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Comanchen Mond Band 2. G. D. Brademann
Читать онлайн.Название Comanchen Mond Band 2
Год выпуска 0
isbn 9783941485990
Автор произведения G. D. Brademann
Жанр Языкознание
Серия Comanchen Mond
Издательство Bookwire
Plötzlich kam Bewegung in diejenigen, die sich inzwischen an der Flussbiegung, wo Großmutter und Light-Clouds Tipis standen, eingefunden hatten. Einige Frauen machten Platz für Old-Antelope, der aufgeschreckt, schwer atmend, von Gray-Wolf gestützt, auf der Bildfläche erschien. Der alte Häuptling trug seine besten Sachen als Zeichen der Würde. Einen Rundblick auf seine Leute werfend, erfasste er die Situation wie ein Feldherr. Er brauchte zwar etwas Zeit dazu, auch um seinen Atem wieder zu beruhigen; dann aber ging er ohne fremde Hilfe auf Icy-Wind zu.
Der erwartete ihn in hochmütiger, aufrecht sitzender Haltung. Auch einem Häuptling gegenüber musste man nicht klein beigeben. Das Recht war auf seiner Seite; alles andere zählte für ihn nicht. Beide Männer maßen sich mit herausfordernden Blicken: Icy-Wind mit erhobenem Kopf und tief heruntergezogenen Mundwinkeln; Old-Antelope mit gerunzelter Stirn, ansonsten völlig ruhig. Ohne jeden Zweifel hielt er sich nur mit Mühe zurück. Gespannt warteten alle auf das, was nun kommen würde.
Old-Antelope befand sich in einer verzwickten Lage. Um noch zwischen den beiden zu vermitteln, war es bereits zu spät. Den Mann vor ihm in die Schranken zu weisen für das, was er seiner Frau angetan hatte, kam nicht in Frage. Ihn wegen des Durcheinanders hier zur Rede zu stellen, ebenfalls nicht. Das war ohne Bedeutung. Was also sollte er tun? Machte er jetzt einen Fehler, konnte ihn das seine Häuptlingswürde kosten. Old-Antelope war ein Mann von Format. Ihn brachte so leicht nichts aus der Ruhe. Außerdem hatte Gray-Wolf ihn rechtzeitig informiert, und so hatte er Zeit gehabt, alles zu überdenken. „Du solltest dich an die Regeln halten“, rief er daher mit seiner gutturalen, wohlklingenden Stimme. Nicht böse, nicht laut, eher belehrend. Seine Augen hatten sich dabei zu Schlitzen verengt. Das gab ihm ein gerissenes Aussehen, genau so, wie er war. Sein nächster Satz traf es auf den Punkt. „Wenn du schon kämpfen musst, dann, bitte schön, nicht hier.“ Mit einer alles umfassenden Geste wies er den Fluss hinauf und hinunter. „Der Frieden darf nicht gestört werden. Such dir einen Platz außerhalb der Reichweite unserer Heimstätten.“ Damit hatte Old-Antelope Prioritäten gesetzt, ohne sich eine Blöße zu geben. Der schlaue Fuchs verstand es immer wieder, genau das Richtige zu tun. Red-Eagle, der wie die anderen gespannt zuhörte, atmete erleichtert auf. Klug gehandelt, dachte er. So etwas konnte nur Old-Antelope.
Dann passierten zwei Dinge auf einmal: Zum einen öffnete sich der Eingang von Großmutters Tipi. Aber es kam nicht Light-Cloud heraus, sondern die alte Frau in ihrem besten Kleid. Sie verschränkte die Arme und starrte Icy-Wind von dort aus an. Der stieß seinem Mustang die Fersen in die Seiten und galoppierte hart auf sie zu. Zeitgleich erschien etwa 100 Pferdelängen entfernt – unterhalb des Geröllfeldes, direkt neben einer Senke – ein rotbraunes Pferd mit heller Mähne. Auf diesem Pferd, seine Lanze herausfordernd in die Luft haltend, saß Light-Cloud. Das kam für alle so überraschend, dass ein Raunen durch die Menschen, die sich inzwischen hier versammelt hatten, ging. Sie fragten sich, wie er das hatte fertigbringen können. Wann war er aus dem Tipi gehuscht? Wie war er für alle unbemerkt bis vor das Geröllfeld gekommen? Und wann hatte er sein bestes Kriegspony holen können? Jetzt schrie er etwas, aber der Wind verschluckte seine Worte.
Icy-Wind, der sein Pferd knapp vor Großmutter zum Stehen gebracht hatte, drehte sich ahnungslos um, den erstaunten Blicken der Umstehenden folgend. Ungläubig starrte er auf Light-Cloud. Im ersten Moment brachte ihn das etwas durcheinander; schließlich war er hier derjenige, der das Überraschungsmoment auf seiner Seite wusste, dann aber blickte er mit spöttischem Gesichtsausdruck auf die vor ihm stehende alte Frau. Absichtlich ließ er die Hufe seines Mustangs unmittelbar vor ihr in den Boden stampfen. Doch Großmutter wäre nicht Großmutter, wenn sie sich dadurch hätte einschüchtern lassen. Seinen Arm ausstreckend, schrie er sie an: „Du wirst mich nicht daran hindern, das zu tun, was ich tun werde. Dieser Mann dort sollte sich besser mit seiner ehebrecherischen Hündin in einer der Höhlen verkriechen, wie schon einmal. Wenn ich mit ihm fertig bin, dann bringe ich ihn dir – aufgespießt auf meine Lanze. Die Bussarde können ihn haben, ihn und diese mexikanische Hündin.“
Seine Rede machte nicht den geringsten Eindruck auf die alte Frau. „Ich habe nicht die Absicht, dich an etwas zu hindern. Und was Light-Cloud betrifft: Noch steckt er nicht auf deiner Lanze“, meinte sie mit herablassender Miene. „Wenn Dark-Night diese Nacht übersteht, will sie mit dir nichts mehr zu tun haben.“
Icy-Wind runzelte die Stirn. Diese Antwort war eine Frechheit. „Wenn sie glaubt, eine Wahl zu haben, irrt sie sich gewaltig.“ Die Wut kochte in ihm hoch, doch er sollte besser aufpassen, was er jetzt sagte.
Großmutter blickte ihn herausfordernd von unten herauf an. „Man hat immer eine Wahl – immer. Verstehst du? Sollte sie es überstehen, wird sie sie treffen. Und sicher nicht zu deinen Gunsten. Sie kommt nicht zu dir zurück.“
In Icy-Winds Gesicht begann es zu zucken. Belustigt betrachtete er die alte Frau, fühlte sich ihr überlegen.
Großmutter hob warnend einen Zeigefinger und schleuderte ihm ihre nächsten Worte entgegen: „Sie ist mit dir fertig. Du kannst dein Lager in Zukunft mit einer Klapperschlange teilen.“
Verhaltenes Gelächter erklang bei einigen in der Nähe stehenden Frauen. Sie hielten sich die Hände vor den Mund, damit niemand sehen konnte, dass sie heimlich grinsten. Was die alte Frau da eben gesagt hatte, war gegen jede Regel. Sie wagte etwas, was noch nie dagewesen war. Doch Großmutter war eine starke Persönlichkeit. Sie hatte sich noch nie von etwas abbringen lassen, was sie sich einmal vorgenommen hatte. Ihr eigentlich gutmütiges Gesicht sah auf einmal hart und unerbittlich aus. Forsch trat sie einen Schritt auf den Mustang zu. Ohne auf das Kommando seines Reiters zu warten, machte der Schecke einige Schritte rückwärts, um mehr Platz zwischen ihnen zu lassen.
Icy-Wind starrte sie ungläubig an. Er war wütend auf die alte Frau und wütend auf seinen Hengst.
Jetzt hatte Großmutter ihn da, wo sie ihn haben wollte. Sie kannte den Mann vor ihr mit all seinen Schwächen. Wie ein Messer in eine Wunde, so stachen ihre nächsten Worte zu. „Du hast eben gesagt, Light-Cloud soll sich mit deiner ehebrecherischen Hündin in eine der Höhlen dort verkriechen? Wir haben das alle gehört. Nun ja, du willst also keine ehebrecherische Hündin in deinem Tipi haben? Das kann hier jeder verstehen“, legte sie seine Worte in ihrem Sinne aus. Sie wusste, er würde keinen klaren Gedanken mehr fassen können, denn spätestens jetzt hätte er ihr widersprechen müssen. Doch er saß nur völlig sprachlos auf seinem Mustang.
„Diese ehebrecherische Hündin wird sich ein anderes Tipi suchen – verlass dich drauf“, kam die nächste Frechheit ungerührt von Großmutters welken Lippen. Sie sprach mit erhobener Stimme, so dass jeder sie hören musste. „Alle wissen, dass du sie zum Sterben im Canyon zurückgelassen hast. Damit hast du sie ja bereits verstoßen.“
Icy-Wind wollte jetzt dagegen protestieren, sie zurechtweisen, ihr ihren Irrtum unter die Nase reiben. Außer sich vor Wut öffnete er bereits den Mund, da sah er aus den Augenwinkeln die Zustimmung in den Gesichtern der Umstehenden. Es war die Wahrheit, was Großmutter zuletzt gesagt hatte. Er verstand die Welt nicht mehr – die Alte hatte ihn übertölpelt. Wann war ihm dieser Fehler unterlaufen? Er kam sich vor wie jemand, der weder vorwärts noch rückwärts konnte. Kam er aus dieser vertrackten Situation überhaupt noch unbeschadet heraus? Diese Frage raste ihm durch den Kopf, während er beobachtete, wie Old-Antelope einen wissenden Blick mit Red-Eagle und Gray-Wolf wechselte. Jeder hier wusste, dass eine von ihrem Mann verstoßene Frau keinerlei Versorgungsansprüche mehr an ihn stellen konnte und auf sich selbst gestellt war. Im schlimmsten Fall musste sie verhungern.
Icy-Winds Gedanken überschlugen sich. Nie hatte er vorgehabt, Dark-Night zu verstoßen. Das wäre eine viel zu geringe Strafe für sie gewesen; er wollte sie leiden sehen, jeden Tag, und damit Light-Cloud treffen. Noch immer hielt er sein Kriegspony auf der Stelle. Krampfhaft suchte er nach den richtigen Worten. Zurechtweisung, Beleidigung oder gar Richtigstellung, was auch immer –