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Mini-Me auf Kreuzfahrt. S. M. Syrch
Читать онлайн.Название Mini-Me auf Kreuzfahrt
Год выпуска 0
isbn 9783957203168
Автор произведения S. M. Syrch
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mit Kindern jedoch änderte sich dies schlagartig.
Und noch größer wurden die Sorgen, reiste man mit einem Kleinkind und einem Baby. Viktoria ist gerade 2,5 Jahre, und diese würde ihre erste Kreuzfahrt sein. Baby Bruno, seit Kurzem acht Monate alt, kam ungefragt in diesen Genuss und ich hoffentlich endlich zu mehr Schlaf, vertraute man auf dieses geheimnisvolle weiße Rauschen, von dem sich alle Eltern hinter vorgehaltener Hand erzählten wie von einem Geheimtipp. Im Vorfeld machte man sich als Eltern viele Gedanken. Schließlich wollte man nicht in irgendeinem Hafen freundlich, aber bestimmt aufgefordert werden, das Schiff zu verlassen, da die Kinder allen anderen Passagieren den letzten Nerv raubten. Natürlich versuchte ich, Viktoria auch darauf vorzubereiten. Vergessen Sie es, ein Kleinkind kann diese Art von Dimensionen, die für uns so leicht nachvollziehbar sind, weder einschätzen noch zuordnen. Bei Baby Bruno wäre es sinnlos, denn jeglicher Erklärungsversuch wäre mit stundenlangem Schreien quittiert worden. Ob er es als Zustimmung oder Ablehnung meinte, könnte ich nur schwer deuten.
274,9 Meter war unser Schiff, die MSC Wellenreiter, lang, und 54 Meter ragte das Schiff in die Höhe.
»Wie viel sind 54 Meter?«, fragte mich Viktoria, als ich ihr diese Art zu reisen schmackhaft machte.
»Ungefähr sechs Elefanten hoch, die übereinanderstehen.«
»Und wie sind die Elefanten da hochgekommen?«, war die Antwort meiner Tochter.
Also kein guter Vergleich, aber ein berechtigter Einwand, dachte ich mir und überlegte etwas Treffenderes, welches sie sich vorstellen konnte.
»Siehst du diese Wolken am Himmel?«, fragte ich sie vorsichtig, in der Hoffnung, nun ein Gleichnis gefunden zu haben.
Ein heftiges Nicken folgte. »Und kannst du dich noch an die Geschichte mit den Zauberbohnen erinnern, die dann in den Himmel wachsen, und in den Wolken befindet sich die Welt der Riesen?«
Auch jetzt bejahte sie strahlend. »Das ist aber hoch.« Sie lächelte, denn der Vergleich gefiel ihr anscheinend.
Ein zufriedener Seitenblick auf meinen Mann wurde sofort mit einer hochgezogenen Augenbraue seinerseits und einem verachtenden Kopfschütteln abgetan. Mit einem Räuspern wollte er zu einer Richtigstellung ansetzen, dass selbst tiefe Wolken bis zu zwei Kilometer von der Erde entfernt seien, gar nicht erst zu sprechen von hohen Wolken, die eine Entfernung von bis zu dreizehn Kilometern aufweisen können. Mit einem bösen Blick brachte ich ihn sofort zum Schweigen und griff meine Urlaubsvorbereitung wieder auf.
Vollbepackt reisten wir mit dem Auto bis Genua, welches zugleich auch unser Einschiffungshafen war. 987 Kilometer würden wir zurücklegen, und dafür würden wir rund zehn Stunden brauchen, nicht eingerechnet die ständigen Pausen, um quengelnde Kinder zu beruhigen, oder Besuche in diversen Raststätten zum Befriedigen der Grundbedürfnisse.
»Aber ein Flugzeug ist doch viel schneller«, kam der Einwand von Viktoria, womit sie natürlich recht hatte.
»Bevor ich fliege, springe ich noch eher in ein Becken voller Haie, das ist bei Weitem ungefährlicher!«, murrte mein Mann und verschränkte die Arme vor der Brust.
Ich brach in schallendes Gelächter aus und lachte solange, bis mir der Bauch wehtat und mir Tränen über die Wangen liefen. Atemlos erklärte ich ihr, dass Papa, der Techniker, wusste, wie man Schiffe und Flugzeuge baute, so eine Angst hatte, dass er niemals in seinem Leben freiwillig in ein Flugzeug steigen würde.
»So ein Schisser«, sagte Viktoria daraufhin, drehte sich um und verließ das Zimmer.
»Das hat sie eindeutig von dir«, kicherte mein Mann gespielt bestürzt.
Und jetzt brachen wir beide in Gelächter aus. Dieses Wort aus dem Mund unserer kleinen Tochter zu hören, erheiterte dann auch meinen Mann, und für kurze Zeit vergaß er seine Flugangst.
Mini-Mama oder Mini-Papa
Ist es wirklich so?«, fragte ich mich, »kann man eindeutig sagen, wem die Kinder mehr ähneln?«
Nach der allgemeinen Aussage der 60+-Gesellschaft zu beurteilen, scheinbar ja.
»Wie süß, ganz der Papa!« Wie ich diese Aussage hasste.
»Nein«, wollte ich dann jedes Mal den in den Kinderwagen guckenden Omas ins Gesicht schleudern. »Seid ihr denn alle blind?«, brüllte es tief in mir drinnen, während die Wut hochkochte und mein Gesicht dunkelrot einfärbte.
»Ach, meine Liebe, Sie müssen doch nicht rot werden«, lächelten sie mich an und tätschelten mir dabei den Arm.
»Ich hätte mir diesen feschen Kerl auch geschnappt und Kinder mit ihm gemacht. So süß die zwei Kleinen, ganz der Papa!«
Es war sinnlos, die Fakten auf den Tisch zu legen und sie vom Gegenteil zu überzeugen. Ganz abgesehen von ihren schlechten Augen hatten sie auch keinen Funken Empathie.
Ich errötete nicht vor Scham, sondern aus Wut und Verzweiflung, weil sie einfach nicht verstanden, dass es keine Mutter gerne hörte, dass die Schöpfung scheinbar ihre DNA vergessen hatte.
Zumindest war es wissenschaftlich bewiesen, dass die Intelligenz der Mutter auf das Kind überging, beruhigte ich mich selbst. In unserem Fall würde mein Mann sagen: »Die ›überkreativen-vor-Allgemeinwissen-strotzende-Genies‹ werden es später einmal als ›belehrungsresistente Mathematik-Antigenies‹ schwer haben.«
Das rieb er mir schon seit Jahren unter die Nase, weil ich selbst für die simpelsten Kalkulationen einen Taschenrechner brauchte, aber aus den einfachsten Dingen wahre Kunstwerke schaffen konnte.
Ich wiederum fand, dass es einen im Leben weiterbrachte, wenn man solche wichtigen Informationen wusste, wie etwa, dass Jakutsk die kälteste Großstadt der Welt war. Aber einem Small Talk-Verweigerer mit ausgeprägter Vorliebe für Social Distancing dies näherzubringen, war sinnlos, da es ihm schlichtweg egal war.
Ich betrachtete meine zwei Blondschöpfe, die eine perfekte Miniatur-Abbildung von mir selbst waren. Meine eigene Persönlichkeit spiegelte sich in jedem ihrer Atemzüge wider: stur oder anders gesagt beratungsresistent, ständig am zurückreden oder mit anderen Worten: kommunikativ, chaotisch oder besser sehr kreativ. Mit gutem Gewissen konnte ich also sagen, dass meine Genetik dominierte.
Ich betrachtete die kleinen Versionen meines Ichs, streichelte Viktoria und Bruno über den Kopf, während ich triumphierend lächelte und ihnen zuflüsterte: »Ich habe euch lieb, Mini-Me.«
Koffer packen für Perfektionisten
Der Vorteil einer überperfektionistischen und durchorganisierten Ehefrau ist: »Mann« muss sich um nichts kümmern«, prahlte mein Mann bei einem Abendessen mit Freunden und lehnte sich dabei entspannt zurück. »Meine einzige Aufgabe besteht darin, das Geld für die Reise zu erwirtschaften, ein nicht zu knappes Reise-Taschengeld zur Verfügung zu stellen und die wochenlangen Selbstgespräche meiner Frau zu ertragen«, fuhr er fort und aalte sich in Selbstmitleid.
Während sich die Männer, allesamt Väter und in ihren Augen hart arbeitende Alphatierchen, zu kurzen Bestätigungslauten zwischen Bierschlucken hinreißen ließen, war meine Freundin Julia ein lebendig gewordenes Modell der nonverbalen Gesprächstheorie. Weit über den Tisch gebeugt verfolgte sie mit schräg gelegtem Kopf seine Ausführungen. »Wochenlange Selbstgespräche«, echote sie, dabei war ihre Anspannung deutlich sichtbar.
»Du meinst also, du leistest genug bei den Reisevorbereitungen?«, paraphrasierte auch Marie, Mutter von drei Mädchen, und strafte meinen Mann sowie ihren mit einem vernichtenden Blick.
Leidensgenossinnen unter sich, dachte ich mir, und warf beiden einen aufmunternden Blick zu.
»Natürlich«,