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und „Schöne Claudia“ bezeichnet, die erste österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner wurde abfällig „Chanel-Pupperl“5genannt, und als Brigitte Bierlein 2019 Übergangskanzlerin wurde, dauerte es keine 24 Stunden, bis Zeitungen ihre Kleidungswahl kommentierten. „Das ist wahrscheinlich wirklich so ein Geschlechterstereotyp“, meint Kern dazu. „Wenn mir meine Ehefrau ein Kompliment macht, bin ich glücklich darüber, aber sonst tue ich mir schwer, damit umzugehen. Als Mann bist du es einfach nicht so gewohnt, in dieser Kategorie gemessen zu werden.“ Gut, als Mann ist man vieles nicht so gewohnt. Zum Beispiel auch nicht, dass man aufgrund seines guten Aussehens im Berufsleben als weniger kompetent wahrgenommen wird. Kern hat das in seiner bisherigen Karriere jedenfalls noch nicht erlebt, wie er sagt – weder in der Politik noch in der Wirtschaft, wo er zuerst im Vorstand der Verbund AG6 und danach als Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Bundesbahnen tätig war. „Ich denke aber, es ist im Gegenteil schon hilfreich, gut auszusehen. Attraktive Menschen werden, so unfair das ist, a prima vista als sympathischer wahrgenommen“, meint er. Bereits 1972 prägten amerikanische Wissenschaftler den Satz „What is beautiful is good“, der bis heute zu gelten scheint. Auch aktuellere Studien belegen, dass schönen Menschen positive Charaktereigenschaften zugeschrieben werden. Allerdings trifft das nicht auf alle Lebensbereiche und auch nicht auf beide Geschlechter gleichermaßen zu. Erst kürzlich hat mir mein Mann, der in der IT-Branche tätig ist, einen Erfahrungsbericht geliefert, der das bestätigt. Seine Kollegin, eine große, schlanke, blonde und sehr kompetente Technikerin, hat, wie er sagt, immer wieder Probleme, von den größtenteils männlichen Kunden ernst genommen zu werden. Blöde und anzügliche Bemerkungen stünden regelmäßig auf der Tagesordnung. Das Vorurteil, eine Frau könne nicht gleichzeitig schön und intelligent sein, geistert also noch immer durch diverse Großraumbüros, auch in der prinzipiell aufgeschlossenen und, was Geschlechtergerechtigkeit betrifft, recht fortschrittlichen IT-Welt.

      „Also, bei mir ist das sicherlich nicht so“, sagt Kern, fast so, als hätte ich ihm mit meiner Anekdote etwas unterstellen wollen. „Ich mache mir bei meinen Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen keine Gedanken darüber, ob sie gut ausschauen oder nicht.“ Mag sein. Die Mehrheit der Personalchef*innen tut das jedoch schon, vor allem, wenn es um die Besetzung von Spitzenpositionen geht. Das haben Wissenschaftler der Yale University bereits Ende der 1970er-Jahre nachgewiesen, und auch eine Studie aus dem Jahr 2019 kommt zu dem Ergebnis, dass Schönheit für Geschäftsfrauen eher ein Nachteil ist.7 Offenbar liegt das daran, dass Führungspositionen eher mit „männlichen“ Eigenschaften assoziiert werden und attraktive, also besonders weibliche Frauen, für diese Jobs deshalb unpassender erscheinen. Die Konsequenz? Frauen, die Karriere machen wollen, sollten sich so unattraktiv und maskulin wie möglich geben, meinen die Wissenschaftler. Auch wenn diese Empfehlung auf den ersten Blick plausibel erscheint, ist sie meiner Meinung nach viel zu kurz gedacht. Denn warum müssen sich Frauen an die Gegebenheiten eines männlich dominierten Wirtschaftssystems anpassen? Warum denken wir nicht stattdessen darüber nach, wie wir die Vorurteile, Codes und Verhaltensvorschriften, die in der Geschäftswelt vorherrschen, aufbrechen und verändern könnten? Ich bin mir sicher, dass auch Männer davon profitieren würden. „Ein gutes Mittel gegen all diese Ungerechtigkeiten sind Quoten“, meint Kern. „Aber neben Frauenquoten in allen Lebensbereichen wäre es genauso wichtig, ein anderes Männerbild zu entwickeln. Denn oft hängt es von den Chefs ab, ob sie Frauen fördern oder nicht, und das sind zu einem Großteil einfach noch Männer.“ Plötzlich ist ein lautes Gähnen zu hören, und ich bin irritiert, weil ich fast vergessen habe, dass Kerns Hund ja auch noch im Raum ist. Demonstratives Gähnen deute ich immer als Hinweis für Langeweile, und so frage ich mich, während Samy aufsteht und sich genüsslich streckt, ob unser Gespräch bisher vielleicht etwas fad war. Als ob ein Labrador das beurteilen könnte! „Hast du Samy, die ja ein Weibchen ist, eigentlich bewusst zu einem Gespräch über ‚Frauenfragen‘ mitgebracht?“, will ich von Kern wissen, um die ernsthafte Stimmung ein bisschen aufzulockern. „Nein, sie ist meine ständige Begleiterin. Sie ist unglaublich anhänglich, was ich großartig finde. Ich nehme sie auch immer mit ins Büro, wo sie dann zu meinen Füßen liegt.“ Nach einer kurzen Pause fügt er noch hinzu: „Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass mir jemand zu Füßen liegt.“ Höflich beantwortet Kern jede Frage, schweift dabei jedoch nie aus und sagt stets nur so viel, wie notwendig erscheint. In dem Buch „Christian Kern: Ein politisches Porträt“8 wird der Ex-Kanzler als „fleißig, belesen und gescheit“ beschrieben. Außerdem als „distanziert und kontrolliert“, und diesen Eindruck habe ich bisher auch von ihm.

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      „Inwiefern hast du dich denn in die Familienarbeit eingebracht?“, will ich von Kern wissen und mache damit das große Thema Vereinbarkeit von Familie und Karriere auf. Zu lange über das Aussehen zu reden, ist ja wirklich langweilig. Als er Vorstandsvorsitzender der ÖBB wurde, war seine Tochter aus zweiter Ehe gerade mal drei Jahre alt. „In diesen Managementberufen muss man zwar am Wochenende auch immer arbeiten, Unterlagen lesen und da und dort einen Termin absolvieren, aber im Wesentlichen habe ich schon versucht, mir diese Tage freizuhalten. Unter der Woche ist das aber oft schwierig gewesen und vieles ist an meiner Frau hängen geblieben“, erzählt der 54-Jährige, der seit 2009 mit der Unternehmerin Eveline Steinberger-Kern verheiratet ist. Die beiden haben sich beim Verbundkonzern kennengelernt, wo Steinberger-Kern knapp zehn Jahre beschäftigt war. „Ich bin in der Holding in den Vorstand gekommen und sie war damals Geschäftsführerin im Vertrieb. Da gab es dann natürlich eine Vereinbarkeitsthematik, und deshalb haben wir uns dazu entschieden, dass sie geht und etwas anderes macht. Im Nachhinein glaube ich, dass es für ihren weiteren Weg gut war, aber das hat man natürlich nicht wissen können.“ Ich runzle die Stirn. Im Nachhinein kann man sich wirklich alles schönreden. Weil Kern meine kritischen Gedanken möglicherweise spürt, fügt er erklärend hinzu: „Eveline ist etwas jünger als ich, und wenn man will, war ich in meinem Karriereverlauf durch die Lebensjahre schon etwas weiter. Deshalb war es in dem Fall recht klassisch, dass sie verzichtet hat. Als ich jedoch aus der Politik ausgeschieden bin, war es genau umgekehrt. Da sind wir gemeinsam zu der Entscheidung gekommen, dass jetzt genug ist. Vermutlich wäre ich ohne den Klartext meiner Frau noch länger in der Politik geblieben.“ Gleichberechtigung wird in der Familie Steinberger-Kern offenbar sehr großgeschrieben, und so ist es nicht nur dem Ex-Kanzler möglich, Karriere zu machen, sondern auch seiner Frau. Zwei Jahre nach der Geburt der gemeinsamen Tochter machte sie sich in der Energiebranche selbständig. 2014 gründete Eveline Steinberger-Kern ein Unternehmen in Israel und ist neben Managementtätigkeiten dort derzeit auch noch Mitglied im Aufsichtsrat zweier großer Konzerne.

      Wenn Kern über seine Frau spricht, schwingt in seinen Worten viel Respekt und eine Beziehung auf Augenhöhe mit. „Ich habe eine selbstbewusste, erfolgreiche, kluge Frau und bin selber selbstbewusst genug, um das als großes Glück zu sehen.“ Und deshalb war es für ihn nur logisch, nach dem Ausstieg aus der Politik auch beruflich gemeinsame Sache zu machen. „Viele glauben ja, dass du, wenn du Bundeskanzler oder Politiker bist, nur Vorteile hast. Für meine Frau war mein Politiker-Dasein aber mit Sicherheit ein beruflicher Nachteil, weil viele Dinge aufgrund von Vereinbarkeitsproblemen nicht gegangen sind. Sie hat in dieser Situation auch manchmal den Kürzeren gezogen, aber das mit Langmut und größter Liebe und Solidarität.“ Ein schöner Satz, den ich gerne genau so einmal aus dem Mund einer Frau hören würde: „Mein Mann hat beruflich auch manchmal den Kürzeren gezogen, aber das mit Langmut und größter Liebe und Solidarität.“ Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Obwohl wir im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts angekommen sind, wird das Verzichten auf eine Karriere immer noch eher Frauen zugeordnet, genauso wie die Eigenschaften Langmut, Demut oder Sanftmut, die allesamt weibliche Artikel haben. Wörter wie Hochmut, Übermut und Wagemut hingegen, die nach Energie und Schaffenskraft klingen und den nach außen gerichteten Mut beschreiben, sind männlich.9 Ist Mut jetzt also per se männlich? Diese Frage beschäftigt Sprachexpert*innen genauso wie Macher*innen von Talkshows im Fernsehen10 und lässt sich mit Sicherheit nicht in ein, zwei Sätzen beantworten. Vielleicht lässt sie sich auch gar nicht beantworten, da Mut doch generell sehr subjektiv ist.

      Für mich jedenfalls war Mutter zu werden eine der mutigsten Entscheidungen in meinem Leben. Denn nichts zuvor hat sich so sehr nach einem Sprung

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