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die «Partei Satans» zu stärken. Eine breite Phalanx von Anhängern dieser Glaubensrichtung hielt an der Botschaft des Hexenham­mers fest und erklärte den Kampf, ja den Krieg gegen den Teufel zum Kardinalauftrag der christlichen Menschheit, um diese vor dem Untergang zu retten.

      Der Hexenhammer, der Kriminalkodex gegen die Frauen, war das berühmteste, aber nur eines von zahlreichen Werken der Neuzeit, die den Hexenwahn anheizten. Grossen Einfluss hatten die Juristen Jean Bodin (1530–1596) und Benedikt Carpzov (1595–1666), die beide als Hexentheoretiker und Teufelsbanner auf sich aufmerksam machten. Der Leipziger Jurist Carpzov verfasste die Practica nova, auch «protestantischer Hexenhammer» genannt. Der französische Staatstheo­retiker Jean Bodin machte gezielt Stimmung gegen das weibliche Geschlecht und rief in seinem Werk De la Démonomanie des Sorciers zum bedingungslosen Kampf gegen Hexen auf. Beide propagierten ein rigides Strafprozessrecht, ausgehend von einem machtvollen Herrschaftsstaat. Da Hexerei und Teu­felspakt eine Realität seien, müssten sie als Sonderverbrechen behandelt und mit ausserordentlichen Mitteln be­­kämpft werden. Konkret hiess das: Der Staat hat das Recht und die Pflicht, Hexen im höheren Interesse, zum Schutz der Allgemeinheit, zu foltern und zu töten.

      Keineswegs so ausgleichend und mildernd, wie oft dar­­gestellt, wirkte sich die 1532 erlassene, nach Kaiser Karl V. benannte Constitutio Criminalis Carolina (CCC) aus. Zwar trieb das Gesetzeswerk die Rechtsvereinheitlichung im deutschen Reich voran, das in Hunderte von Territorien mit ebenso vielen Rechtsordnungen aufgesplittert war. Zudem machte die CCC – anders als der Hexenhammer – zwischen den Geschlechtern keinen Unterschied und stellte nicht die Hexerei unter Strafe, sondern die «schadensstiftende Zauberei». Unheilvoll wirkte es sich jedoch aus, dass für die Ermittlung der Wahrheit das In­quisitionsverfahren propagiert wurde, was sadistischen Methoden Tür und Tor öffnete. Die Prozessma­ximen waren Denunzi­ation, Folter, Geheimjustiz, Geständniszwang – auf Hexen­­prozesse wie zuge­schnit­ten.

      Auch wenn die eidgenössischen Orte Wert auf eigenstän­dige Rechtssetzung legten, beeinflussten die Werke von Heinrich Kramer, Jean Bodin, Benedikt Carpzov die Rechtslandschaft unseres Landes. Der Verfasser des Hexenhammers war als päpstlicher Inquisitor von Oberdeutschland vor allem im Raum Bodensee, Konstanz und Basel aktiv und brüstete sich am Ende seines Lebens damit, über zweihundert Hexenpro­zesse erfolgreich zum Abschluss gebracht zu haben.

      Etwa zehn Prozent der europäischen Hexenprozesse fand hierzulande statt, ein beachtlicher Teil. Etwa sechs- bis sie­bentausend Menschen dürften auf dem Territorium der heutigen Schweiz der Hexenjustiz zum Opfer gefallen sein. Das Wallis, Freiburg, die Waadt sowie die Innerschweiz und das Bündnerland waren Epizentren der Hexenverfolgung.

      Die Hysterie fand erst ein Ende, als im Zeitalter der Aufklärung die menschliche Vernunft den Glauben an Hexen und Teufel verdrängte. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts gab es in Europa praktisch keine Hexenprozesse mehr. Doch befeuert durch den Churer Priester und Exorzisten Johann Joseph Gassner flackerte in den Siebzigerjahren des 18. Jahrhunderts der Glaube an den Teufel nochmals auf und brachte, dreihundert Jahre nach der Publikation des Hexenham­mers, die letzte Verfolgungswelle ins Rollen.

       Kapitel 2 – Die Glarner Justiz trotzt Hexerei und Zauberei – vorerst

      Anders als etwa das benachbarte Bündnerland blieb das Land Glarus vom Hexenwahn während Jahrhunderten verschont. Jedenfalls ist bis zum Prozess gegen Anna Göldi kein Fall bekannt, bei dem glarnerische Richter in einem Hexenprozess ein Todesurteil gefällt oder dieses gar vollzogen hätten. Der Glaube an Hexen und Teufel war zwar auch im Land Glarus verbreitet und löste richterliche Ermittlungen aus, wie mehrere Fälle aus dem 16. Jahrhundert belegen. Aber offensichtlich waren die Strafbehörden wenig geneigt, Prozesse dieser Art bis zur letzten Konsequenz durchzuziehen.

      Dafür gibt es mehrere Gründe. Der Landsgemeindeort legte Wert auf eine eigenständige und unabhängige Rechtssetzung. Er anerkannte nur die klassischen, weltlich fassba­ren Straftatbestände wie Mord, Totschlag, Diebstahl oder Betrug, Unzucht und so weiter. Magische Delikte wie Hexerei oder Zauberei gehörten nicht dazu und spielten deshalb als Strafgrund in der glarnerischen Gerichtspraxis keine Rolle.

      Zudem verfügte das Land Glarus seit dem Spätmittelalter über ein erstaunlich gut entwickeltes Strafprozesssystem. Schon die Landessatzungen von 1387 enthielten zum Beispiel Bestimmungen zum Recht von Angeklagten, sich von einem Verteidiger vertreten zu lassen. Die Bürger achteten darauf, dass ihre Rechte vor Gericht gewahrt wurden, und erliessen schon früh strafprozessuale Regelungen – zum Schutz vor staatlicher Willkür, wie sie gerade bei Hexenprozessen üblich war.

      Es gibt eine weitere mögliche Erklärung für die Zurückhaltung gegenüber der Hexenverfolgung: Das Glarnerland war konfessionell in einen reformierten und einen katho­lischen Landesteil gespalten. Doch im Gegensatz etwa zu ­Ap­penzell wurde eine gemeinsame Behördenorganisation aufrechterhalten. Es gab katholische, reformierte aber auch gemeine Landsgemeinden; ebenso katholische, reformierte, und gemeine Gerichte. Deshalb waren beide Landesteile selbst in Zeiten religiösen Hasses gezwungen, gemeinsame Lösungen zu suchen. Dieses Zusammenwirken der beiden Landesteile verhinderte eventuell, dass sich der Hexenwahn sowohl auf katholischer wie auch protestantischer Seite entfalten konnte.

      Nicht der glarnerischen Justiz anzulasten ist übrigens der Hexenprozess gegen drei Frauen, die in Uznach 1695 ange­klagt und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt wurden. Die Verfahrensherrschaft übten in diesem Fall nicht die Glarner aus, sondern die Schwyzer, wie der Uznacher Historiker Kilian Oberholzer in seinem 2019 veröffentlichten Buch Uznach in seiner farbigen Vergangenheit schreibt. Das Städtchen gehörte zum Untertanengebiet von Schwyz und Glarus, die im Turnus abwechselnd den Landvogt stellten. Im Jahr des Hexenprozesses war Schwyz am Zug. Initiator und treibende Kraft war der als Hexenjäger gefürchtete Schwyzer Landvogt Josef Anton Stadler (1661–1708). Er klagte die Frauen an, auf Besen durch die Lüfte geflogen und mittels Zauberei Tiere und Menschen krank gemacht zu haben. Der Stand Glarus wurde zwar als Partnerort einbezogen und nahm im Urteilsverfahren Stellung. Doch der Prozess lief weder vor glarnerischen Gerichten noch nach glarnerischen Verfahrensregeln ab.

      Auch das Beispiel von Susanna Ackermann aus Kerenzen, die 1771 als «Hex und Unholdin» angeklagt wurde, kann nicht als Hexenprozess herangezogen werden, der mit dem Fall Göldi vergleichbar wäre. Ein nur wenige Zeilen umfassender Protokolleintrag lässt vermuten, dass es sich um einen Ba­gatellfall handelte. Offensichtlich wurden die Vorwürfe nicht weiterverfolgt und das Verfahren gegen die unter Vormundschaft stehende Frau schon bald fallen gelassen beziehungsweise einge­stellt.

      Beständig hatte das Land Glarus dem Hexenhammer getrotzt. Es war mithin immun geblieben gegen gewalttätige Exzesse der Teufelsbekämpfung. Doch als am Ende des aufgeklärten 18. Jahrhunderts der Glaube an Hexen und Dämonen, just als er überwunden schien, ringsum nochmals aufflammte, ritt plötzlich auch das Land Glarus auf der Welle mit und wurde Schauplatz des letzten aktenkundigen Hexenprozesses in Europa.

       Kapitel 3 – Anna Göldis Leben vor der Verhaftung: eine Frau auf der Flucht

      Am 24. Oktober 1734 wurde Anna Göldi in Sennwald als viertes Kind der Eheleute Adrian Göldi und Rosina Büeler geboren. Ein Detail, das juristisch von Belang ist: Der Ge­­burts­ort Sennwald, im St. Galler Rheintal gelegen, gehörte damals zum zürcherischen Untertanengebiet Sax-Forsteck.

      Anna Göldis Vater war Mesner oder Sigrist in der Dorfkirche und musste acht Kinder versorgen. Die Göldis waren zwar keine Leibeigenen wie andere Bewohner des Untertanengebietes, aber sie lebten in ärmlichen Verhältnissen.

      Schon früh musste Anna Göldi selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen und als Dienstmagd in verschiedenen Haushalten der Region arbeiten, was damals für junge Frauen ihres Standes üblich war. Glaubt man einem Teil der Ge­schichts­schrei­bung, soll Anna Göldi bereits 1759, im Alter von 25 Jah­­ren, ihr erstes Kind geboren haben. Der Vater sei ihr Dienstherr Adrian Bernegger gewesen. Dies würde heissen, dass Anna Göldi insgesamt drei Kinder zur Welt gebracht hätte. Doch die Mutterschaft von Anna Göldi aus der Verbindung mit Adrian Bernegger ist unter Familienforschern bis heue umstritten. Fest steht: 1762, im Alter von 28 Jahren, wechselte sie als Hausangestellte ins Pfarrhaus von Sennwald, bis sie schwanger wurde und 1765 ein Kind

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