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Nach der Vereinigten Bundesversammlung kommt nichts mehr.

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      In seiner Villa über dem Vierwaldstättersee sitzt der pensionierte Staatsanwalt Dr. Schoch und erklärt bei einem kühlen Bier, wie korrekt und sorgfältig er damals richtete, zusammen mit den sechs andern Divisionsrichtern. Schoch war damals Sekretär der Staatsanwaltschaft in einem innerschweizerischen Kanton, im Militär Wachtmeister. Die Divisionsgerichte waren stets aus drei Offizieren und drei Unteroffizieren zusammengesetzt, dazu der Grossrichter. Fünf von den Richtern waren gelernte Juristen, damit habe eine besondere Garantie bestanden für ein sachgemässes Urteil. Die Voruntersuchung sei sehr speditiv erledigt worden von Hauptmann Mahler, im Zivilleben Bezirksanwalt in Zürich. Die polizeilichen Ermittlungen seien bei der Heerespolizei auch in guten Händen gewesen. Die Vorakten sind nur dem Grossrichter, dem Auditor und den Anwälten, nicht aber den sechs übrigen Divisionsrichtern bekannt, damit sie unbefangen bleiben. Da es im Militärgerichtsverfahren keine Appellation, sondern nur die Nichtigkeitsbeschwerde gebe (wenn z.B. Begriffe zu eng oder falsch gefasst wurden), hätten sie ihre Aufgabe besonders ernst genommen. Vier Tage hätten sie gebraucht bis zum Todesurteil. Am ersten Tag instruierte der Grossrichter den Prozess, legte Akten vor, vernahm Zeugen. Am zweiten Tag konnten die sechs Divisionsrichter durch den Mund des Grossrichters Fragen stellen lassen. Am dritten Tag kamen die Verteidiger zu Wort (Schläpfer und Zaugg wurden gemeinsam abgeurteilt, dazu noch einige leichtere Fälle mit langjährigen Zuchthausstrafen, alles in vier Tagen erledigt). Am vierten Tag war Urteilsberatung, am fünften Tag die Urteilseröffnung. Von sieben Richtern müssen sechs für den Tod stimmen, damit ein Todesurteil zustande kommt. Dr. Schoch, ein «ausgesprochener Strafrechtler», wie er sagt, hat in beiden Fällen für den Tod gestimmt. Das würde er auch heute wieder tun. Die Schwere des Falles sei ausschlaggebend gewesen, aber auch die «Schimpflichkeit des Delikts». In jener historisch-konkreten Situation sei kein anderes Urteil möglich gewesen. Das Urteil habe den Zweck der allgemeinen Abschreckung und der Sühne gehabt. Schweres Urteil, aber notwendig. Die heutige Tendenz gehe darauf, nur den Angeklagten zu sehen, damals habe es aber noch ein Staatsethos gegeben. Beim Ausbruch eines neuen Krieges würden dieselben Strafen wieder verhängt, und das sei richtig. Die Gerechtigkeit solle nicht emotional vor sich gehen. Im ganzen Prozess habe alles gut funktioniert, exakte Anklage des Auditors, prima Verteidigung, ein Musterprozess. Die Angeklagten? Zaugg ein vitaler Typ, intelligent, aber niedergeschlagen. Schläpfer eher ein Männchen als ein Mann, eine halbe Portion. Hätte Schoch auch für den Tod gestimmt, wenn er anschliessend selbst auf Zaugg und Schläpfer hätte schiessen müssen? Das sei eine dumme Frage, meinte Dr. Schoch.

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      Im Bahnhofbuffet Solothurn ein Gespräch mit Alt-Ständerat Dr. Pfenninger, der damals zur Begnadigungskommission der Bundesversammlung gehörte. Vierzehn Mitglieder hatte die Begnadigungskommission, und etwa die Hälfte davon war auch im Zivilleben für die Todesstrafe. In normalen Zeiten war das keine wichtige Kommission, deshalb wurden auch immer junge Frischlinge hineingewählt. Sie hatte meist Schmuggler zu begnadigen, die zu hohen Geldstrafen verurteilt waren. Dann plötzlich der Bundesratsbeschluss über die Todesstrafe, und über Nacht waren sie zu einer wichtigen Kommission geworden. Pfenninger war überdies in einem Divisionsgericht tätig, welches Urteile gegen Spionage fällte, aber nie über zwanzig Jahre Zuchthaus hinausging. Im Militär führte er als Oberst eines der neugeschaffenen Flabregimenter. Pfenninger hat die Mutter eines Landesverräters gut gekannt, dessen Fall ihm zur Begutachtung vorgelegt wurde.

      Wie in allen Fällen hat er auch damals die Begnadigung abgelehnt, hingegen hat er den Delinquenten zwei Tage vor der Hinrichtung noch in der Festung Thorberg besucht. Bundesrat Kobelt habe ihm zu diesem Zweck eigens sein Dienstauto mit Chauffeur zur Verfügung gestellt. Der Sohn dieser Mutter, einer Gemüsefrau, bei der er jeweils nach der Arbeit eingekauft habe, sei ins Besuchszimmer der Festung geführt worden, der Direktor habe sie einen Moment allein gelassen, und der damals dreissigjährige Mann habe sofort zu heulen begonnen und immer wieder gesagt: Ich möchti läbe, ich möchti läbe, er sehe ja seine Dummheit ein und sei reuig. Pfenninger habe aber kein Hehl daraus gemacht, dass er seine Begnadigung bereits abgelehnt habe und die Vereinigte Bundesversammlung in Kürze dem Kommissionsantrag folgen werde. Der junge Mann habe immer nur wieder gesagt: Ich möchti läbe, er höre heute noch seine Stimme, das Wasser sei ihm heruntergelaufen, er war ein etwas beschränkter Bursche, es habe überhaupt eine Mehrheit von einfachen Burschen unter den 17 Erschossenen gehabt. Pfenninger habe ihm nur gesagt, er hätte sich vorher besinnen sollen, statt solche Sachen zu machen, und auf der Schwelle habe er sich nochmals umgedreht und ihm geraten, jetzt müsse er halt tapfer sein. Dieser Delinquent war übrigens ein Zivilist, die Militärgerichte hatten auch Jurisdiktion über landesverräterische Zivilisten.

      Die Begnadigungskommission habe jeweils knapp einen Tag gebraucht für die Beurteilung der einzelnen Fälle, ab 9 Uhr morgens konnten sie die Akten einsehen, die Sitzung war dann um 4 Uhr nachmittags. Sie hätten die Akten aber oft kaum mehr richtig studiert, weil sie sich sagten: Wir müssen kein Urteil fällen, sondern nur begnadigen oder nicht.

      Da die Grossrichter ihre Sache immer sehr ernst nahmen und man sich auf ihre Urteile verlassen konnte, sagt Pfenninger, war die Arbeit der Begnadigungskommission dadurch sehr erleichtert. Während der sehr kurzen Sitzungen im militärisch bewachten Zimmer 3 sei die Diskussion kaum benützt worden, der Präsident habe jeweils referiert und die Begnadigung immer abgelehnt, und dann hätten sie sich immer fast einstimmig seinen Ausführungen angeschlossen. Manche hätten Skrupel gehabt, zum Beispiel er selbst und auch Nationalrat Killer, weil sie vor dem Krieg noch Vorträge gegen die Todesstrafe gehalten hätten, aber die harte Zeit habe einfach ein Umdenken verlangt, es wäre noch viel mehr Landesverrat vorgekommen ohne diese Abschreckung. Weshalb soll die Todesstrafe im Krieg eine abschreckende Wirkung haben, wenn sie die im Frieden nicht hat? Darauf kann Pfenninger auch nicht antworten, und er räumt schliesslich ein, dass es mehr um die Vernichtung des räudigen Schafes, um den radikalen Familienausschluss und um Rache gehe als um Abschreckung. Man habe einfach eine verdammte Wut gehabt gegen diese Verräter, die den aufopferungsvollen Wehrmännern quasi in den Rücken schossen. Gewiss, von einer bestimmten gesellschaftlichen Stufe an aufwärts nenne man dieselbe Handlungsweise nicht mehr Landesverrat, sondern Politik, zum Beispiel der Anpassung der Schweiz ans Dritte Reich, aber diese Überlegungen habe man damals viel zu wenig angestellt. Und er gebe ja zu, dass die öffentlich verlesene Anpassungsrede des Bundesrates Pilet-Golaz die Demokratie viel gründlicher unterwandert habe als ein heimlich begangener Verrat. Aber Pilet-Golaz sei eben juristisch nicht zu erfassen gewesen.

      Pfenninger, der zur «Aktion Nationaler Widerstand» (eine Résistance-Bewegung) gehörte, glaubt, dass die Deutschen die Schweiz auch ohne Landesverrat innert kürzester Zeit überrannt hätten, wenn sie wirklich gewollt hätten. Aber damals hätten alle die Hinrichtungen gebilligt, Soldaten, Offiziere, Zivilisten, durchs Band habe Zustimmung geherrscht im Volk* * Das stimmt nicht ganz. Wie mir Hans Oprecht erzählte, waren die Sozialisten der welschen Schweiz immer dagegen., man habe die Hinrichtungen «gebraucht». Und man habe damit demonstriert, dass die Zeiten halt ernst waren. Die Landesverräter hätten übrigens immer ihre Vergehen gestanden, zur Entschuldigung hätten sie etwa gesagt: Diesen oder jenen verratenen Flugplatz habe jeder Zivilist von der Strasse aus sehen können. Die Offiziere unter ihnen hätten es mehr aus ideologischen Gründen getrieben (ein Leutnant, ein Oberleutnant, ein Major), die Soldaten mehr für die Aufbesserung des Taschengeldes. Pfenninger würde heute eher zur Begnadigung neigen, in manchen Fällen. Übrigens die Gemüsefrau habe die Erschiessung ihres Sohnes besser als erwartet aufgenommen, er habe weiterhin bei ihr eingekauft.

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      Im zugerischen Baar geht in einer Studierstube der Kaplanei der Pfarr-Resignat und weiland Feldprediger Stapfer auf und ab mit dem Brevier in der Hand. Ein Stich von Dürer im Treppenhaus: Ritter, Tod und Teufel. Der pensionierte Feldprediger geht schon recht gebückt und eingefallen, aber wenn er von der Armee spricht, gibt er seiner Gestalt einen Ruck, dass es knackt. Wenn er von seinen Feldpredigerkollegen spricht, sagt er: Kamerad Müller, Kamerad Meier, Kamerad, Kamerad. Das tönt fast wie «Genosse» auf französisch: camarade. Er hat nicht mit Zaugg und Schläpfer zu tun gehabt, sondern mit zwei Vierundzwanzigjährigen, die im Zürcher Oberland erschossen wurden. Aber es komme nicht drauf an, die feldpredigerische Betreuung sei immer dieselbe. Die beiden wurden 1944 erschossen, als die Schweiz nicht

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