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konnte gerade noch verhindern, dass aus seinem Mund eine unfreundliche Bemerkung entschlüpfte.

      Sie wartete nicht auf seine Erlaubnis. Sie setzte sich einfach.

      Was kann ich denn für Sie, also äh … ich meine für dich tun, neue Mitarbeiterin Wille?

      Im Grunde bereute er jetzt, dass er ihr so schnell das kollegiale Du angeboten hatte, obwohl es natürlich üblich war. Aber er hätte ja auch warten können, bis die Probezeit um war. Sie aber lachte ihn entwaffnend an.

      Du hast mich doch bestellt. Wenigstens hat es Kollege Sommer mir so ausgerichtet.

      Sie machte Anstalten, sich zu erheben.

      Aber ich kann auch wieder …

      Michel winkte ungeduldig ab.

      Ja, ja, stimmt. Ich habe dich tatsächlich suchen lassen. Wo warst du übrigens?

      Sie legte ihren Kopf schräg.

      Erinnerst du dich, dass du geruht hast, mir einen Fall zu übergeben? Übrigens …

      Sie betonte das Wort ziemlich frech.

      Wusstest du, dass zu besagtem Fall keinerlei Akten mehr existieren, Michel?

      Er guckte sie irritiert an.

      Wie? Keine Akten? Das kann doch nicht …

      Doch, doch. Es ist so. Der Fall ist zwar nie gelöst worden, aber nach fünfundzwanzig Jahren spätestens werden Papierakten entsorgt. Damals gab es ja noch keine elektronische Datenverarbeitung.

      Das Letzte sagte sie achselzuckend mehr zu sich selbst.

      Er verlagerte sein Gewicht in Richtung Stuhllehne, genussvoll, wie es schien, und – siehe da: jetzt konnte er plötzlich lächeln.

      Tja, das macht deine Aufgabe natürlich nicht einfacher. Ich nehme an, du willst mir den Fall zurückgeben, Wille?

      Sie beantwortete sein Lächeln und fing an, mit dem Stuhl zu kippeln.

      Nein, nein, so einfach ist das nicht mit mir. Ich kann ziemlich hartnäckig sein. Ich habe nämlich auch schon etwas gefunden.

      Aha. Und was hast du gefunden?

      Genauer gesagt: Ich habe eine Person gefunden. Nämlich einen pensionierten Beamten, der damals an den Untersuchungen beteiligt gewesen ist. Und zwar in leitender Position.

      Michel schnäuzte sich in eine seiner Windeln. Es klang wie bei der Morgentoilette im Elefantenhaus.

      Ich gratuliere. Und wie hast du den aufgestöbert?

      Sie ließ sich mit dem Stuhl wieder nach vorne kippen und nestelte in ihrer Tasche.

      Ich habe in den Personalakten geguckt, wer denn damals in der Abteilung Leib und Leben so gearbeitet hatte. Und wer wann pensioniert wurde und wer wann gestorben ist.

      Michel runzelte seine Stirn.

      Wie bist du denn an die Personalakten gekommen?

      Sie seufzte und verdrehte die Augen.

      Keine Angst, Chef, alles nach Dienstvorschrift. Ich habe ganz brav in der Personalabteilung nachgefragt. Das ist ja nicht verboten, oder?

      Michel wiegte zwar bedeutungsvoll den Kopf, aber leider hatte sie recht, und er konnte nichts einwenden.

      Und weiter?

      Ich werde Albin Blumenstengel gleich nachher in seiner Wohnung besuchen.

      Blumenstengel? Ist das wirklich sein Name? Michel konnte ein Grinsen nicht verkneifen.

      Ja, so heißt er. Du kannst ja seine Personalakte anschauen, bitte.

      Nein, nein. Ich glaube dir ja. Das war wohl vor meiner Zeit. Wie lange ist er denn schon pensioniert?

      Sie blätterte in ihrem Notizbuch.

      Seit vierundzwanzig Jahren.

      Na, dann drücke ich die Daumen. Der ist ja dann … äh …

      Ja, Herr Blumenstengel ist siebenundachtzig Jahre alt. Er hat sich zwei Jahre früher pensionieren lassen. Er klang am Telefon aber, äh … wie soll ich sagen … ganz klar und vernünftig. Er hat sich auch sofort an den Fall erinnern können.

      Hat er? Was du nicht sagst, Wille! Na, dann kann ja alles noch gut werden.

      Michel beugte sich vor und schwebte plötzlich in einer Wolke guter Laune.

      Aber was erwartest du denn von ihm? Offensichtlich konnte der Fall ja nicht gelöst werden, oder?

      Lara Wille erhob sich.

      Ich weiß ja nicht, wie es zu deiner Zeit war, aber ich habe in meiner Ausbildung gelernt, dass Erwartungen und vorgefasste Meinungen der Todfeind jeder Ermittlung sind.

      Sie blickte ihn herausfordernd an.

      Kann ich jetzt gehen, Chef?

      Ja, klar, geh nur, geh nur. Wie heisst es so schön: wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, ha, ha, ha.

      Er lachte unbändig. Sie verdrehte die Augen. Michel kappte sein Lachen.

      Okay, tut mir leid. Den Spruch hast du sicher schon tausendmal gehört, stimmts?

      Sie antwortete nicht.

      Also, geh nur. Aber, äh … bring mir bitte noch die Akte D’Arcy vorbei. Du hast sie ja, nehme ich an, noch auf deinem Schreibtisch liegen. Selbstverständlich nur, wenn es dir nichts ausmacht, äh … wollte ich sagen.

      Sie drehte sich noch einmal um, als wollte sie etwas erwidern. Sie hob aber nur die Hand, nickte und verließ dann betont langsam das Büro.

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