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wurden: Eine Person handelt sozial bzw. kommunikativ, denn sie will einer anderen etwas Bestimmtes (hier: eine Geheimbotschaft) mitteilen. Anlass dafür ist das Interesse an der Deeskalation eines Konflikts. Kommunikative Interaktion liegt vor, weil auch diejenige Person, an welche die Botschaft gerichtet ist, kommunikativ in Richtung auf den Sender der Botschaft handelt: Sie will die Mitteilung empfangen – also die Bedeutungsinhalte „mit dem Sender teilen“ – und sie tut dies (so wurde oben unterstellt) aus demselben Interesse heraus. Aber auch für den Fall unterschiedlicher (womöglich sogar divergenter) Interessen liegt wohl eine kommunikative Interaktion vor.

      Daraus lässt sich schlussfolgern: Gelingende menschliche Kommunikation setzt voraus, dass (mindestens zwei) Personen ihre kommunikativen Handlungen wechselseitig aufeinander richten und damit das Zustandekommen von Kommunikation aktiv versuchen. Der interaktive Charakter von Kommunikation impliziert also: Einer Mitteilungshandlung auf der Senderseite (A) muss eine Verstehens-Handlung auf der Empfängerseite (B) entsprechen.11

      Abb. 2: Kommunikation als Verständigungsprozess (eigene Darstellung)

      Allerdings ist auch vorstellbar, dass diese Kommunikationsversuche trotz gegenseitiger Bemühungen nicht gelingen und damit erfolglos bleiben.

      Etwa dann, wenn der·die Übermittler·in der Geheimbotschaft eine Sprache bzw. einen Code verwendet, die bzw. den der·die Empfänger·in nicht verstehen bzw. entschlüsseln kann. Aber selbst wenn der·die Empfänger·in die Botschaft versteht, kann es sein, dass dies nicht zur Deeskalation des führt.

      Wechselseitig aufeinander gerichtete Kommunikationsversuche sollten also „erfolgreich“ sein, damit man von „Kommunikation“ sprechen kann. Doch ab wann sollen Kommunikationsversuche als „erfolgreich“ begriffen werden? Die oben eingeführte analytische Trennung von zwei Ebenen kommunikativen Handelns hat Kommunikationserfolg in zweierlei Hinsicht identifizierbar gemacht: Verständigung wurde als allgemeiner und Interessenrealisierung als spezieller Kommunikationserfolg begriffen.

      Im Alltagsverständnis vermischen sich diese beiden Ebenen häufig12, im vorliegenden Kontext ist es jedoch (abermals) angemessen, sie auseinanderzuhalten: Sinnvoll erscheint, bereits die erfolgreiche Realisierung der allgemeinen Intention kommunikativen Handelns (jemandem etwas mitteilen zu wollen), also das Erreichen von Verständigung zwischen den jeweiligen Kommunikationspartner·innen, als „Kommunikation“ gelten zu lassen. Zum einen deshalb, weil es dabei um das (oben eingeführte) konstante Ziel kommunikativen Handelns geht, und zum anderen, weil das (pro Kommunikationsakt) variable Ziel der Interessensrealisierung genau genommen bereits die Konsequenzen kommunikativen Handelns fokussiert und damit über den unmittelbaren Kommunikationsakt hinausreicht.

      Was das Beispiel mit der Geheimbotschaft betrifft: Sobald das Verstehen bzw. die Entschlüsselung der Botschaft auf Empfangsseite geklappt hat, scheint es sinnvoll, von „Kommunikation“ zu sprechen. Und zwar unabhängig davon, ob sich im Anschluss daran als Konsequenz dieser Botschaft die Deeskalation eines Konflikts verhindern lässt oder nicht.

      Begreift man Kommunikation in diesem Sinn als Verständigungsprozess, dann meint man damit also den wechselseitig vollzogenen Vorgang der Bedeutungsvermittlung. Eine versuchte Bedeutungsvermittlung ohne ein derartiges Ergebnis gilt als misslungener Akt des Kommunizierens (Reimann 1968: 75), aber eben nicht als Kommunikation. Kommunikation ist somit als ein Begriff anzusehen, „den man genaugenommen nur ex post, nach Vollzug des Kommunikationsaktes verwenden kann. Ex ante lässt sich allenfalls ein Kommunikationsvorsatz oder -versuch feststellen, denn die Verständigung kann ja ausbleiben“ (Schulz 1971: 90).

      Dies ist nach all dem bisher Gesagten ein konsequentes, aber auch ein radikales Verständnis von Kommunikation. Schulz selbst wendet später sogar ein, ob mit der Festlegung von Verständigung als gemeinsames Ziel beider Kommunikationspartner nicht „eine Antwort vorweggenommen (wird), wo eigentlich eine Frage angebracht wäre“ (2002: 172), die für die Erforschung von Kommunikation essentiell sei. Nämlich die Frage, inwieweit die jeweiligen Intentionen der Kommunikationspartner übereinstimmen und wie sie verwirklicht werden?

      Mit der (analytischen) Trennung der beiden Ebenen kommunikativer Intentionalität scheint dieser Einwand allerdings obsolet: Wechselseitige Verständigung (als Erfolgskriterium geglückter Kommunikation) ist ja ausschließlich auf der übergeordneten, „allgemeinen“ Ebene von Intentionalität (als konstantes Ziel kommunikativen Handelns) angesiedelt. Auf der untergeordneten, „speziellen“ Ebene von Intentionalität (wo es um das variable Ziel der Realisierung jeweils individueller, situationsspezifischer Interessen geht), bleibt ausreichend Raum für Fragen dieser Art.

      Dennoch könnte die Entscheidung, Verständigung als übergeordnetes, allgemeines Ziel kommunikativen Handelns zu begreifen, Zweifel wecken und Widerspruch provozieren.13 Steht denn „wirklich“ – so wäre einzuwenden – Verständigung auf dem Plan, wenn z. B. in verkaufsfördernden Produktwerbungen oder im Rahmen politischer Wahlkämpfe gezielt auf Beeinflussungsmechanismen gesetzt wird? Wollen die Kommunikationsstrateg·innen in solchen Fällen Verständigung nicht sogar verhindern, also das genaue Gegenteil erreichen? Kalkulieren sie nicht damit, dass ihre Manipulationsversuche bzw. die eingesetzten Taktiken der Überredungskommunikation gerade nicht entlarvt und daher ausdrücklich nicht „verstanden“ werden?

      Die Antwort lautet: Auch in solchen, mit Intransparenz kalkulierenden Kommunikationssituationen ist ein auf Verständigung hin orientiertes Handeln seitens der Kommunikator·innen eine conditio sine qua non. So müssen die Empfänger·innen von Produktwerbung zunächst wenigstens ansatzweise begreifen, welche Produktvorzüge im Detail beworben werden14, sie müssen im Fall von politischer Werbung erst einmal gedanklich erfassen, welchen Standpunkt ein·e Politiker·in im Wahlkampf propagiert etc. Die Produktwerber·innen und die politischen Werbestrateg·innen sind also unumgänglich darauf angewiesen, wenigstens ein Mindestmaß an Verständigung realisieren zu können – und dies zu bewerkstelligen, muss daher zuallererst auf ihrer Agenda stehen.

      In den Fokus gerät damit freilich der Begriff von Verständigung selbst, der über eine semantische Bandbreite verfügt, die fraglos einer tiefergehenden Diskussion bedarf (vgl. neuerlich Burkart 2013a). Dies wird im vorliegenden Buch auch noch ausführlich geschehen. Nebenbei: Der Soziologe Niklas Luhmann hat im Zusammenhang mit der Verstehensproblematik seinerzeit sogar die „Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation“ (1993: 25) in den Raum gestellt. Zugleich hielt er aber auch fest, dass „wir sie jeden Tag erleben, praktizieren und ohne sie nicht leben würden“ und dass es deshalb gelte, diese „unsichtbar gewordene Unwahrscheinlichkeit“ (ebd.: 26) zu begreifen. – Die vorliegende Auseinandersetzung mit dem Kommunikationsbegriff versteht sich (auch) als ein Beitrag dazu.

      In der bisherigen Reflexion zum Begriff Kommunikation wurde allerdings eine Besonderheit des Kommunikationsprozesses unausgesprochen vorausgesetzt, die nunmehr explizit zum Thema gemacht werden soll.

      Schon in der eingangs zitierten Definition von Kommunikation als Prozess der Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen ist implizit darauf hingewiesen, dass Kommunikation bzw. kommunikatives Handeln stets einer Instanz bedarf, über die das zwischen den Kommunikationspartner·innen Geschehende abläuft. Als eigentlicher Träger der jeweiligen Mitteilung ist eine derartige Vermittlungsinstanz – fachspezifisch formuliert: ein Medium – unbedingter Bestandteil eines jeden Kommunikationsprozesses.

      Das Wort Medium lässt sich im Deutschen bis ins 17. Jhdt. zurückverfolgen (Hoffmann 2002: 24). In Meyers Konversationslexikon von 1888 wird es mit einer in unserem Kontext durchaus passenden Übersetzung (aus dem Lateinischen) eingeführt: „Mitte, Mittel, etwas Vermittelndes“ (Faulstich 1991:

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