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würde sofort eine Frau aufstellen. Und die würde auch gewählt. Das habe ich zusammen mit meinen Nachfolgerinnen erreicht – und das ist sehr wichtig.

      Sie sind für viele Politikerinnen ein Vorbild, hatten oder haben Sie selber auch Vorbilder?

      Wie stehen Sie zum Thema Emotionalität in der Politik? Gibt es hier Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

      Ich habe viele Männer gesehen, die in politischen Debatten sehr emotional reagiert haben. Vielleicht ist auch hier einfach die Wahrnehmung von Emotion bei Frauen stärker, weil sie in der Minderheit sind. Gäbe es mehr Frauen, würde sich auch das verbessern.

      Welchen Vorurteilen sind Sie begegnet?

      Als ich mich für die Einführung obligatorischer Katalysatoren eingesetzt habe, hiess es oft: «Was versteht denn die gute Frau überhaupt von Automotoren?» Ich bin damit sehr bewusst umgegangen, war zum Beispiel vier Tage im Autotechnikum in Biel und habe mich umfassend briefen lassen. Und ich habe mich mit einem Ingenieur kurzgeschlossen, der schadstoffarme Motoren entwickelt hat. Ausgerüstet mit dieser Kenntnis konnte ich zurückschlagen und habe mich bei Veranstaltungen der Automobilimporteure, in denen sie gegen mich Stimmung machen wollten, demonstrativ in die erste Reihe gesetzt. Am Ende habe ich es sogar geschafft, dass bei einer europäischen Konferenz auch die anderen Staaten einem Obligatorium zugestimmt haben.

      Wir haben die Gleichberechtigung, aber wir haben noch keine Lohngleichheit. Sie kennen doch bestimmt das «Fair Trade»-Label, für Produkte ohne Kinderarbeit. Mein Vorschlag ist ein «Equal Pay-Label». Hätte ich eine Firma, würde ich gleiche Löhne zahlen – und damit aktiv werben. Und als Kundin würde ich darauf achten.

      Die Idee ist innovativ.

      Ich habe das schon 2014 vorgeschlagen. Aber bisher blieb die Idee komplett echolos. Equal pay und flexible Arbeitszeiten machen Unternehmen ja auch attraktiv.

      Wie schaffen wir es denn, zukünftig mehr Frauen für aktive Politik zu motivieren?

      Das Problem ist immer, dass Frauen, wenn sie eine Familie und einen Beruf haben, kaum mehr Zeit haben. Wenn sie sich zwischen Beruf und Politik entscheiden müssen, nehmen die meisten den Beruf. Sie verdienen dort mehr, und es ist auch nicht so risikobehaftet wie die Politik. Wenn man sieht, wie gewisse Politikerinnen auch angegriffen werden, habe ich für die Zurückhaltung sogar ein gewisses Verständnis. Aber bei Diskussionen mit Frauen sage ich immer: «Genau deshalb müsst ihr mitmachen! Damit sich etwas ändert.»

      Was raten Sie jungen Frauen?

      Man kann in der Politik viel bewirken, und es ist einen Versuch wert. Wenn es ihnen dann nicht gefällt oder sie enttäuscht sind, können sie ja wieder aufhören. Aber probieren sollte man es einmal. Und es ist eine ungeheuer schöne Genugtuung, wenn man sagen kann: Das wäre nicht gekommen oder viel später, wenn ich nicht dabei gewesen wäre. In meinem Fall zum Beispiel das neue Eherecht oder die Katalysatoren. Das macht Freude und macht auch ein wenig stolz. Da denke ich schon: Der Einsatz hat sich gelohnt!

      Anmerkungen

      «Schon als Kind fand ich Wahl­sonntage aufregend, ein besonderer Nervenkitzel.»

      Foto: Privatarchiv

      Fina Girard, geboren 2001, ist in Basel aufgewachsen und hat dort das Gymnasium Leonhard besucht. Sie engagiert sich seit ihrem 14. Lebensjahr bei Amnesty Youth und ist beim Klimastreik Basel aktiv. Nach der Matura hat sie sich für ein einjähriges Praktikum bei Amnesty International in Bern entschieden.

      Warum es Sinn macht, schon mit 16 zu wählen

      Fina Girard, Klima- und Jugendstimmrechtsaktivistin

      Das Basler Rathaus ist rot, zinnoberrot. Klar, nennt man es also «Roothus», dachte ich, wenn mich meine Eltern als Kind jeweils zum Abstimmungslokal mitnahmen. Die lange Schlange kurz vor zwölf am Sonntagvormittag, verbunden mit dem besonderen Nervenkitzel, ob wir es noch rechtzeitig zur Wahlurne schaffen, und mit der leisen Vorfreude auf das Schöggeli, das mir eine freundliche Wahlhelferin zustecken würde: Wahlsonntage waren aufregend und sind mir darum bis heute sehr in Erinnerung geblieben.

      Ich hatte das grosse Glück, dass mich meine Eltern mit meinem Interesse für das politische Geschehen ernst genommen haben. Auf dem Schulweg studierte ich als Primarschülerin die bunten Wahlplakate und entzifferte mühselig die grossen Lettern. Sie schienen wichtig zu sein, tauchten sie doch plötzlich an allen Ecken und Enden der Stadt auf, um bereits bald darauf wieder zu verschwinden und erst in ein paar Monaten wieder aufzutauchen. Zu Hause angekommen, löcherte ich meine Eltern am Küchentisch mit Fragen. Nie bekam ich dabei ein: «Das verstehst du noch nicht», nie ein: «Das ist eine Sache der Erwachsenen» zu hören. Zugegeben: Ich gähnte zwar manchmal verstohlen, wenn mein Vater geduldig versuchte, mir eine Finanzreform zu erklären. Aber mir wurde erklärt, wonach ich fragte, und ich wusste, dass auch ich eines Tages mein Stimmcouvert in die Urne legen darf, im roten Basler Rathaus. Mein Interesse für Politik und Gesellschaft hat mich seither nie losgelassen.

      Ich gehöre zur Generation Klimastreik. Als ich an einer grossen Klimademo am 2. Februar 2019 Flyer mit den Demoparolen verteilte, hatte ich Tränen in den Augen. Von allen Richtungen strömten Junge, Alte, Familien und Freundesgruppen auf den Barfüsserplatz, unter ihren Armen und auf ihre Gepäckträger hatten sie bunte Plakate geklemmt. Es fühlte sich befreiend an, mit den eigenen Sorgen und Hoffnungen nicht mehr allein zu sein. Die Klimastreiks haben niemanden kaltgelassen, besonders nicht diejenigen unter 18.

      Jede und jeder, ob begeistert oder kritisch, bildete sich eine Meinung dazu, und in Schulhöfen und am heimischen Küchentisch wurde über den Klimawandel und den Sinn und Zweck der Streiks diskutiert. Gleichzeitig twitterten namhafte Politikerinnen und Politiker darüber, ob die Klimastreikenden sich nicht lieber in einer Partei engagieren sollten, anstatt die Schule zu schwänzen. Klimastreikenden, die bereits Mitglied einer Partei waren, wurde wiederum vorgeworfen, eine angeblich naive, hysterische Jugend zu instrumentalisieren. An den Sitzungen des Klimastreiks lachten wir manchmal etwas verzweifelt über diese paradoxen Vorwürfe.

      Mir und vielen anderen Jugendlichen ging es ähnlich: Wir waren perplex und fühlten uns machtlos. Irgendetwas schienen wir ja richtig gemacht zu haben: Die Klimabewegung erhielt in der Bevölkerung überraschend viel Zuspruch

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