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sei. «Ganz gut», sagte mein Vater.

      Die Familien, die jetzt getrennt lebten, blieben durch eine vorsichtige Neugierde miteinander verbun­den. Auf Neues war man dabei allerdings nicht so sehr aus. Wenn man nach dem Wein und den Lebensgewohnheiten der anderen fragte, wollte man viel eher immer neu bestätigt haben, dass nichts sich veränderte, dass alles so war, wie man es kannte und erwartete. Man wollte zum Beispiel hören, dass Zia Lisa den Gästen noch immer bloss einen angefaulten Pfirsich anbot. Man lächelte dann verständnisvoll und befriedigt. Einmal schenkte mir Zia Lisa frische kleine Kuchen, die man nur beim Bäcker erhielt und die sie wahrscheinlich selber geschenkt bekommen hatte. Die Nonna war fast bestürzt, als sie das sah. Auch die Fragen nach unserem Leben in Zürich wurden stets so gestellt, dass es nur eine Antwort gab: In Zürich ist es weniger schön als im Tessin, und man isst dort weniger gut.

      Zia Maria war auf Pá Cesars Hof Köchin und Amme gewesen, und sie war es noch jetzt. Die Frauen hatten ihre alten Aufgaben behalten. Wie Zia Lisa ganz bei der Feldarbeit blieb, so arbeitete Zia Maria weiterhin fast nur im Hause. Sie galt als die beste Köchin der Sippe. Sogar aus der Katze des Bürgermeisters, die einer der Männer in einen Keller gelockt und dort erschossen hatte, soll sie einen guten Braten zubereitet haben. In engen Holzkäfigen hielt sie kastrier­te junge Hähne, die sie mit Baumnüssen mästete. Ein solcher Kapaun, schwer im Fleisch und reich gefüllt, gehörte zum traditionellen Weihnachtsessen.

      Zia Maria hütete in ihrem Hof ihre Enkel und viele andere Kinder dazu. Die Kleinsten standen mit nacktem Hintern in einem Laufgitter und pinkelten, wo es sie gerade ankam. Mitten im Spiel lief ihnen der Urin die Beine hinunter. Windeln gab es keine, wenigstens tagsüber nicht. Im Sommer stand in diesem Hof auch eine Tretnähmaschine, an der die Töchter der Zia Maria, umgeben von Kindern und Hühnern, ihre Leintücher flickten.

      Zia Maria war klein und hager. Sie hatte eine lange gebogene Nase und gütige braune Augen, die zwischen den Rändern des eng gebundenen Kopftuchs hervorschauten. Ich habe sie auch im Hause nie ohne Kopftuch gesehen. Sie sass in sich zusammengezogen da in ihren weiten Röcken. Um den feinen Körper her­um trug sie erstaunlich viel Stoff, der dann beim breitbeinigen Gehen ins Schwingen kam. «Habt ihr Giovann besucht?», fragte sie. Giovann ist ihr Sohn, der im Nachbardorf Stabio wohnt. Papà versprach, am nächsten Tag mit mir hinzugehen und auch beim Pfarrer, an den sie uns erinnerte, anzuklopfen. Später, als Ziu Carlín tot war, fragte sie regelmässig: «Habt ihr Carlín schon besucht?» Auch die Toten wollten begrüsst und regelmässig aufgesucht sein. Mindestens einmal wöchentlich waren wir auf den Gräbern. Nie hätte jemand gesagt: «Ich war auf dem Grab von Carlín.» – «Ich war bei Carlín» genügte; jedermann wusste ja, wo er sich aufhielt.

      Dieser Runde von Begrüssungsbesuchen schlossen sich dann, an Ostern 39, gleich die Abschiedsbesuche meines Vaters an. Er reiste wieder nach Zürich und liess mich für zweieinhalb Jahre bei seiner Mutter zurück.

      Er fuhr mit der Post weg. Sicher hatten sich wie üblich Verwandte und Freunde vor dem Postgebäude versammelt, hatten kleine Geschenke mitgebracht, die mein Vater nur mühsam in irgendeinem Gepäckstück noch unterbrachte. Wer zufällig vorbeikam und die Wartenden sah, blieb stehen und fragte: «Chí salta sü? – Wer steigt ein?» Nach und nach bildete sich auf diese Weise eine zweite Schar von Menschen, die im Hintergrund den Abschied mitverfolgten und kommentierten. Beladen mit Koffer und Schachteln und mit Grüssen und Wünschen versehen, bestieg mein Vater schliesslich das Postauto. Die Nonna hatte ihm einen Stoffsack mit gemahlenem Mais mitgegeben, Eier, die sie in den letzten Tagen zurückbehalten hatte, Würste des Dorfmetzgers und eine Flasche Grappa.

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