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Norbert Wackernell vor dem Damm des Tarbela-Stausees in Pakistan, 1976

      ISBN 978-88-7283-795-5

       www.raetia.com

      Vorwort

      Manfred Ebner

      Zum ersten Mal hörte ich von Ing. Norbert Wackernell in den 1960er-Jahren im Rahmen der Diskussion über die Brennerautobahn. In Meran löste der Vorschlag, die Autobahntrasse über das Stadtgebiet zu führen, viele kontroverse Diskussionen aus. Der Gemeinderat war damals geschlossen für diese Lösung, zu der es aus Meraner Sicht aber glücklicherweise nicht gekommen ist. Nach meinem Ingenieursstudium in Graz arbeitete ich sieben Jahre als Mitarbeiter bei Wackernells Konkurrenten Ing. Georg Plattner an Projekten in Südtirol. Man hörte damals von vielen Studenten der Bozner Geometerschule, wie unerbittlich streng Wackernell dort als Lehrer war.

      Mich haben immer wieder Wackernells oft utopische Studien beeindruckt, die in der Presse vorgestellt wurden, wie zum Beispiel die Planung des Flughafens am Salten. Wackernell hat in besonderer Weise gezeigt, dass der Ingenieur nicht ein alles berechnender Techniker ist, sondern dass die Kreativität das Wesentliche an der Ingenieurskunst ist. Er ließ sich nicht von den Worten „das ist zu teuer“ oder „das ist ein verrückter Vorschlag“ abschrecken und ließ seiner Kreativität stets freien Lauf. Wackernell war bekannt dafür, innovativen, mitunter aber auch weltfremden Ideen nachzuhängen. Er vertrat schon früh Lösungen, die sehr aufwendig und teuer waren, wie etwa Umfahrungsstraßen in Tunnel zu versetzen. Er strebte stets die optimale Lösung für die Umgebung an. Allerdings entwickelte sich der Zeitgeist in Wackernells Sinne und er kam beispielsweise mit seinem Umfahrungsprojekt für Naturns-Staben – für Kenner der Szene eigentlich überraschend – zum Zug.

      Trends setzte Wackernell auch in der Öffentlichkeitsarbeit: Nachdem er einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hatte, setzte er die Medien gezielt ein, um seine Ideen weiterzubringen. Er spielte diesen seine Studien zu, um zu vermeiden, sich in kleinlicher Überzeugungsarbeit gegenüber den zuständigen Beamten aufzureiben.

      Ich lernte Wackernell 1989 kennen, als er, Ing. Aribo Gretzer und ich von der Südtiroler Landesverwaltung den Auftrag zur Planung der Nordwestumfahrung von Meran erhielten. Er war es, der den Mut hatte, eine vollständig unterirdische Unterquerung der Stadt vorzuschlagen. Es war eine sehr harmonische Zusammenarbeit. Die Planungszeit war begleitet von massiven Protesten von Gegnern dieser Umfahrung. Diese erhielten viel Zulauf, auch begünstigt von einer gezielten Falschmeldung in einer Zeitung, dass eine Ausfahrt mitten in der Stadt vorgesehen sei. Nach Genehmigung des Vorprojektes zog er sich zu seinem 80. Geburtstag von der Planung zurück. Immer wieder war aber von neuen Ideen in der Presse zu lesen. Er tüftelte ständig an Verbesserungen herum, gab sich nie mit etwas zufrieden. Nach Ausarbeitung und Genehmigung unseres gemeinsamen Vorprojektes (Ebner-Gretzer-Wackernell – Anm. d. Verf.) zur Meraner Nordwestumfahrung überraschte er uns zum Beispiel mit seiner „Passerdammvariante“, die Ing. Gretzer und ich beim gegebenen Stand der Dinge natürlich ablehnten.

      Von Wackernell erfuhr ich in persönlichen Gesprächen, dass er in Sichtweite von meinem Geburtshaus auf der anderen Passerseite aufgewachsen war, mit meinem 22 Jahre älteren Bruder Sport getrieben und mit ihm die gleichen Schulen besucht hatte. Zusammen mit den beiden anderen Planern der Nordwestumfahrung blieben wir auch, nachdem er nicht mehr Mitglied der Planungsgruppe war, in Kontakt und waren unter anderem mit ihm und seiner Frau in Wolkenstein zum Skifahren eingeladen. Ein besonderes Erlebnis war die Vorstellung seines Buches auf der Zenoburg 2019, zu der er Ing. Aribo Gretzer und mich eingeladen hatte. Hier konnten wir erleben, wie kreativ er trotz fortgeschrittenen Alters geblieben war.

      Das letzte Mal gesehen habe ich ihn 2020 beim Baubeginn des zweiten Bauloses der Nordwestumfahrung mit dem Küchelbergtunnel. Ich hatte ihn vorher angerufen und gebeten, unbedingt dabei zu sein. Obwohl er bereits sehr gebrechlich war, ist er gekommen und hat eine ganze Mappe von Zeitungsausschnitten über dieses Projekt mitgebracht und mir gezeigt.

      Einleitung

      Am Anfang waltete der Zufall: Ich war bei meiner Arbeit für das Dorfbuch Nals – Geschichte und Geschichten auf den Namen Norbert Wackernell gestoßen. Ich betreute das Thema Landwirtschaft, und es war der Meraner Ingenieur, der Mitte der 1950er-Jahre in Nals für eine der ersten großen Beregnungsanlagen Südtirols verantwortlich zeichnete. Nahezu 60 Jahre nach ihrer Fertigstellung rief ich im Rahmen meiner Recherchen ein Studio Wackernell in Bozen an, um nach so langer Zeit nachzufragen, ob es denn noch Unterlagen zu dieser Anlage gebe. Am Telefon antwortete mir ein resolut wirkender Mann mit kräftiger Stimme. Erst war ich etwas verwirrt, doch dann begriff ich, dass es sich nicht nur um das richtige Studio handelte, sondern ich den Entwickler der Nalser Anlage persönlich am Apparat hatte. Das war mein erster Kontakt mit Norbert Wackernell. Da das Gespräch gleichermaßen interessant wie ergiebig war und mir sein Name in der Folge noch öfters unterkam, ergab es sich, für die Rubrik „Geschichte am Freitag“ in der Neuen Südtiroler Tageszeitung eine biografische Skizze von ihm zu verfassen. Es folgten zwei ausführliche Gespräche im Februar und März 2017 und der entsprechende Zeitungsartikel.1 Dabei wurde mir erst bewusst, wie facettenreich und vielfältig Leben und Werk dieses Ingenieurs waren, wie zahlreich seine Projekte, an denen er in der einen oder anderen Form beteiligt war. Weil das Genre Biografie zu den Schwerpunkten meines Curriculums zählt, war der Gedanke naheliegend, dieses gleichermaßen beruflich wie privat bemerkenswerte Leben in Buchform aufzuarbeiten. Wenn das Leben von Norbert Wackernell von objektivem Interesse ist, dann in erster Linie, weil es in vielerlei Hinsicht das Klischee vom Leben des typischen Südtirolers der Zwischen- und Nachkriegszeit kontrastiert: Er stammt nicht aus bäuerlichem Milieu, er hatte nicht zahlreiche Geschwister, er litt nicht unter der Schule im Faschismus, er musste sich nicht mit abstrakten Berufswünschen zufriedengeben, weil die Eltern bildungsfern waren oder sich die Ausbildung der Kinder schlichtweg nicht leisten konnten. Der 1927 geborene Wackernell steht vielmehr für ein Lebensmodell, das in Südtirol erst viele Jahrzehnte später durch den anhaltenden Wirtschaftsaufschwung, die Liberalisierung und Individualisierung der Gesellschaft Verbreitung fand. Auch der Homo Faber Wackernell stellt ein interessantes Modell dar. Nicht so sehr, weil er an zahlreichen bedeutenden Projekten teilnahm und am Ende seiner Tätigkeit als Ingenieur zu den bekannteren Vertretern seiner Zunft zählte. Bemerkenswert ist seine berufliche Laufbahn vielmehr, weil er sich nicht von Beginn auf einen Bereich konzentrierte und dann nur mehr Gewinnmaximierung betrieb. Ob als Lehrer, als Planer so disparater Dinge wie Kegelbahnen, Langlaufloipen oder Laufställe, als Projektant zum Teil kühner Vorhaben –, immer standen die Bereitschaft, Neues aufzunehmen, Motivation, Interesse, ja die Neugierde im Zentrum. Und das bis ins hohe Alter! Mit diesem Buch liegt eine Lebensbeschreibung vor, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern das Typische, Exemplarische herausheben möchte. Methodisch basiert die Arbeit in erster Linie auf insgesamt zehn ausführlichen Interviews, die ich im Spätwinter 2017 bzw. zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 mit Wackernell führte. Zusätzlich wertete ich die von ihm publizierten Texte, vor allem in der Tageszeitung Dolomiten, in der Kulturzeitschrift Der Schlern und im Fachblatt Der Landwirt aus. Er stellte mir außerdem eine Reihe von Manuskripten aus seinem Archiv zur Verfügung, in erster Linie zur Südtiroler Landesgeschichte. Das vielleicht interessanteste Material sind die Mappen mit den technischen Berichten zu verschiedenen Projekten, wobei gerade jene Studien am interessantesten waren, die nicht umgesetzt wurden.

      Im Rahmen dieses Buchprojektes erhielt ich Unterstützung von verschiedener Seite: Mein Dank geht an Felix Obermair und Thomas Kager von der Edition Raetia, die diese Publikation durch ihr Engagement ermöglicht haben. Außerdem danke ich den Wackernell-Töchtern Prisca, Lioba und Itta. Sie haben das Entstehen dieses Buches nicht nur wohlwollend begleitet, sondern auch den umfangreichen Fotobestand der Familie zur Verfügung gestellt. Abschließend danke ich der Südtiroler Landesregierung, der Stiftung Südtiroler Sparkasse sowie der Autonomen Region Trentino-Südtirol für die finanzielle Unterstützung des Projektes.

      Kindheit an historischer Stätte

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