (406 bis 399) genoß. Nach dessen Tod verließ er die ihm auch politisch unerfreulich gewordene Vaterstadt und ging auf Reisen, die ihn unter anderem zu dem Mathematiker Theodoros in Cyrene (Nordafrika), nach dem Lande uralter Priesterweisheit am Nil, zu den Pythagoreern in Tarent und an den Hof des älteren Dionys in Sizilien führten. Nach Athen heimgekehrt, gründete er vierzigjährig, also 387 seine Philosophenschule nahe einem dem Halbgott Akademos geweihten Gymnasium, daher Akademie genannt. Hier hat er, abgesehen von zwei Reisen nach Syrakus (367 und 361), wo er vergeblich auf den jüngeren Dionys im Sinne seines Staatsideals (siehe unten) einzuwirken hoffte, zurückgezogen von den öffentlichen Angelegenheiten bis zu seinem achtzigsten Jahre gelebt und gewirkt.

      Glücklicherweise sind alle seine Schriften, gegen dreißig an der Zahl, erhalten. Sie sind sämtlich in der Form von Zwiegesprächen (Dialogen) abgefaßt und zeigen eine von keinem anderen griechischen Prosaiker erreichte Künstlerschaft der Sprache, die mit plastischer Anschaulichkeit und zuweilen dramatischer Lebendigkeit des Gesprächs gepaart ist. Der Hauptredner ist jedesmal Sokrates, dem der dankbare Jünger seine eigene Philosophie in den Mund legt, während der Titel des Dialogs gewöhnlich nach dem wichtigsten Mitunterredner gewählt ist.

      In den frühesten Dialogen entfernt sich Plato noch nicht besonders weit von der Lehre des Meisters. Der erste, die sogenannte »Apologie des Sokrates«, ist dessen von Plato selbst in Worte gefaßte Verteidigungsrede vor Gericht; das Thema des zweiten im Gefängnis spielenden: weshalb Sokrates die ihm von seinem alten Freunde Kriton angebotene Gelegenheit zur Befreiung nicht annehmen will. Vier andere kleinere Gespräche erörtern nacheinander die Bedeutung bestimmter Tugenden: der Tapferkeit, Besonnenheit, Frömmigkeit, Freundschaft und Liebe. Fünf weitere Dialoge setzen sich mit den Sophisten auseinander; ebenso auch das erste Buch seines späteren Hauptwerks, des »Staates«. Seine eigene Philosophie kommt erst in den Schriften seiner Reifezeit zum Durchbruch, die seine Ideenlehre enthalten.

      Mit Plato stehen wir an dem Quellpunkt des Idealismus und damit zugleich alles wissenschaftlichen Denkens. Er faßt zum erstenmal mit aller Klarheit – die Eleaten, Demokrit, Sokrates bildeten nur Vorstufen dazu – den Gedanken eines rein gedachten Seins, welches dadurch ist, daß es gedacht wird. Diese ganz neue Art des Seins und zugleich das Denken derselben bezeichnet er nun auch mit einem damals noch ganz neuen Namen: der Idee, die wörtlich ein geistiges »Schauen« bedeutet. Natürlich behandelt er auch die zu ihr führenden Vorstufen der Erkenntnis. Deren unterste Stufe stellt die sinnliche Wahrnehmung dar, die für sich allein selbstverständlich keine sichere Erkenntnis zu liefern vermag. Auch die zusammenfassende und vergleichende Überlegung, mit der die Seele die ihr gebotenen Sinneswahrnehmungen erst zur »Vorstellung« schlechtweg, dann zur richtigen Vorstellung weiter verarbeitet, führt noch nicht zur Erkenntnis des wahrhaft Seienden, des Bleibenden im Fluß der Erscheinungen, mit einem Wort zur Wissenschaft. Das vermag nur die Idee. »Auf die Idee hinschauend«, als das Muster, das ihm vor Augen steht, verfertigt schon der Tischler seine Bettstelle, der Techniker sein Modell, aber auch der größte Künstler sein Werk. Die Idee ist das sich gleich Bleibende, das dem vielen Gleichbenannten Gemeinsame, das wirklich und wahrhaft Seiende.

      Um sie vor aller Versinnlichung zu schützen, stellt Plato die Ideen in seiner bilderreichen Sprache wohl auch als »thronend an einem überhimmlischen Ort«, als »unkörperliche, unräumliche, unsinnliche Wesenheiten«, als »ewig, farblos, gestaltlos« dar; Eigenschaften, die alle auch auf unsere Gedanken zutreffen. Das mag verschuldet haben, daß weniger poetische Naturen – schon sein Schüler Aristoteles beginnt damit – sie als eine Art außerhalb der übrigen Welt irgendwo ein Sonderdasein führender Geister oder persönlicher Wesen mißverstanden hat. Und doch sagt unser Philosoph ganz klar, daß seine Ideen, die es von allem möglichen, Hohem wie Niedrigem gibt – zum Beispiel von Tisch, Bett, Messer –, nur Gedankendinge sind, die unsere eigene Seele erst erzeugt. Der Drang zu ihrer Hervorbringung, zum Gebären dessen, womit die Seele schwanger geht, ist es, der den Philosophen wie den Künstler macht; es ist der Eros, das ist das liebende Verlangen, der geistige Zeugungs- und Schaffenstrieb, den der Dialog »Das Gastmahl« so unübertrefflich schön geschildert hat.

      Aber Sinn und Geltung bekommen die Ideen erst dadurch, daß sie sich auf Sinnendinge beziehen. Ein Hauptmittel dazu ist die Mathematik, die zwischen dem Vernunft-Denken und den sinnlichen Wahrnehmungen in der Mitte steht. Sie wurde von Plato und seinen Jüngern aufs eifrigste gepflegt. »Kein der Geometrie Unkundiger trete ein!« soll über dem Eingang seiner Akademie gestanden haben. Vom ewig wechselnden Werden zum beständig Seienden führen die »Wecker zum reinen Denken«: die Zahlenkunst (Arithmetik) und Geometrie. Der mathematischen Methode ist auch einer der bis heute wichtigsten Grundbegriffe wissenschaftlichen Denkens entlehnt: derjenige der »Hypothese«, als der Voraussetzung, die das Gesuchte vorläufig als gefunden annimmt, um es sodann durch die aus ihr gezogenen Folgerungen und deren Verknüpfung wirklich zu finden. Auch die Idee ist eben »Hypothesis«, Grundsatz im eigentlichsten Sinne des Worts, selbst unbedingte letzte Voraussetzung und Unterlage des philosophischen Denkens. Die Wissenschaft von den Ideen nennt Plato die Dialektik, weil erst die gemeinsame Erzeugung der Begriffe in der Unterredung (dem »Dialog«) mit anderen zum Reiche der Ideen führt.

      Wir müssen weitere schwierige Einzelheiten, wie die Lehre von der Materie, hier übergehen. Desgleichen seine erst in einem seiner spätesten Dialoge entwickelte Naturphilosophie. Sie bildet den schwächsten Teil von Platos philosophischem System, den er selbst gelegentlich als ein geistreiches »Spiel« bezeichnet, und für den er nur Wahrscheinlichkeit, nicht wissenschaftliche Wahrheit in Anspruch nimmt. Die Weltseele, die er hier als eine Art Mittelding zwischen dem Einen und dem Vielen, dem Schaffenden und dem Geschaffenen annimmt, und die den von dem göttlichen Weltbildner erschaffenen Urquell alles Lebens darstellt, hat allerdings genug Unheil von der spätantiken und mittelalterlichen bis zur neueren Philosophie (Schelling) angerichtet.

      Gleich ihr ist auch die Einzelseele des Menschen in erster Linie jedenfalls nur Lebensprinzip, die Psychologie also – wie fast bei allen Denkern des Altertums – bloß ein Teil der allgemeinen Naturlehre. Steine werden bewegt; Pflanzen, Tiere und Menschen dagegen bewegen sich selbst, was wir leben nennen. Über die Unsterblichkeit des Einzelnen spricht er sich an verschiedenen Stellen verschieden aus; jedenfalls glaubt er sie nicht mathematisch beweisen zu können. Jener Dreiteilung der Seele in bezug auf das Erkennen (Wahrnehmung, Vorstellung, Idee) entspricht eine ebensolche für die Welt des Willens: das Begehren, das Mutartige oder die Willenskraft, das vernunftgemäße Wollen. Das letztere lenkt als Einsicht, nach dem schönen Gleichnis im Phädrus, das übrige Zweigespann, von dem das edlere Roß (die Willenskraft) das zügellose (die Begierde) bändigen hilft.

      Damit stehen wir am Eingang in den dritten und letzten Teil von Platos Philosophie: seiner Ethik. Auch sie findet, gleich der Wissenschaft, ihre Begründung in der Ideenlehre. Die höchste aller Ideen ist die Idee des Guten. Auch sie muß in schwieriger Untersuchung erst gefunden werden. Denn sie ist das Letzte alles Erkennbaren, »mit Mühe nur zu schauen«, »hoch über allem Sein«, dafür auch die Erkenntnis der Wahrheit »an Würde und Kraft« noch überragend. Von allen anderen Ideen, selbst der des Schönen, gibt es Abbilder hienieden; von der des Guten nicht. Sie ist wie die Sonne, die alles Seiende erst erleuchtet und fruchtbar macht; weshalb sie gelegentlich auch mit dem Begriff gleichgesetzt wird, in den der Mensch das Höchste, was er nicht mehr auszudenken, sondern nur noch zu empfinden vermag, zu fassen sucht: der Gottheit. Der Mensch muß sich, wie das wunderbar schöne Gleichnis im siebten Buche des »Staates« ausführt, an ihre »Schau« erst gewöhnen, nachdem er bis dahin, gefesselt an die Höhle des Scheins, bloß Schattenbilder erblickt hat. Und eine zweite »Verwirrung der Augen« überkommt ihn, wenn er dann, noch geblendet von ihrem Glanz, wiederum hinabsteigt zu seinen früheren Mitgefangenen in der Höhle, das heißt

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