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Griff zu bekommen, hatte die nächste Bombe eingeschlagen. Nein, das konnte nicht einfach ein Scherz von Gott sein. Dafür war das alles viel zu grausam.

      Fran verließ den Parkplatz des Krankenhauses und machte sich auf den Weg zur Ranch. Sein Herz wurde weit, als er die Landschaft sah, die sich vor ihm ausbreitete. Montana war einfach wunderschön.

      Fran war in New York City aufgewachsen. Seine Berge waren die Wolkenkratzer gewesen, seine Wiesen der Asphalt. Aber nichts kam der majestätischen Schönheit der Natur gleich, die sich hier in den Himmel erhob.

      Afghanistan hatte die gleiche Wirkung auf ihn gehabt. Das Land, das von vielen als Wüste bezeichnet wurde, war voller zerklüfteter Berge und tiefer Täler. Schnee bedeckte die schroffen Berggipfel und die Täler waren fruchtbar und ernährten Vieh und Menschen.

      Fran war erstaunt gewesen, an einem Ort, der als so schlimm beschrieben wurde, so viel Schönheit und Überfluss anzutreffen. Doch die Beschreibungen zeichneten eben nicht das ganze Bild. Die guten Menschen des Landes versuchten, nicht ins Visier des Krieges zu geraten. Doch nur zu oft gelang es ihnen nicht und der Pinselstrich der Gewalt legte sich auch über ihr Leben.

      Fran bog in die Ranch ein. Nachdem der ihnen übergeordnete Offizier die Ranch gekauft hatte, hatten die Soldaten sie bald in „Purple Heart Ranch“ umbenannt. Die violetten Blüten der Glockenblume, welche das Siegel der Ranch zierten, erinnerten an die Purple-Heart-Auszeichnung, die man als Soldat bekam, wenn man im Krieg durch Feindeshand verwundet wurde. Jeder Mann von Frans Truppe war verwundet worden. Und nun, da sie hierhergekommen waren, um Ruhe und Heilung zu finden, war ihnen der nächste Schlag versetzt worden.

      Fran und die restlichen Männer seiner Einheit mussten innerhalb weniger Wochen heiraten, wenn sie auf der Ranch bleiben wollten, auf der ihre Wunden zu heilen begonnen hatten und die ihnen ihren Lebensmut zurückgegeben hatte. Das Problem war nur, dass nicht viele Frauen bereit dazu waren, ein Leben lang an einen verwundeten Soldaten gekettet zu sein. Und ganz bestimmt nicht an einen, der sein Herz nicht verschenken konnte, weil es jeden Moment aufhören konnte zu schlagen.

      Fran würde die Ranch also bald verlassen müssen. Doch er würde erst gehen, wenn er wusste, dass die anderen versorgt waren. Schließlich war er dafür verantwortlich, dass jeder von ihnen einen Teil von sich verloren hatte. So viel schuldete er ihnen also. Er würde dafür sorgen, dass sie die Sicherheit bekamen, die sie verdient hatten. Und wer weiß – vielleicht würden sie ja sogar Liebe finden.

      Es war ein schöner Traum. Einer, den er früher einmal auch für sich selbst gehabt hatte. Doch für ihn würde sich dieser Traum nie erfüllen, denn seine Brust war eine tickende Zeitbombe.

      Kapitel Zwei

      Eva atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dann nahm sie den Stift zur Hand, der auf dem Papier vor ihr lag, schüttelte ihre verkrampfte Hand aus und versuchte es noch einmal.

      Sie rechnete die Zahlen im Kopf durch. Beim Aufschreiben der Ziffern und des entsprechenden Betrags in Worten durfte sie keinen Fehler machen. Es war eine hohe Summe. Die höchste, die sie je im Leben am Stück bezahlt hatte.

      Nachdem sie die Zahlen dreimal überprüft und anschließend noch dreimal durchgelesen hatte, legte sie den Stift zur Seite. Er rollte davon, aber sie ließ ihn rollen. Sie brauchte ihn nicht mehr. Das Geld war weg und ihr Konto nun leer. Aber das war es wert.

      Vorsichtig riss sie den Scheck aus ihrem Scheckbuch. Es war der erste. Sie hatte noch nie zuvor einen Scheck ausgestellt. Sie hatte immer bar bezahlt. Es war ihr erstes Scheckkonto, das sie benutzte, um Schecks auszustellen und nicht, um welche einzulösen. Und es war ihr erster Scheck.

      Sie reichte ihn der Frau hinter der Glasscheibe. Die Augen der Frau waren freundlich und ihr Lächeln geduldig. Sie überflog die Zahlen und Buchstaben auf dem Papier.

      Eva hielt den Atem an. Hoffentlich hatte sie keinen Fehler gemacht. Sie konnte keinen einzigen Cent mehr in diesen Scheck investieren.

      „Sieht alles gut aus, meine Liebe“, sagte die Frau.

      Evas Schultern entspannten sich sichtlich, als sie das hörte.

      „Hier ist Ihr Stundenplan.“ Die Frau von der Zulassungsstelle reichte Eva ein Blatt, auf dem Nummern von Räumen und Namen von Fächern und Professoren säuberlich aufgelistet waren. „Dann sehen wir Sie am Montag, Ms. Lopez.“

      „Ja“, flüsterte Eva. „Das werden Sie.“

      „Viel Spaß mit Ihren Kursen, Liebes.“

      „Gleichfalls. Ich meine, danke. Haben Sie einen schönen Tag.“

      Eva wandte sich vom Schalter der Zulassungsstelle ab und drückte ihren Stundenplan an die Brust. Die Schlange der Studenten hinter ihr, die sich ebenfalls anmelden wollten, war lang. Sie sahen gelangweilt und müde aus. Keiner schien so elektrisiert zu sein wie sie. Vielleicht, weil die meisten von ihnen Stipendien oder finanzielle Unterstützung bekamen oder Eltern hatten, die für ihr Studium aufkamen.

      Eva hatte das alles nicht. Sie hatte jeden Cent selbst verdient, mit dem sie gerade das College bezahlt hatte. Es hatte drei Jahre gedauert, aber sie hatte es geschafft. Sie hatte genug für ihr erstes College-Semester verdient. Und zwar nicht nur für Online-Kurse. Nein, sie würde auf einem richtigen Campus unterwegs sein. Und es war auch nicht nur ein paar Kurse an einer Volkshochschule. Nein, das hier war ein richtiges College.

      Sie wollte nicht etwas Besseres sein. Gut, im Grunde war sie das. Zum ersten Mal in ihrem Leben gehörte sie zur Elite. Sie wünschte sich nur, dass ihre Eltern sie sehen könnten. Irgendwie wusste sie, dass sie auf sie herabblickten und vor Stolz strahlten.

      Sie hatte es geschafft. Sie hatte ihren Traum wahr gemacht. Ihre Eltern hatten ihr vom ersten Tag im Kindergarten an gesagt, dass Bildung der Schlüssel zu ihren Träumen war. Mit einer guten Ausbildung war alles möglich.

      Eva wusste nicht genau, was sie mit ihrem Studium anfangen wollte. Sie wusste nur, dass sie studieren wollte. Sie liebte es, zu lernen und in einem Klassenzimmer zu sitzen, während der Lehrer vorn an der Tafel wunderbare Dinge erklärte.

      Die vergangenen drei Jahre nach ihrem Schulabschluss waren ihr so trist vorgekommen. Doch bald würde sie wieder an einem Pult sitzen, wo sie hingehörte. Und dann war alles möglich.

      Eva stieg in den Stadtbus und machte sich auf den Weg nach Hause. Ihr Zuhause befand sich nicht in den hübschen Stadthäusern rund um den Campus. Es befand sich auch nicht in einem der schicken Wohnungen im Geschäftsviertel. Nein, ihr Zuhause war ein heruntergekommener Wohnblock in dem alles andere als angesagten Viertel der Stadt, in dem die Menschen für Löhne arbeiteten, die oft unter dem gesetzlichen Minimum lagen.

      Der Bus fuhr nicht bis zu ihrem Wohnblock. Eva stieg bei der Kirche aus. In den vergangenen Monaten, seit sie hierhergezogen war, war sie ein paarmal hier gewesen. Wo auch immer Eva hinzog, sie suchte sich stets eine Kirche in der Nähe ihrer Wohnung. Selbst wenn sie sonst niemanden in der Umgebung kannte – in einer Kirche fühlte sie sich immer zuhause.

      „Guten Abend, Ms. Lopez.“

      Beim Klang der bekannten Stimme drehte Eva sich um. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie den älteren Mann sah. „Hallo, Pastor Patel!“

      Eva ging hinüber und um ihm die Hand zu schütteln. Doch der Pastor ignorierte ihre Hand und schloss sie herzlich in die Arme. Eva nahm dies dankbar an. Pastor Patels Umarmungen fühlten sich so an wie die, mit denen ihr Vater sie früher in die Arme geschlossen hatte.

      „Ich habe Sie einige Wochen nicht gesehen“, sagte der Pastor mit leicht mahnendem Unterton.

      „Ich habe ein paar Extraschichten eingelegt, um mehr Geld zu verdienen. Aber ab jetzt werden Sie mich häufiger sehen. Ich werde an den Wochenenden mehr Zeit haben. Ich habe es geschafft! Ich habe mich am College eingeschrieben.“

      „Oh, meine Liebe, ich freue mich so sehr für Sie.“ Er strich ihr so liebevoll über ihre Schulter, wie es ihre Mutter immer getan hatte. „Aber ich wünschte wirklich, Sie hätten die Unterstützung

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