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von Strukturen, die ‹hinter› den Dingen und Gedanken liegen –, die ihnen zugrunde liegen. Picasso hat diesen Tatbestand formuliert: nicht die Fassade der Dinge, sondern ihre geheime Struktur ist es, die den heutigen Maler beschäftigt.» Ich werde im Kapitel «Die geheime Struktur des Bildes» darauf zurückkommen.

      Vielleicht möchten sich Leserinnen und Leser aus diesen Bruchstücken selbst ein Ganzes formen? Ihnen sei die zeitraubende (!) Lektüre von «Ursprung und Gegenwart», Chronos Verlag, Zürich (Neuauflage 2015), empfohlen. Zeitraubend allerdings nur für jene, die … (siehe oben). Natürlich gibt es da auch noch das im Verlag Via Nova, D-Petersberg, erschienene Buch «Die Debatte läuft – Ganzheitliche Thesen für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik – Die unerhörte Aktualität der integralen Vision Jean Gebsers» (2005) von … Christoph Zollinger.

      Nachdem Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dieses Kapitel gelesen haben und vielleicht auch aus Ihrer Warte darin Interessantes, Neues, bisher nicht Bedachtes ausgemacht haben, gehören Sie jetzt zweifellos zu jenen, die den Namen meiner Homepage www.glaskugel-gesellschaft.ch nicht mehr falsch interpretieren. Er sollte nicht mit der Kristallkugel der Wahrsager verwechselt werden.

      VERÄNDERUNGSPROZESSE IM ZEITENWANDEL

      Bild 7, 115 x 100cm

      Stellen wir uns ein Jahr zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor. Vielleicht 2014? Man stellt einen verrosteten Hafenkran aus Rostock an der Ostsee mitten in Zürich ans Ufer der Limmat: Das ist Kunst. «Zürich Transit Maritim» ist sogar mehr: eine temporäre Kunst-Intervention, eine Installation eben. Die Initianten sprechen von einer 2000 Jahre zurückreichenden Geschichte von Zürich als Hafenstadt. Von einem «Denkanstoss» ist die Rede. Die Rezeption in der breiten Öffentlichkeit, wie üblich in zwei Lager gespalten, findet weniger gewählte Worte, ist weniger schmeichelnd: «Scheissding, das niemand will, Zwängerei, Geldverschleuderung», nörgeln die einen. Andere: «Dieses Kunstprojekt hat jeden Zürcher, jede Zürcherin gerade mal 1.50 Franken gekostet.» Oder sie verweisen darauf, dass Kunst auch ein Seherlebnis, eine ästhetische Erfahrung zu bieten hätte.

      Szenenwechsel. Man platziert eine weisse WC-Schüssel mitten in einen nackten Raum: Das ist Kunst. Eine Installation mit symbolischem Charakter: eine Anklage gegen Verschwendung, sorglosen Umgang der Menschen mit den Ressourcen. Hier scheint die ästhetische Erfahrung wohl weniger im Vordergrund als die versteckte Zurechtweisung. So oder so: ein Seherlebnis.

      Szenenprofis sprechen davon, dass es heute entscheidend sei, Aufmerksamkeit zu generieren. Auffallen um jeden Preis! Die Medien machen es vor. Kunstprofis sprechen vom New Realism. Oder vom Ende der konstruktiven Postmoderne, mit ihrer Verneinung jeglichen Bezugs zur Wirklichkeit. Dies alles bewegt die Massen. Besucherzählungen in den Museen zeigen steil nach oben. Printmedien füllen ihre Blätter mit überdimensionierten Fotos und unterdurchschnittlich intelligenten Begeisterungsausbrüchen.

      Der Aussagewert, die Aussage selbst – beides ist umstritten. Ist Gegenwartskunst heute primär da, um Aufmerksamkeit zu generieren oder um mit dem Kauf Gebühren und Steuern zu sparen (etwa wenn in schweizerischen Zollfreilagern zu diesem Zweck stapelweise Gemälde gehortet werden)? Aus früheren Zeiten jedenfalls ist nicht überliefert, dass rostige Hafenkräne oder weisse WC-Schüsseln gesammelt, ausgestellt oder gehortet wurden.

      Bekanntlich nehmen wir unsere Umgebung, unser Land, die Welt u. a. bildhaft wahr. Schon unsere Vorfahren über die Jahrtausende hinterliessen eindrückliche Spuren ihrer stupenden Fähigkeit, die Welt – wie sie diese erfuhren – künstlerisch darzustellen.

      Älteste Spuren führen zurück in die Zeit vor 35 000 – 10 000 Jahren (z. B. die Höhlenmalerei in Lascaux, F). Auch Wandmalereien aus Ägypten oder Fresken aus Kreta haben 4000 – 5000 Jahre «überlebt». Aus der Antike stammen die wunderschönen griechischen Vasenmalereien oder zeugen etwa die römischen Fresken aus Pompeji von hohem Kunstverständnis und malerischem Können.

      Die Renaissance steht unverrückbar als eigentliches Wunder des 15. und 16. Jahrhunderts und jenes gewaltigen Entwicklungsschubs nicht nur in der Malerei. Unerreicht sind Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raffael. Aus der Barockzeit kennen wir Rubens oder Rembrandt. Diese Namen stehen für eine Vielzahl weiterer begnadeter Interpreten.

      Im 20. Jahrhundert schliesslich verändert sich die Malerei erneut, der abstrakte Expressionismus entsteht. Meine rudimentäre Aufzählung endet hier mit dem Namen Mark Rothko. Ich bin mir bewusst, dass eine solche subjektive Rückschau eigentlich gar nicht statthaft ist. Im Kontext dieses Buches sei mir diese «Barbarei» verziehen.

      Über alle Zeiten haben Künstler Zeugnis davon abgelegt, wie sie ihre Welt interpretieren. Schon immer spielte das natürliche Umfeld eine prägende Rolle: Landschaften, Menschen, Tierwelt wurden abgebildet – mal unglaublich detailliert, ein anderes Mal abstrakter gestaltet. Die Realität ist ja so oder so nicht abbildbar («Ceci n’est pas une pipe!»). Somit spielten idealisierte Wahrnehmung und Umsetzung immer eine grosse Rolle. Auch Projektion und Interpretation formen ein Bild – so, wie der Künstler das eben erlebt und sieht.

      Die lautlose Sprache des Bildes verfehlt seine subtile Wirkung auf den vor ihm stehenden, in Gedanken versunkenen Menschen nicht. Er oder sie, alle sind beeindruckt, ab und zu gefesselt vom Gesehenen. Sie sehen zwar künstlerisch dargestellte Natur, opulente, nackte Gestalten, fragile Tiere oder geheimnisvoll lächelnde Damen – doch was sie dabei denken, mag sich völlig von dem unterscheiden, was dem Künstler wichtig war. «Mona Lisa» von Leonardo da Vinci – Louvre, Paris. Zum Beispiel.

      Mit dem Aufkommen der Fotografie wandelt sich in der Moderne das Spektrum der Abbildung des Gesehenen. Die neue Technik des Fotografierens übernimmt: akkurater, billiger und schneller. Ab diesem Zeitpunkt verändert sich die Botschaft des Bildes. Sie ist jetzt versteckt hinter der neuen Farbenwelt des Abstrakten.

      Noch immer spricht das Bild zum Gegenüber. Doch der angesprochene Mensch wird völlig sich selbst überlassen: Er sieht weder Häuser, Bäume, Kühe noch Akte. Den Interpretationsraum der Botschaft überlässt der Künstler weitgehend dem Betrachter. Doch dieser, so sagte es Klaus Merz einmal, «muss zuhören, was einem die Bilder erzählen – und diese Erzählungen dann mit den Geschichten und Eindrücken verbinden, die man in sich selber drin hat, denn es lagert ja unheimlich viel Bild- und Erzählmaterial in uns».

      Für die abstrakte Bilderwelt gilt mehr denn je, dass sie, zuerst in des Künstlers Vorstellung, dann im Kopf des elektrisierten Käufers oder abwägend Schauenden, spontan eine neue Verbindung herstellt, individuelle Wirklichkeiten miteinander vernetzt. Ohne gegenständliche Vorgabe ist der kreativen Imagination keine Leitplanke gesetzt.

      Betrachteten noch die gotischen Maler ein Bild als Wiedergabe der (Heiligen) Schrift, so änderte sich das in der Renaissance mit der Einführung des perspektivischen, auf den Blickpunkt des Betrachtenden ausgerichteten Bildraums. In diesem Moment wurde ein Bild zur illusionistischen Darstellung einer Szene. Damit verschwand die Schrift aus dem Bild, denn sie hätte die Illusion gestört. Diese Konstellation galt weitgehend auch für die auf die Renaissance folgenden Jahrhunderte, als sich die neuen Gattungen des Stilllebens und der Landschaftsmalerei herausbildeten. «Da diese an die perspektivische Raumauffassung gebunden sind, schliessen sie die nicht motivierte Integration von Schrift und Bild aus», schrieb Peter Bürger 2010 in der NZZ: «Erst als Georges Braque und Pablo Picasso in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, ausgehend von einigen Landschaften des späten Cézanne, in denen der Raum keine Tiefe mehr zu haben scheint, sich von dem perspektivisch auf den Blickpunkt des Betrachters hin orientierten illusionistischen Raum verabschieden, tritt auch, was die Schrift im Bild angeht, eine Änderung ein. Indem die beiden Maler in der Phase des analytischen Kubismus ein Vokabular aus Flächenfacetten entwickeln, in denen unterschiedliche Ansichten des Gegenstandes aufscheinen, leiten sie eine Revolution des seit der Renaissance geltenden Darstellungssystems ein.»

      Interessant

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