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      Auch der in der Forschung oft ausgeklammerte und allenfalls am Rande behandelte Aspekt der Umwelt und Umgebung, in der Figuren dargestellt werden (so u.a. bei Rimmon-Kenan, Anderson und Hur), scheint im Hinblick auf die Figurenanalyse des Auferstandenen im Matthäus- und Lukasevangelium kein unwichtiger Aspekt zu sein. Finnern liefert zwar nützliche Kriterien zur Umweltanalyse6, setzt diese jedoch nicht in Bezug zur Figurenanalyse. Er unterscheidet in seiner Umweltanalyse zwischen zeitlichen, räumlichen und sozialen Settings7 und macht darüber hinaus deutlich, dass die Umwelt auch als Symbol für etwas dienen und Stimmungen erzeugen kann.8 Für die Analyse des Auferstandenen werden daher Finnerns Kriterien zur Umweltanalyse in die Figurenanalyse integriert und in Beziehung zur Figur des Auferstandenen gesetzt.

      Um auch die Ebene der Handlung für die Figurenanalyse zu berücksichtigen (wie es v.a. Bal, Rimmon-Kenan und Finnern deutlich gemacht haben), wird in einem weiteren Analyseschritt die Figur in Beziehung zur Handlung gesetzt, um so ihre Funktion, Rolle und Bedeutung für die Handlung herauszustellen. Greimas, Harvey, Bal, Finnern, Eisen, Tolmie und andere liefern hierzu Modelle, in denen die Figuren gemäß ihrer Rollen und Funktionen innerhalb einer Handlung eingeteilt und zugeordnet werden. Der Vorteil solcher Modelle ist u.a. die Übersichtlichkeit über das Zusammenspiel verschiedener Figuren innerhalb einer Handlung. Jedoch erweist sich die Verwendung eines solchen eher starr erscheinenden Rasters im Hinblick auf die Analyse einer einzelnen Figur (in diesem Fall des Auferstandenen) nicht von großem Nutzen. Denn ein solches Aktantenmodell ist m.E. nicht in der Lage, die komplexe Rolle des Auferstanden in der Handlung zu untersuchen, da sich ein Modell auf pauschale und grobe Kategorien und Einteilungen beschränken muss. Fragen wie „wie wird die Figur in die Handlung eingeführt?“ oder „treibt die Figur die Handlung voran?“ können durch ein solches Modell nicht beantworten werden. Ein Aktantenmodell eignet sich daher im Hinblick auf die Analyse des Auferstandenen besser zur Veranschaulichung der Beziehung des Auferstandenen zu anderen Figuren und wird daher unter der Kategorie Figur und Figuren verhandelt.

      In Anlehnung an Gun und Fewell, Marguerat und Bourqin, Finnern, Nicklas, Oko und im übertragenen Sinne auch an Eder soll in einem weiteren Schritt die bisher in der Forschung eher vernachlässigte Beziehung des Erzählers zur Figur untersucht werden. Es soll hierbei die Art und Weise, in der der Erzähler Aussagen über die Figur trifft, näher beleuchtet werden (bei Eder ist dies z.B. die Art und Weise der Kameraführung). Denn bei den vorherigen Kategorien handelt es sich insgesamt um „Inhalte“ des Erzählers, also um das, was er über eine Figur sagt, an welchen Orten und zu welchen Zeiten er sie darstellt, wie er die Figur ins Verhältnis zu den anderen Figuren setzt und welche Rolle er der Figur innerhalb der Handlung zuschreibt. In der Analysekategorie Figur und Erzähler soll es aber nicht um Inhalte des Erzählens, sondern vielmehr um die Art und Weise der Präsentation dieser Inhalte gehen. Finnern verhandelt unter dem Analyseschritt Figurendarstellung u.a. folgende für die Beziehung des Erzählers zur Figur relevante Fragen: „Wie ist die Charakterisierung über den Text verteilt (z.B. Blockcharakterisierungen)? Wie ausführlich ist die Charakterisierung?“9 Genau wie die Umweltanalyse stellt die Perspektivanalyse bei Finnern wiederum einen eigenständigen Bereich dar, der bei ihm nicht mit der Figurenanalyse verknüpft ist. Hier verhandelt Finnern u.a. Fragen nach der Perspektive des Erzählers.10 Unter der Kategorie Figur und Erzähler wird somit bei der Figurenanalyse des Auferstandenen vorrangig (in Bezug auf Eder, Marguerat/Bourqin und Finnerns Perspektivanalyse) die Perspektive des Erzählers zur Figur sowie die Art und Weise der Charakterisierung analysiert.

      Forster, Harvey, Ewen, Rimmon-Kenan, Gun und Fewell, Finnern, Powell, Bennema, Anderson, Poplutz, Eisen und Tolmie erstellen bestimmte Kategorien, nach denen Figuren beurteilt, bewertet und eingeteilt werden. Sie richten sich dabei vornehmlich entweder nach Forsters Einteilung in flache und runde Charaktere11 oder nach Ewens Einteilung in complexity, development und penetration to inner life.12 Forsters Einteilung kann mit Rimmon-Kenan zu Recht als zu grob und damit ungenügend bezeichnet werden, da zwischen den beiden Polen rund und flach noch zahlreiche Zwischenstufen bestehen, die durch sein Modell nicht erfasst werden. Ewens Einteilung scheint hier schon besser geeignet zu sein, jedoch ist auch sie in ihren Kategorien limitiert. Hinsichtlich der Aus- und Bewertung einer Figur sind daher Finnerns Kriterien, die er in Anlehnung an Eder formuliert, am effektivsten. Er unterscheidet zwischen statisch oder dynamisch, knapp oder detailliert, eindimensional oder mehrdimensional, typisch oder untypisch, geschlossen oder offen, realistisch oder unrealistisch, kohärent oder inkohärent und macht damit eine präzise Auswertung einer Figur möglich. In Bezug auf die Analyse des Auferstandenen im Matthäus- und Lukasevangelium wird jedoch bewusst auf eine abschließende Beurteilung der Figur in Bezug auf die eben genannten Kriterien verzichtet, da sie im Hinblick auf den Auferstandenen nicht sehr ertragreich erscheint. Dennoch werden die Kriterien implizit in den jeweiligen Analyseschritten mitberücksichtigt, v.a. der Aspekt der Kohärenz ist im Rückblick auf die Darstellung des irdischen Jesus von großer Bedeutung.

      Eder, Marguerat und Bourqin, Schultheiss, Finnern, Powell, Nicklas und andere untersuchen darüber hinaus die Wirkung einer Figur auf den Rezipienten. Es geht ihnen darum, zu ergründen, ob die Figur Sympathie, Empathie oder Antipathie beim Rezipienten auslöst. Die Frage nach der Wirkung einer Figur ist auch im Hinblick auf die Analyse des Auferstandenen von Interesse. Jedoch liefern Eder, Marguerat und Bourqin und Powell keine zufriedenstellenden Kategorien, anhand derer Rezeptionsemotionen untersucht werden können. Finnern widmet sich dagegen der Rezeptionsanalyse in einem eigenen Kapitel, setzt sie aber wiederum nicht in Beziehung zur Figurenanalyse.13 Die von ihm genannten Kriterien (u.a. zur Empathie, Sympathie und Antipathie) eignen sich jedoch m.E. gut zur Analyse der Wirkung der Figur des Auferstandenen auf den Rezipienten und werden daher für die in dieser Arbeit verwendete Figurenanalyse übernommen. Dabei stellt die Frage nach der Wirkung der Figur auf den intendierten Rezipienten keinen eigenen Analysepunkt dar; vielmehr spielt sie während der gesamten Figurenanalyse eine Rolle.

      Jannidis liefert in seinem Figurenanalysemodell wichtige Impulse hinsichtlich der Beschaffenheit von Informationen über die Figur. Er nennt hier u.a. Aspekte wie Zuverlässigkeit14, Modus, Relevanz, Dauer, Menge, Häufigkeit, Ordnung, Dichte und Kontext der Informationen. Diese von ihm herausgestellten Kriterien, nach denen die Äußerungen über eine Figur im Text (direkt, indirekt, in Bezug auf die Handlung, die Umwelt und andere Figuren) befragt werden können, eignen sich m.E. gut dazu, generell und übergreifend in einer Figurenanalyse angewendet zu werden. Sie stellen somit keine eigene Kategorie dar, sondern werden bei allen Äußerungen in allen Kategorien berücksichtigt.

      Anderson, Hur, Rimmon-Kenan, Nicklas und Danove betonen in ihren Figurenanalysen zu Recht den Aspekt der Analogie. Ihrer Ansicht nach besitzen Analogien (Wiederholungen, Ähnlichkeiten und Kontraste) im Text einen hohen Stellenwert und sagen viel über die Darstellung einer Figur aus. Genau wie die Fragen nach der Beschaffenheit von Aussagen, sind daher auch im Text begegnende Analogien in Bezug auf eine Figur stets in allen Analysekategorien mit zu berücksichtigen.

      Im Prinzip soll in der geplanten Analyse auf eine explizite historische Ausweitung des narrativen Ansatzes durch das Heranziehen von frühchristlichen Vergleichstexten (wie bei Hartenstein und Fehribach) oder durch den Versuch einer Rekonstruktion des gesamten Weltwissens des damaligen Lesers (wie bei Darr) verzichtet werden, denn ein solches Vorgehen scheint nicht unproblematisch zu sein. Der Nachteil in Bezug auf Hartensteins Methodik dürfte darin liegen, dass ihr Verfahren, bei dem auch sehr viel später als das Johannesevangelium entstandene Texte als (bereits in mündlichen Vorstufen) bekannt vorausgesetzt und als Vergleichstexte genutzt werden, sehr hypothetisch und letztlich willkürlich bleibt. Auch Darrs Versuch, den damaligen lukanischen Leser genau zu rekonstruieren, um so durch seine Brille hindurch den Text zu lesen, kann wohl kaum so umfassend gelingen, dass sich ein wirklicher Ertrag für die Analyse daraus ergäbe. Eine generelle Verortung des Textes, wie u.a. Finnern, Oko und Bennema es vorschlagen, ist dagegen sinnvoll, da der Text allein schon durch seine Sprache und sein soziokulturelles Setting historisch verankert ist. Wie bereits im vorherigen Kapitel zu dem in dieser Arbeit verwendeten Erzählmodell geklärt worden ist, ist der intendierte Rezipient des Matthäus- und des Lukasevangeliums ein Leser des ersten Jahrhunderts nach Christus. Sein mögliches Weltwissen wird dann explizit berücksichtigt, wenn der Text ein entsprechendes

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