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und nickte nur.

      „Wenn Sie nicht für die Liebe bereit sind, wären Sie wenigstens dazu bereit, ein wenig Zeit für die nächste Generation zu opfern? Wir haben morgen einen Jugendtag in der Kirche. Ich habe so eine Ahnung, dass Ihre Ansichten und besonders Ihr Vertrauen auf eine gute Ausbildung ein paar junge Seelen inspirieren könnten.“

      Kapitel Vier

      Eva und Carlos stiegen die Stufen zu ihrer Wohnung hoch. Sie lag im zweiten Stock. Eine Nachbarin im Erdgeschoss hatte die Löcher in ihrer Terrassentür mit Aluminiumplatten abgedeckt. Dort, wo wohl eigentlich ein Garten sein sollte, gab es mehr Stellen, an denen einfach die nackte Erde hervorschaute, als solche, die tatsächlich mit Gras bewachsen waren.

      Für die schwere Eingangstür aus Sicherheitsglas brauchte man eigentlich einen Schlüssel. Doch sie stand wie immer offen, damit jeder das Haus einfach betreten konnte. Eva machte sich nicht die Mühe, die Kiste wegzunehmen, die die Tür offenhielt. Sie wusste, dass irgendjemand sofort wieder etwas anderes hinstellen würde, damit sich die Tür nicht schloss.

      Mit ihrem Bruder im Schlepptau stieg sie die Treppen hoch. Vor ihnen huschten mehrere Insekten davon. In einer Ecke saß irgendein Nagetier und blickte zu ihnen auf, offensichtlich verärgert, weil sie seinen Frieden störten.

      Als sie ihre Tür erreichten, zog Eva einen Schlüsselbund hervor. Sie musste erst alle drei Schlösser aufschließen, bevor die Tür nachgab, doch sie öffnete sich nur einen Spalt weit. Die Sicherheitskette war vorgelegt.

      „Rosalee“, rief Eva durch den Spalt.

      Aus dem Inneren der Wohnung war ein Rascheln zu hören, dann das Tapsen von bestrumpften Füßen auf dem ausgetretenen Dielenboden. Ohne Socken konnte man sich dort leicht einen Splitter einziehen.

      Braune Augen erschienen im Türspalt. Dann schloss sich die Tür. Man hörte die Kette klirren, dann öffnete sich die Tür wieder, doch nur gerade weit genug, um die beiden Menschen einzulassen. Dann wurde die Tür wieder zugeschlagen und alle Schlösser wurden verriegelt.

      „War in der Schule alles okay, Rosalee?“

      Rosalee zuckte mit den Schultern. Ihre Haut war blass. Sie war kein besonders kräftiges Kind, weil sie sich so wenig bewegte. Eva wusste, dass ihre Schwester eigentlich mehr aus dem Haus gehen sollte, um ihre sozialen Kompetenzen zu verbessern. Doch zu Hause war es sicherer als draußen, deswegen sagte sie nicht allzu viel dazu.

      „Ich habe eine Eins für meine wissenschaftliche Arbeit bekommen“, sagte Rosalee. „Aber auf meinen Englischaufsatz nur eine Zwei. Ich überarbeite ihn gerade, damit ich ihn nächste Woche noch einmal abgeben kann.“

      Eva nickte. Ihre Schwester zog es vor, für die Schule zu lernen, statt nach draußen zu gehen und sich mit Freunden zu treffen. Ihr Bruder dagegen war lieber auf der Straße unterwegs, statt im Klassenzimmer zu hocken. Könnte sie die beiden nur zu einem verschmelzen, hätte sie das perfekte Kind.

      Carlos stürzte zum Kühlschrank. Selbst von dort aus, wo sie stand, konnte Eva sehen, dass er ziemlich leer war. Die nächsten paar Wochen würden schwierig werden, bis sie sich im Studentenleben zurechtgefunden hatte. Hoffentlich fand sie bald einen Studentenjob. Bis dahin würde es wohl eben jeden Abend Ramen-Nudeln geben.

      „Tante Vals Freund ist da. Sie sind in ihrem Zimmer.“ Mit diesen Worten ging Rosalee zurück in das Zimmer, das sich Eva mit ihren beiden jüngeren Geschwistern in der engen Zweiraumwohnung teilte.

      Tante Val hatte sie letztes Jahr aufgenommen, nachdem sie bei Onkel Ricardo hatten ausziehen müssen, weil sein Sohn wieder zu ihm gezogen war. Davor hatten sie bei ein paar entfernten Cousins gewohnt. Doch das Viertel dort war noch schlimmer gewesen als das hier und Eva hatte schnell dafür gesorgt, dass sie eine andere Bleibe fanden. Tante Vals Tochter hatte den Staat mit ihrem Freund verlassen und Eva hatte sich mächtig ins Zeug gelegt, um ihr Zimmer zu bekommen. Val lebte schon seit Jahren hier, was bedeutete, dass sie ihnen eine gewisse Stabilität geben konnte.

      Kichern und Keuchen drang durch die geschlossene Tür ihrer Tante. Stabilität war relativ. Bei ihrer Tante gingen ständig andere Männer ein und aus. Aber immerhin wohnte sie seit zehn Jahren in der gleichen Wohnung. Eva hoffte einfach, dass sie noch mindestens zwei Jahre länger hierbleiben würde, bis sie einen Collegeabschluss und Aussichten auf einen guten Job hatte und sich eine eigene Wohnung leisten konnte.

      Sie brauchte nur zwei Jahre. Maximal drei. Dann würde sie ihren Abschluss machen, sich eine Arbeit in dem Bereich suchen, für den sie sich entschied und endlich mit ihrer Familie in eine eigene Dreizimmerwohnung ziehen.

      Eva wollte gerade in die Küche gehen, um die Ramen zu machen, als die Tür zum Schlafzimmer ihrer Tante aufging. Ein korpulenter Mann – der aktuelle Freund ihrer Tante, was allerdings wöchentlich wechselte – kam heraus. Er betrachtete Eva von oben bis unten. Es war ein Blick, der ihr etwas zu lange dauerte. Eva wandte ihren Blick ab. Sie konnte keine Probleme mit diesem Mann gebrauchen.

      „Oh, Eva, du bist zurück. Ich habe tolle Neuigkeiten!“

      Val war Anfang Vierzig, sah aber um einiges älter aus. Sie hatte kein einfaches Leben gehabt. Drei Kinder hatte sie aufgezogen und zwei davon an die Straße verloren.

      „Du errätst es nie!“ Tante Val hielt ihre Hand hoch. An ihrem Ringfinger glitzerte ein abgenutzter, verblichener Silberring mit ein paar winzigen Diamanten. Einer der Steine fehlte. „Ich werde heiraten! Mike hat mir einen Antrag gemacht. Ist das nicht unglaublich? Ich heirate! Und das in meinem Alter!“

      Der Teekessel in Evas Hand, den sie gerade mit Wasser füllen wollte, zitterte. „Wow. Das ist toll.“ An ihrem Tonfall war der Glückwunsch aber nicht zu erkennen. „Mike wird also hier einziehen?“

      Mike zog eine Grimasse. „Nein. Ich nehme meine Braut mit und sie zieht zu mir.“

      Eva schluckte. Mit einem rebellischen Blick wandte sie sich ihrer einst so beständigen Tante zu. „Du ziehst aus?“

      „Ja, aber das ist doch gut! Dann hast du die Wohnung ganz für dich.“

      „Ich kann mir diese Wohnung aber nicht allein leisten.“

      Tante Val runzelte die Stirn. „Natürlich kannst du das. Du hast doch eine Arbeit. Dort verdienst du genug dafür.“

      „Aber ich habe gekündigt, weißt du das nicht mehr? Ich habe mich heute im College eingeschrieben. Ich habe meine ganzen Ersparnisse für die Studiengebühren ausgegeben!“

      „Ach was, du schaffst auch beides. Du findest schon eine Lösung. Oh, Eva, meine Träume werden endlich wahr!“

      Ja, die Träume ihrer Tante mochten vielleicht wahr werden, aber Evas Träume waren auf einmal geplatzt wie eine Seifenblase. Wie sollte sie diese Wohnung und das Essen für sich und ihre Geschwister finanzieren und daneben noch studieren? Da das Semester schon nächste Woche begann, konnte sie sich auch nicht mehr vom College abmelden und sich das Geld wieder zurückzahlen lassen. Sie war am Ende.

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