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wird also zunächst die Autonomie und Eigengesetzlichkeit der Module ‚Grammatik‘ und ‚Pragmatik‘:

      Zugleich gibt es aber eine systematische Interdependenz zwischen ihnen, insofern einerseits die pragmatischen Funktionen mit Hilfe von grammatischen Strukturen realisiert, andererseits die grammatischen Strukturen nur als pragmatische Einheiten aktualisiert werden können. Pragmatik ohne Grammatik kann es also nicht geben. Die Grammatik ihrerseits muß kommunikativ verwendbar sein, d.h. die kommunikativen Erfordernisse erfüllen können. Untersuchung des Grammatik-Pragmatik-Verhältnisses heißt dann, die Gesetzmäßigkeiten dieser Interdependenz zu untersuchen […]. (Motsch/Reis/Rosengren 1989: 2)

      Mit Oller kann davon ausgegangen werden, dass jede Theorie, die Sprache unabhängig von ihrem Gebrauch zu erklären versucht, zirkulär bleiben muss und dass also jede Betrachtung von Sprache als Kommunikationsmedium eine integrierte Theorie von Syntax, Semantik und Pragmatik erfordert, nicht bloß ein additives Hinzufügen einer pragmatischen Komponente, denn selbst bei einfachen Sätzen (Der Junge schlägt gerade den Ball.) sei ein Bezugnehmen auf die Situation unverzichtbar:

      Unabhängig von der Weltkenntnis, über die der Sprecher/Hörer etwas mitteilt, existiert keine Sprachstruktur. Weder Bedeutung noch Syntax existieren in einem Vakuum, und beide zusammen existieren nicht unabhängig von Situationen. (Oller 1974: 132ff.)

      In diesem Verständnis wäre Pragmatik als eher ganzheitliche Theorie zu begreifen, „welche die systemlinguistischen Fragestellungen einschliesst und sogar das Fundament für die systemlinguistischen Theorien liefert“ (Linke u.a. 52004: 206).

      Eine solche Auffassung geht im Grunde zurück auf Karl Bühler (1934). Dessen pragmatische Ansätze sind, obgleich sie lange Zeit weitgehend unbeachtet blieben, bis heute richtungweisend (siehe 5.2.2). Der Vorteil einer solchen integrativen Sicht auf Grammatik, Semantik und Pragmatik ist darin zu sehen, dass somit auch die Form selbst in den Fokus gerückt und als pragmatisch determinierte Größe beschrieben werden kann.

      Zusammenfassend kann festgehalten werden:

      1 Textgrammatik muss empirisch fundiert sein. Ziel ist es, eine realistische Grammatik des Deutschen in geschrieben und gesprochen realisierten Textsorten vorzulegen, eine Grammatik, die den realen Sprecher/Hörer und Schreiber/Leser in den Mittelpunkt stellt und die Regelhaftigkeiten des Sprachgebrauchs in Texten/Textsorten herausarbeitet. Strukturelle Gegebenheiten der natürlichen gesprochenen Sprache sind dabei expliziter Bestandteil einer solchen Grammatik. In der Grammatik empirisch zu arbeiten heißt vor allem, sprachliche Phänomene auf der Basis eines gesicherten Datenmaterials zu beobachten und zu beschreiben. Eine empirisch kontrollierte Linguistik sollte sich dadurch auszeichnen, dass sie ihre Theorie und entsprechende Theoreme und Kategorien an den Daten misst, die der Wahrnehmung zugänglich sind.

      2 Textgrammatik muss eine pragmatische Grammatik sein. Das ist keineswegs selbstverständlich. Mit Recht weist Schlobinski (1997a: 11) darauf hin, dass die Erweiterung des Blicks auf komplexe pragmatische Faktoren nicht zwangsläufig ist, wie zum einen die Rezeption textlinguistisch fundierter Syntaxbeschreibungen zeigt und zum anderen die Grammatik von Weinrich (1993), in der zwar Verschriftungen gesprochener Sprache zitiert werden, aber letztlich nur als Belege für Analysen im Rahmen einer traditionellen Grammatikschreibung.

      Eine pragmatisch fundierte Beschreibung grammatischer Strukturen in Texten muss sich von traditionellen textgrammatischen Ansätzen unterscheiden. Es kann nicht mehr nur um eine formale Betrachtung des Textes als transphrastischetransphrastisch Einheit gehen, nicht mehr nur darum, allgemeine oberflächenkonstituierende Merkmale von Texten zu beschreiben oder Pronominalisierungsketten als grammatischsyntaktische Bedingung der KohärenzKohärenz von Texten aufzuzeigen.

      Die pragmatische Ausrichtung der Textgrammatik wird darin erkennbar sein, dass sie die in Texten und DiskursenDiskurs regelhaft verwendeten sprachlichen Strukturen zu ihrem Gegenstand erhebt und diese Strukturen mit Blick auf die kommunikativen Gegebenheiten der Äußerung analysiert. Texte werden nicht als isolierte, statische Objekte behandelt, sondern als kommunikative Entitäten. Die grammatischen Strukturen im Text sollen vor dem Hintergrund kognitiver, funktionaler und situativer Faktoren beschrieben werden. Damit legen wir der textgrammatischen Beschreibung eine kommunikativ-kognitive Textauffassung zugrunde, denn zwischen TextfunktionTextfunktion und Textstruktur besteht insofern ein enger Zusammenhang, als „die Textfunktion – zusammen mit gewissen situativen und medialen Gegebenheiten – die Textstruktur, d.h. die Gestaltung des Textes in grammatischer und thematischer Hinsicht, regelhaft bestimmt“ (Brinker 62005: 121).

      Solcherart Determiniertheiten für die Grammatik an verschiedenen Texten und Textsorten nachzuweisen, muss Anliegen einer modernen Textgrammatik sein. Voraussetzung dafür ist aber ein funktionierendes Beschreibungsinstrumentarium, das den grammatischen Besonderheiten des Sprachgebrauchs, vor allem aber denen der MündlichkeitMündlichkeit gerecht wird. Ein Vorschlag für ein solches Instrumentarium soll hier im Folgenden entwickelt werden.

      3.2.2 Syntaktische SegmentierungSegmentierung in der geschriebenen und gesprochenen Sprache

      In der geschriebenen Sprache ist das Problem der Segmentierung mit Hilfe der Interpunktion relativ einfach aufzulösen, denn die Interpunktionszeichen können in der Regel eindeutig als vom Schreiber markierte Segmentgrenzen identifiziert werden:

      (3–5) So ungefähr läuft es. Obwohl die Lehrer auch nicht viel besser dran sind. Höchstens vielleicht, daß sie den Laden kennen. Sie sind nicht so ahnungslos wie vielleicht Obermüller. Deshalb verbrennen sie sich auch nicht den Mund. Aber manchmal kommen sogar Lehrer unter die Räder. Herr Koppe zum Beispiel. Unser ehemaliger Geographielehrer. Er gab auch Deutsch, aber nicht in unserer Klasse. (T. Brussig: Wasserfarben [Roman])

      Die Segmentgrenzen im gegebenen Beispiel sind zwar keinesfalls selbstverständlich an den durch die Interpunktion markierten Positionen anzunehmen. Erwartbar und den etablierten Normen angemessen wäre zum Beispiel eher der Anschluss des Satzes Obwohl die Lehrer auch nicht viel besser dran sind. als Nebensatz an den Hauptsatz So ungefähr läuft es. Ebenso ließe sich die im gegebenen Beispiel offenbar als Satz anzunehmende Äußerung Herr Koppe zum Beispiel. auch ohne Weiteres als Apposition zum Nomen Lehrer in den vorangehenden Satz integrieren: Aber manchmal kommen sogar Lehrer unter die Räder, Herr Koppe zum Beispiel. Dies zu problematisieren, ist aber gegenstandslos, weil der Schreiber mittels der Interpunktion seine Segmentgrenzen ganz eindeutig markiert hat.

      

Wesentlich komplizierter ist es, die gesprochene Rede syntaktisch zu segmentieren. Als Ausweg aus dem noch nachzuzeichnenden Dilemma wurde in der Vergangenheit häufig eine Segmentierung auf der Basis kommunikativer bzw. pragmatischer Einheiten angeboten. Exemplarisch dafür stehen die „Äußerungseinheiten“ bei Rath (1979: 72f.) oder Schwitalla (1997: 50ff.) bzw. die „Kommunikativen Minimaleinheiten“ in der „Grammatik der deutschen Sprache“ (GDS) (Zifonun u.a. 1997: 91). Letztere sind definiert als „die kleinsten sprachlichen Einheiten, mit denen sprachliche Handlungen vollzogen werden können. Sie verfügen über ein illokutives Potential und einen propositionalen Gehalt“ (ebd.).

      Generell scheint es (insbesondere für eine Grammatik) nicht unproblematisch, kommunikativ determinierte Gliederungseinheiten als Ersatz für eine syntaktische Kategorisierung zu verwenden (vgl. Schreiber 1995: 82), da deren Status ein völlig anderer ist. Zudem besteht die Gefahr, dass bei einer primär kommunikativ ausgerichteten Definition von Kategorien „die Möglichkeit verloren geht, die uns allen intuitiv bekannten formbezogenen Organisationsprinzipien […] als eigenständiges, kommunikativ relevantes Signalisierungssystem […] zu untersuchen“ (Selting 1995: 300). Deshalb sollte die Ebene der Syntax nicht vorschnell aufgegeben werden. Es stellt sich allerdings die Frage, auf welcher Grundlage die gesprochene Rede syntaktisch segmentiert werden kann. Der traditionelle Satzbegriff ist dabei offenbar wenig hilfreich. Praktikabler und einer Textgrammatik angemessener scheint der Begriff der SYNTAKTISCHEN BASISEINHEIT (vgl. Jürgens 1999: 82).

      SYNTAKTISCHE BASISEINHEITENBasiseinheit, syntaktische sind in der Redekette relativ selbstständig auftretende Konstruktionen,

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