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ob jemand an ein Kreuz genagelt würde. Gepeinigte Schmerzenslaute, die dem Innersten seiner Seele zu entspringen schienen. Da er vor dem Aufeinandertreffen mit seinen Bandkollegen noch nie gesungen hatte, wirkte seine Stimme wie eine gewaltige Gabe aus einer anderen Welt. Während andere Rocksänger Probleme mit dem Hals bekamen und sich Eingriffen unterziehen mussten, schienen Jims Stimmbänder nie wirklich in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Auch wenn er sich manchmal anhörte, als hätte er sich in die Kehle gegriffen und sie herausgerissen, um sie der ganzen Welt präsentieren zu können. Vermutlich verließ er sich beim Singen auf sein Zwerchfell, wozu einem auch Gesangslehrer raten.

      Seine drei musikalischen Nebenmänner – und es brauchte gleich drei von uns, um dem Elan dieser einen Person gerecht zu werden –

      durften sich glücklich schätzen, Jim den perfekten klanglichen Rahmen zu bieten, in dem er sich ideal bewegen konnte. Natürlich war das nicht nur reines Glück – Talent gehörte schon auch dazu. Als er uns zum ersten Mal a cappella „The End“ vortrug, hielt ich es für ein Abschiedslied für eine Verflossene. Aber im Verlauf der Zeit, als wir es in den Clubs spielten, breitete sich der Mittelteil wie eine riesige Leinwand vor ihm aus, auf der sich Jim so richtig austoben konnte. Man konnte richtig die Liebe und Wonne spüren, die er empfand, als er sich voll und ganz dem Klangteppich des Gitarren-Drones, den gehaltenen Orgeltönen und dem grenzsprengenden Groove hingab. Ich hörte auf meine Eingebung und nahm die Snare-Trommeln ab, die einen typischen Rock-Sound verbreiten. Stattdessen spiele ich einen düsteren, stimmungsvollen Sound auf den Toms. Jim fühlte sich wohl und sicher genug, um sein Unterbewusstsein zu entfesseln und seine tiefgründigen, mitunter auch düsteren Gedanken mit der Welt zu teilen. Er brachte auf diese Weise die urwüchsigen, sexuellen und ödipalen Aspekte unser aller Psychen ans Tageslicht.

      The blue bus is callin’ us

      Driver where you takin’ us?

      Meet me at the back of the blue bus,

      Doin’ the blue rock, on a blue bus … yeah.

      Obwohl ich manche von Jims Texten nicht verstand, stellte ich sie nicht infrage. Ich konnte sie spüren – und sie fühlten sich richtig an. Mein Freund Robert Bly, ein amerikanischer Dichter, sagte einmal zu mir, dass er mitunter in seinen Gedichten Zeilen schrieb, die er zwar selbst nicht ganz begriff, die aber auf der Gefühlsebene ihre Berechtigung besaßen. Vom Sound quasi eingehüllt, brachte Jim jene archetypischen Unterströmungen zum Ausdruck, die uns alle, obwohl wir uns dessen in der Regel nicht bewusst sind, miteinander verbinden. Doch manchmal schien Jim seine Poesie auch nicht weiter zu analysieren und einfach loszulegen.

      Ride the snake, to the lake, the ancient lake,

      The snake he’s long, seven miles, he’s old

      And his skin is cold, baby.

      Wir ließen uns mit Jim auf ein Risiko ein, trafen ihn „at the back of the blue bus / Doin’ a blue rock“. Und dafür werden wir ihm für immer dankbar sein. Der Sound, der von hinten aus dem Bus drang, war sehr tiefgründig. Er vermittelte Urängste, Urgelüste und alles, was dazwischen lag.

      Als ich begriff, dass Jim sich im rasanten Sinkflug befand, zog ich mich als Freund aus Selbstschutz zurück. Klar, sobald wir der Wiege entwachsen sind, halten wir bereits Kurs auf unser Grab, doch ich wollte, dass meine eigene Reise gemächlicher verlief. Ich war davon ausgegangen, dass wir uns vielleicht für ein Jahrzehnt oder so würden halten können, doch ich hatte ja keine Ahnung, dass unser Leadsänger sich in einen Schaltkreis konzentrierter, allumfassender Klangschwingungen eingeklinkt hatte, der Schallwellen aussendete, die man auch heute noch, 50 Jahre später, vernehmen kann.

      Wynton Marsalis, von dem mit Blood on the Fields die erste Jazz-Komposition stammt, die den Pulitzer-Preis gewann, beschreibt Musik als „unsichtbare Kraft“. Ich bin stolz darauf und dankbar dafür, dass ich mit den Doors zum Sound beitragen durfte. Angetrieben von Jims Elan, unterstützten wir ihn dabei, das Konzert aus seinem Kopf herauszuholen und hinaus ins Universum zu entsenden. „Light My Fire“ wurde 1972 im Rahmen der Apollo-17-Mission gespielt. Unlängst erst wurde unser erstes Album in die Library of Congress aufgenommen. Also fand Morrisons Botschaft ihr Publikum. Ich bin mir sicher, dass Jim sehr stolz darauf ist.

      VI.

      Emil Richards

      * * *

      Gute Schwingungen

      Musik beruht auf Vibration.

      Emil Richards, der zu den beliebtesten Musikern zählt, die jemals auf Erden weilten, hat mit allen gespielt. Damit meine ich wirklich mit jedem – von Frank Sinatra über George Harrison bis hin zu Ravi Shankar. Seine musikalische Präsenz schmückte sämtliche Genres.

      Zum ersten Mal traf ich ihn im Shelly’s Manne Hole, jenem Jazzclub in Hollywood, in dem ich auch Coltrane gesehen habe. Tatsächlich sah ich alle Größen dort – und Emil zählte auch dazu. Er spielte dort das Vibraphon mit dem Paul Horn Quintet, einer Gruppe, der auch Miles Davis huldigte. „Paul Horn spielt sein Instrument so, wie sich das gehört“, lobte ihn der Trompeten-Großmeister. Der Altsaxofonist erwiderte das Kompliment. „Miles versteht es, auf den richtigen Augenblick zu warten. Er spielt keine Noten, solange er damit nicht etwas aussagen will. Aber wenn es soweit ist, spricht er die Wahrheit.“

      Das Paul Horn Quintet spielte diese hastigen Jazz-Walzer-Tempi, von denen ich als Teenager gar nicht genug bekommen konnte. Ich drosch stundenlang auf die Felle ein, im Bestreben, diesen speziellen 3/4-Takt-Groove nachzuahmen. Wenn Emil ein Solo vom Stapel ließ, war das, als ob er einen Toast mit Butter bestreichen würde. Er lehnte sich dann ein wenig nach links oder rechts und glitt äußerst behände und dynamisch mit seinen Schlegeln über das metallene Vibraphon. Gleichzeitig schien sein Spiel jeglicher Anspannung zu entbehren. Doch was letztlich spielerisch und einfach wirkte, so fand ich heraus, war das Resultat jeder Menge harter Arbeit. Es ist ganz egal, welcher Kunstform man sich verschrieben hat – der Malerei, der Musik, der Schauspielerei –, sie alle erfordern jahrelange Übung.

      Jahre nachdem ich Emil Richards Jazz spielen gesehen hatte, begab ich mich auf einen einmonatigen Meditations-Urlaub zum Maharishi. Zu meiner großen Freude traf ich dort auf Paul Horn und Emil. Am Ende dieser Einkehr gab es eine Jam-Session. Mehrere Blues- und Rockmusiker zogen ihr Ding durch, als schließlich Paul und Emil die Bühne betraten. Nun war auch mein Zeitpunkt gekommen. Mein Herz pochte heftig, als ich mich ebenfalls auf die Bühne begab und mich zum Schlagzeuger beugte, um ihm zu sagen: „Ich kennen die Nummern, die sie spielen werden.“ Er reichte mir die Sticks.

      Ich gab einen flott gespielten ¾-Takt vor und schon spielten wir „Fun Time“. Ich war überzeugt, dass das, was meine Hände da taten, zum Sound passte. Emil bestätigte mir das, indem er sich zu mir umdrehte und mir mit dem Daumen nach oben seine Zustimmung vermittelte. Er grinste übers ganze Gesicht. Dieser Augenblick ist mir auch heute noch gegenwärtig, obwohl es schon 50 Jahre her ist. Ich zehre immer noch davon. Dieser junge Schlagzeuger in seinen Zwanzigern spielte hier mit zwei seiner Helden und sie reagierten mit Zustimmung.

      Es vergingen daraufhin wieder ein paar Jahre. George Harrison tourte inzwischen mit einer Gruppe von ausgezeichneten Rockmusikern und Ravi Shankar, dem phänomenalen indischen Sitar-Spieler. Ravi wiederum begleitete ein kleines Ensemble von indischen Musikern. Emil spielte mit beiden Gruppen. Um in der Lage zu sein, diese ausgefuchsten Raga-Rhythmen zu spielen, musste man es schon draufhaben – ein weiteres Beispiel für seine Vielseitigkeit. Mittlerweile hatten wir uns angefreundet und ich genoss es, seinen vielen Anekdoten über all die Größen, die er in seinem Leben getroffen hatte, lauschen zu dürfen: „Einmal, als ich mit Frank [Sinatra] auf Tour war, fragte er mich, was es mit dem Namen Emil auf sich hätte. ‚Du heißt doch Emilio, stimmts?‘ Ich antwortete ihm: ‚So ist es,

      Mr. Chairman!‘“

      Der langjährige Studiotechniker der Doors, Bruce Botnick, war dazu übergegangen, große Sinfonie-Orchester für Filmmusik-Produktionen aufzunehmen. Er lud mich zu einer Session ein. Der berühmte Filmkomponist Jerry Goldsmith stand gerade hinter der Konsole, als ich den Regieraum des Studios betrat. Bruce stellte mich der weißhaarigen Legende mit dem Pferdeschwanz vor. Goldsmith gab sich freundlich, hatte

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