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uns dann die Liebeganz bedingungslos begrüßt,hat uns unser Sterbenunser Leben noch versüßt.

      Oliver Lazar

      Dies sind also meine Lebensstationen. Bis zu meinem 43. Lebensjahr hielt ich dieses Leben für erfüllt und vollständig. Familiär und beruflich lief alles wunderbar. Wir waren glücklich, und nichts sprach dafür, dass sich daran je etwas ändern sollte. Die Spiritualität spielte in meinem Leben, wie bereits erwähnt, keine Rolle. Sie war mir schlichtweg egal. Niemals hätte ich gedacht, dass ich am Anfang einer komplett neuen und unerwartet aufregenden Etappe meines Lebens stehen würde.

       Wir sind alle nur Besucher auf dieser Welt und zu dieser Zeit. Unsere Seelen sind nur auf der Durchreise. Unsere Aufgabe hier ist es, zu beobachten, zu lernen, zu wachsen, zu lieben und dann wieder nach Hause zu gehen.

      Weisheit der Aborigines

      Wir haben in unserem Stadtteil eine kleine Fahrgemeinschaft gegründet, um unsere Kinder morgens in die Schule zu bringen. Wir sind drei Familien und wechseln uns dabei immer ab. Als ich an jenem Montagmorgen im Oktober 2017 an der Reihe war und in mein Auto stieg, um die Kinder zur Schule zu fahren, ahnte ich nicht, dass dieser Tag mein Leben unglaublich verändern würde. Kurz vor der Schule bildete sich an einer Einfahrt zu einem Bauernhof ein Stau. Ich kam einige Meter vor dieser Einfahrt zum Stehen. Ein großer LKW blockierte die Einfahrt. Ich sah, wie ein Mann ganz aufgeregt mit seinem Handy auf und ab lief. In dem Moment hörte ich schon das Martinshorn und sah im Rückspiegel einen Rettungswagen (RTW) kommen. Schnell fuhr ich noch ein Stück zur Seite, damit der RTW freie Fahrt hatte. Ich sah, wie der Notarzt ausstieg und nach wenigen Sekunden anfing, hektisch zu rennen und Geräte aus dem Wagen zu holen. In diesem Moment wurde mir klar, dass die Lage ernst sein musste und dass es offensichtlich einen Unfall mit dem LKW gegeben hatte und der Notarzt um das Leben eines Menschen kämpfte. Schließlich fuhr ich mit einem mulmigen Gefühl weiter zur Schule, wo ich die Kinder absetzte. Doch an diesem Tag sollte der Unterricht ausfallen. Noch am Vormittag kam meine Tochter wieder nach Hause, stürmte ins Haus und rief: »Das war Joma heute Morgen!« Joma war eine Klassenkameradin meiner Tochter. Eigentlich hieß sie Johanna-Maria, doch alle nannten sie nur Joma. Sie wurde auf dem Weg zur Schule auf ihrem Fahrrad von einem abbiegenden LKW überfahren. Ich kannte dieses Mädchen eigentlich nicht, es war mir nur von wenigen flüchtigen Blicken her bekannt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich an diesem Tag nichts anderes um mich herum mehr wahrnahm. Meine Gedanken kreisten ausschließlich um das mir fremde Mädchen und ihre Eltern. Ständig aktualisierte ich die Nachrichtenseiten, um auf dem aktuellsten Stand zu sein, und schließlich stand am Nachmittag die Mitteilung, dass das Mädchen an den Folgen des Unfalls verstorben war, mit einem schwarzen symbolischen Kreuz versehen im Internet. In diesem Moment geschah etwas mit mir. Ich wusste sofort, dass dies ein einschneidendes Erlebnis in meinem Leben ist. In mir brach eine Welt zusammen. Mein Herz wurde zerrissen. Ich konnte nicht mehr klar denken, und ich habe die Trauer um das Mädchen in einer Tiefe empfunden, wie ich es noch nie zuvor in meinem Leben auch nur ansatzweise erlebt hatte. Dieser Zustand ließ mich einfach nicht mehr los. Anfangs hielt ich diese Reaktion noch für normal. Doch der Schmerz wollte einfach nicht abklingen. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich auf so eine extreme Art und Weise reagierte. Was ich durchlebte, ging bei Weitem über das normale Maß des Mitgefühls hinaus. Die Trauer nahm nicht ab, sondern wurde im Gegenteil immer größer und stärker. Als ich nach mehreren Tagen mit meinem Vater über Jomas Beerdigung und Trauerfeier sprach, erzählte er mir von einem Arbeitskollegen, dessen Kind auch vor einigen Jahren gestorben war. Er meinte, dass man Abstand nehmen müsse, damit das Leben weitergehen kann.

      Abstand nehmen? Das kam für mich überhaupt nicht infrage, das hätte mich noch unglücklicher gemacht. Ich hatte ganz im Gegenteil das unbändige Bedürfnis, die Nähe der Leute zu suchen. Ich verstand mich selbst nicht mehr, da ich doch weder das Mädchen noch seine Eltern kannte. Joma war so ziemlich das einzige Kind aus der Klasse meiner Tochter, mit dem ich niemals richtig Kontakt hatte. Doch immer wieder erschien vor meinem inneren Auge ein kurzer Moment, wo sie bei einer Schulveranstaltung ganz nah an mir vorbeigegangen war und bei dem sich unsere Blicke für den Bruchteil einer Sekunde getroffen hatten. Damals hatte ich diesen unscheinbaren Augenblick überhaupt nicht wahrgenommen, und es war mir nicht bewusst, dass ich eine Erinnerung daran besitze. Doch seit dem Unfall blühte dieses Bild so intensiv in mir in voller Klarheit auf. Ich konnte an nichts anderes mehr als an Joma und ihre Eltern denken, und teilweise hatte ich Angst, dass mich meine empathisch hoch sensitive Natur und diese intensiven Gefühle vernichten und zu Boden reißen würden. Meine eigene Familie erlebte mich mehrere Wochen und Monate still und zurückgezogen in einer Art depressiv verstörenden Stimmung, worauf die Familie zunächst mit Unverständnis reagierte. Meine Frau machte

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