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Vater auch eingeschärft, dass man keine Almosen annahm. Wenn man etwas haben wollte, arbeitete man dafür. Was man entbehren konnte, gab man der Kirche und den noch Ärmeren. Und bei allem anderen verließ man sich auf die Familie. Das war die Philosophie, nach der ein Lopez lebte.

      „Da Sie nun eine Studentin sind“, meinte Pastor Patel, „wären Sie bereit, morgen den Jugendlichen in unserer Kirche ein wenig von sich zu erzählen?“

      Eva zögerte. Sie war nicht sicher, ob es schon etwas gab, was sie anderen beibringen konnte. Sie fand es schwer genug, ihre eigenen Geschwister dazu zu bringen, einen Rat von ihr anzunehmen. Doch sie wusste, dass Pastor Patel kein Nein akzeptieren würde. Also stimmte sie zu. Nach einer weiteren Umarmung ließ er sie gehen.

      Mit zügigen Schritten eilte Eva die Straße hinunter. Es war offensichtlich, warum der Bus nicht bis zu ihrem Viertel fuhr. Auf der Straße lagen Glasscherben. Ein beißender Gestank drang aus einigen Gassen. Männer lungerten an den Straßenecken herum, obwohl es erst Nachmittag und noch lange nicht Feierabend war. Einer dieser Männer war ein wenig zu klein, um wirklich schon als Mann zu gelten.

      „Carlos!“, rief Eva.

      Der Junge drehte sich nicht um, aber sie wusste, dass er sie gehört hatte.

      Eva marschierte zu ihrem Bruder hinüber. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht seine Hose hochzuziehen, die um sein Gesäß schlenkerte. Wo war der Gürtel, den sie ihm erst letzten Monat gekauft hatte? Mit einem argwöhnischen Blick drehte er sich zu ihr um. Die Jugendlichen um ihn herum begannen zu kichern.

      „Ich hänge nur mit meinen Freunden rum“, sagte er.

      „Schön, und jetzt kommst du mit nach Hause und machst deine Hausaufgaben.“

      Die Jungen kicherten noch mehr.

      „Geh nur mit deiner feinen Schwester, Kleiner. Wenn du mit deinen Hausaufgaben fertig bist, habe ich einen echten Job für dich.“

      Eva schaute den Rowdy scharf an. Aber ihr böser Blick funktionierte nur bei Familienmitgliedern.

      Carlos folgte seiner Schwester. Sie wusste, dass sie ihn blamiert hatte. Aber sollten diese Jungs nur denken, er sei ein Mutter- oder vielmehr Schwesternsöhnchen. Sie schädigte gern seinen Ruf, wenn sie ihn damit vor einem Leben auf der Straße bewahren konnte.

      „Auf der Straße herumzuhängen, bringt dich nirgendwohin“, sagte sie, nachdem sie die Straße überquert hatten.

      „Und die Schule schon? Guck dir an, wohin es dich gebracht hat.“ Carlos hob die Hände und deutete damit auf die Gegend, in der sie wohnten. Alles, was sie sah, waren verschiedene Brauntöne – von den Häusern um sie herum über die Erde auf der Straße bis zum Dreck in den Gesichtern der Kinder.

      „Das wird sich bald ändern“, sagte Eva. „Ein Collegeabschluss hilft einem, hier rauszukommen. Du wirst schon sehen.“

      Das Problem war, dass es mindestens zwei Jahre dauern würde, bis er sehen würde, dass sie mit ihren Argumenten recht hatte. Sie hoffte einfach, dass die Zeit ausreichen würde, um es ihm zu beweisen. Und in der Zwischenzeit würde sie nicht zulassen, dass sie ihren kleinen Bruder an die Straße verlor.

      Kapitel Drei

      Fran parkte den Truck vor seinem Haus. Es war ein einstöckiges Haus mit vier Zimmern, das sich in eine Ecke der Ranch schmiegte. Als er auf die Ranch gezogen war, hatte er sich hier niedergelassen. Vor einem Jahr war er als Erster hier angekommen, nachdem sie alle aus dem Dienst entlassen worden waren. Er hatte gedacht, sie würden alle zusammen in diesem Haus wohnen. Aber als nach und nach auch die anderen Männer mit ihren Schmerzen und Wunden auf der Ranch eintrudelten, wollte jeder von ihnen lieber für sich sein.

      Dylan hatte das Häuschen mit den zwei Zimmern neben Frans Haus genommen. Reed, Sean und Xavier hatten sich in den kleinen Reihenhäusern am Ende des Weges niedergelassen.

      Fran betrachtete das Haus, das nun ein Jahr lang sein Zuhause gewesen war. Es war ein schönes Haus, aber eigentlich viel zu groß für ihn. Er vermutete, dass einer der anderen Männer hier einziehen würde, sobald er eine Frau gefunden hatte. Ja, vielleicht würden sie sogar eine Familie gründen und all die Zimmer füllen.

      Das war ein weiterer Traum, der sich für Fran nie erfüllen würde. Er konnte sich nicht vorstellen, ein Kind in diese Welt zu setzen. Nicht, wenn er nicht da sein würde, um es aufwachsen zu sehen und sich um es zu kümmern. Nicht, wenn er seine Frau mit der Verantwortung allein lassen würde. Das war einfach nicht seine Art.

      Er würde bald packen müssen. Aber nicht heute. Heute musste er nur nach den anderen Männern sehen und dafür sorgen, dass sie auf dem Weg in Richtung Hochzeit unterwegs waren, damit sie auf der Ranch bleiben durften.

      Die Tür von Dylans Haus öffnete sich und ein Bellen und Kläffen ergoss sich über die Schwelle, bevor ein Mensch heraustrat. Die erste, die aus dem Haus stürmte, war Star, eine Mopshündin, die auf dem Rücken mehrere kahle Stellen hatte. Die Hündin neigte dazu, seitwärts zu laufen, als wolle sie ihre Unvollkommenheit vor anderen verbergen.

      Direkt hinter ihr kam Stevie, ein halbblinder Rottweiler mit einem wunderschönen schwarz-braunen Fell. Der Rüde hielt seine Nase dicht an Stars Hinterteil geheftet, damit sie ihm den Weg wies.

      Sugar, der Golden Retriever, kam langsam aus dem Haus getrottet. Als er Fran wahrnahm, hob er sofort den Kopf. Auch Frans Stimmung wurde gleich besser, als er den Hund sah. Hund und Mensch eilten aufeinander zu. Von außen betrachtet wirkte Sugar wie ein völlig gesunder Hund. Doch der Goldie hatte Diabetes, wodurch er bisweilen etwas langsamer unterwegs war als die anderen.

      Fran beugte sich hinunter und kraulte den Kopf des Hundes. Die beiden hatten sich in den vergangenen zwei Wochen, seit die Hunde auf der Ranch lebten, miteinander angefreundet. Diabetes bei Hunden war hart, hieß aber nicht, dass ihr Leben zu Ende war. Maggie, Dylans Frau, kümmerte sich liebevoll um ihre Hunde, von denen alle ein Handicap hatten. Daran sahen auch die Veteranen, dass ihre Wunden kein Hindernis für Liebe sein mussten.

      „Da bist du ja wieder.“

      Fran schaute auf und sah Dylan, der gerade die Stufen von der Veranda seines Hauses herabkam. Er hielt einen Hund in seinen Armen. Spin, ein Irish Terrier, hatte vor ein paar Wochen seine Hinterbeine verloren. Dylan setzte den Hund auf den Boden und befestigte eine Art Rollstuhl an dessen Hinterteil.

      Als Dylan sich wieder aufrichtete, fiel Frans Blick auf die Beinprothese seines Kameraden. Es war ein ungewöhnlicher Anblick. Normalerweise trug Dylan lange Hosen, um das Fehlen seines Beins zu verbergen. Doch seit er geheiratet hatte und so angenommen wurde, wie er war, hatte er angefangen, kurze Hosen zu tragen, so dass seine Prothese für alle zu sehen war.

      „Wie war‘s?“, fragte Dylan. „Was hat der Arzt gesagt?“

      Bevor Fran antworten konnte, steckte Maggie ihren Kopf aus der Tür. Alle Hunde wandten sich ihr schwanzwedelnd und hechelnd zu. Auch Dylan drehte sich zu ihr um. Im Gegensatz zu den Hunden hing zwar seine Zunge nicht aus dem Mund, aber auch sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln.

      „Schatz, vergiss nicht, Sugars Medikamente mitzubringen.“

      Dylan schloss seine Frau in seine Arme und küsste sie irgendwo zwischen Wange und Nase. Maggie erwiderte die Umarmung lächelnd. Sie wandte den Kopf zur Seite und ihr Blick fiel auf Fran.

      Fran hatte eigentlich wegschauen wollen, doch seine Augen sogen die liebevolle Geste auf, die er vermutlich selbst nie erleben würde.

      „Oh, Fran, du bist zurück“, sagte Maggie. „Was hat der Arzt gesagt? Irgendeine Veränderung?“

      Das war noch ein Grund, warum Fran sich nicht vorstellen konnte, in einer Beziehung zu leben. Maggie war nicht einmal seine eigene Frau, und dennoch hatte sie Hoffnung in den Augen. Die Hoffnung, dass er auf wundersame Weise geheilt werden würde. Doch es war unwahrscheinlich, dass das je passieren würde. Er konnte von Glück reden, dass er überhaupt noch lebte.

      Fran schüttelte den Kopf und wappnete

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