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Ein Mädchen hütet die Blumen,

       Die sieht so totenbleich.

      ›Und hoch auf des Sees Weite,

       Wenn alles finster und still,

       Da rudern zwei stille Leute,

       Der eine dich haben will.‹

      Sie schauen wie alte Bekannte,

       Still, ewig stille sie sind,

       Doch einmal der eine sich wandte,

       Da faßt' mich ein eiskalter Wind.

      Mir ist zu wehe zum Weinen

       Die Uhr so gleichförmig pickt,

       Das Rädlein, das schnurrt so in einem,

       Mir ist, als wär' ich verrückt.

      Ach Gott! wann wird sich doch röten

       Die fröhliche Morgenstund'!

       Ich möchte hinausgehn und beten,

       Und beten aus Herzensgrund!

      So bleich schon werden die Sterne,

       Es rührt sich stärker der Wald,

       Schon krähen die Hähne von ferne,

       Mich friert, es wird so kalt!

      Ach, Muhme! was ist Euch geschehen?

       Die Nase wird Euch so lang,

       Die Augen sich seltsam verdrehen

       Wie wird mir vor Euch so bang!'

      Und wie sie so grauenvoll klagte,

       Klopft's draußen ans Fensterlein,

       Ein Mann aus der Finsternis ragte,

       Schaut still in die Stube herein.

      Die Haare wild umgehangen,

       Von blutigen Tropfen naß,

       Zwei blutige Streifen sich schlangen,

       Wie Kränzlein, ums Antlitz blaß.

      Er grüßt' sie so fürchterlich heiter,

       Er heißt sie sein liebliche Braut,

       Da kannt' sie mit mit Schaudern den Reiter,

       Fällt nieder auf ihre Knie.

      Er zielt' mit dem Rohre durchs Gitter

       Auf die schneeweiße Brust hin;

       ›Ach, wie ist das Sterben so bitter,

       Erbarm dich, weil ich so jung noch bin!‹

      Stumm blieb sein steinerner Wille,

       Es blitzte so rosenrot,

       Da wurd' es auf einmal stille

       Im Walde und Haus und Hof.

      Frühmorgens da lag so schaurig

       Verfallen im Walde das Haus,

       Ein Waldvöglein sang so traurig,

       Flog fort über den See hinaus.

      Gegen das Ende ihres Gesanges hatte Julie von ohngefähr meinen Schatten bemerkt, den das Licht vom Zimmer lang und unbeweglich in den Garten warf. Sie sah sich stutzend um, und da sie nichts erblicken konnte, schloß sie nachdenkend und schweigend das Fenster. In diesem Augenblick klopfte es drin an die Stubentür. Sie fuhr erschrocken zusammen und vom Fenster auf. Ich blickte noch einmal hinein und sah jenen gehässigen Reiter, dem ich vorhin begegnet, eilfertig eintreten. Er lebt! rief Julie außer sich vor Freude und stürzte dem Manne um den Hals. -

      Hatt' ich schon vorher draußen in dem Fremden sogleich einen von jenen poetischen Jüngern erkannt, die's niemals zum Meister oder überhaupt zu einem Manne bringen, so kam mir jetzt der hagere, blasse Poet neben der gesunden Julie, die unterdes so wunderbar hoch geworden war, und deren große Augen in diesem Augenblicke vor Freude ordentliche Strahlen warfen, gar erbärmlich vor. Mir kamen die Verse aus Goethes Fischerin zwischen die Zähne:

      Wer soll Bräutigam sein?

       Zaunkönig soll Bräutigam sein!

       Zaunkönig sprach zu ihnen

       Hinwieder den beiden:

       ›Ich bin ein sehr kleiner Kerl,

       Kann nicht Bräutigam sein,

       Ich kann nicht der Bräutigam sein!‹

      Ich schwang mich sogleich wieder über den Gartenzaun, band mein Pferd los und ging, es hinter mir herführend, aus dem Dorfe hinaus.

      Da kam ich am andern Ende desselben an dem kleinen Häuschen Viktors vorüber. Ich guckte ihm ins Fenster hinein, das, wie du weißt, im Sommer Tag und Nacht offen steht. Er saß eben mit dem Rücken gegen das Fenster, über einem alten, dicken Buche, den Kopf in die Hand gestützt. Das Licht auf dem Tische flackerte ungewiß umher, die vielen Uhren an den Wänden pickten einförmig immerfort, es war eine unendliche Einsamkeit drinnen. Ich begrüßte ihn endlich mit dem Vers, der ihm im ganzen Faust der liebste war: Ich guckte der Eule in ihr Nest, Hu! die macht' ein paar Augen! Er wandte sich schnell um, und als er mein Gesicht völlig erkannte, sprang er auf, warf die Bücher und alles, was auf dem Tische lag, auf die Erde und tantzte wie unsinnig in der Stube herum. Ich kletterte sogleich durchs Fenster zu ihm hinein, ergriff eine halbbespannte Geige, die an der Wand hing, und so walzten wir beide mit den seltsamsten Gebärden und großem Getös' nebeneinander in der kleinen Stube auf und ab, bis er endlich erschöpft vor Lachen auf den Boden hinsank. Es dauerte lange, ehe wir zu einem vernünftigen Diskurs kamen, während welchem er einen ungeheuren Krug voll Wein zuschleppte. Er ist noch immer der Alte, noch immer nicht fetter, nicht ruhiger, nicht klüger, und wie sonst wütend kriegerisch gegen alle Sentimentalität, die er ordentlich mißhandelt.

      Gegen Mitternacht endlich, soviel er auch dagegen hatte, zog ich wieder von dannen, das gelobte Land in ruhigem Schlafe hinter mir und die weite Stille ringsumher gesegnend, während Viktor, der mich ein Stück begleitet hatte, auf der letzten Höhe mir wie eine Windmühle in der Dunkelheit mit dem Hute nachschwenkte und nachrief, bis alles in den großen, grauen Schoß versunken war.

      In den Krieg denn von neuem in Gottes Namen hinaus! rief ich draußen und nahm die Richtung auf mein Schloß, da ich indes erfahren hatte, daß der Tummelplatz jetzt dort in der Nähe sei. Bei Sonnenaufgang sah ich die Unsrigen in dem weiten Tale bunt und blitzend zerstreut wieder, und das Herz ging mir auf bei dem Anblick. Die lustige Bewegung, die mir von weitem so mutig entgegenblitzte, war aber nichts anderes, als eine verworrene, grenzenlose Flucht. Der Feind war noch ziemlich weit, ich ritt daher an den zerstreuten Trupps langsam vorüber. Da sah ich den Haufen in dumpfer Resignation herumtaumeln, mehrere weise Mienen achselzuckend zur Schau tragen, als steckten wohl ganz andere Pläne dahinter keinem hätte das Herz im Leibe zerspringen mögen. Da fiel mir ein, was mir Viktor oft in seinen melancholischen Stunden gesagt: besser, Uhren machen, als Soldaten spielen.

      Ich meinesteils war fest entschlossen, da alles, was mir ehrwürdig und lieb auf Erden war, zugrunde gehen sollte, lieber fechtend selber mit unterzugehn, als gefangen in der gemeinen Schande zurückzubleiben. Ich sprengte eilig auf mein Schloß und bot alle meine Jäger und Diener auf, deren Gesinnung und Treue ich kannte, viele Freiwillige von der Armee gesellten sich wacker dazu, und so verschanzten und besetzten wir mein Schloß und Garten, da ich wohl wußte, daß der Feind bei seiner Verfolgung diesen Weg nehmen und demselben an dieser vorteilhaften Höhe besonders viel gelegen sein mußte. Wir wehrten uns verzweifelt oder vielmehr tollkühn gegen die Übermacht. Die feindlichen Kugeln hatten mein Schloß fürchterlich zerrissen, die Gesimse brannten, ein Burgtor nach dem andern stürzte in den Lohen zusammen, alles war verloren, und ich fiel, der letzte, nieder. Als ich die Augen wieder aufschlug, lag ich im Sonnenscheine in dem schönen Garten des Herrn v. A. vor der großen Aussicht, und Julie stand still neben mir. -

      Hier hielt Leontin inne, denn Julie, die sich schon einige Zeit mit ängstlicher Unruhe umgesehen hatte, sagte ihm etwas ins Ohr, stand schnell auf und ging in den Wald hinein, worauf Leontin, nachdem er ihr eine Weile nachgesehen, folgendermaßen wieder fortfuhr:

      Es war mir wie im Traume, als ich so

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