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erst drei Tage später testen gekommen. Die Was-wäre-wenn-Gedanken haben mich fertiggemacht“, erzählt sie. Was sich auch an ihrer Arbeit veränderte, war, dass es Besucher*innen eine lange Zeit nicht gestattet war, ihre Angehörigen im Krankenhaus zu besuchen. „Ich fand es gut, wir konnten uns besser auf unsere Arbeit konzentrieren, und die Patient*innen konnten sich besser regenerieren“, sagt sie. Sowohl das Pflegepersonal als auch die Abteilungshelfer*innen sprechen jetzt mehr mit den Patient*innen, um ihnen die Einsamkeit zu nehmen.

      Wenn es Vesna mal zu viel wird, geht sie im Wald spazieren. „Ich tanke Kraft und Energie für alles Weitere, sammle Pilze und bringe etwas zum Essen nach Hause. Ich musste das letztes Jahr öfters machen“, verrät sie mir.

      Vesna ist mit ihren zwei Töchtern und ihrem Mann in Österreich, doch ihre Großfamilie lebt in Kroatien. Normalerweise fährt sie mehrmals im Jahr auf Besuch. „Ich mache mir große Sorgen um sie, meine Eltern sind schon sehr alt. Ohne das Internet wäre es nicht zu ertragen“, erzählt sie.

      Im Sommer 2020 wurden die Grenzen geöffnet, und Vesna besuchte ihre Familie, doch sie musste auch Urlaub für die Quarantäne miteinberechnen, bevor sie ihre Arbeit im Krankenhaus wiederaufnehmen konnte. Die Feiertage zu Weihnachten fielen ihr besonders schwer. „Ich bin seit dem Jahr 2000 in Wien, und das waren meine ersten Weihnachten hier. Na, es war schon schön mit den Kindern, aber am Abend habe ich geweint, weil ich meine Familie vermisst habe“, erzählt sie. Mit der Impfung hätte Vesna zwar nach Kroatien ausreisen, aber nicht nach Österreich einreisen können, ohne in Quarantäne zu gehen. Da sind die Regelungen sehr unterschiedlich.

      „Von der Politik kam nur wenig Unterstützung, wir haben nur 350 Euro Zuschlag bekommen“, erzählt sie. Vesna ist im Betriebsrat und spricht viel mit den Kollegen*innen in den anderen Abteilungen. „Bei allen ist die Arbeit nicht weniger geworden. Ich sehe auch die Arbeit der Reinigungsdamen. Manche haben gute Ausbildungen, aber ihnen fehlt die Sprache und die Möglichkeit, sich fortzubilden“, sagt sie, denn auch für sie war es nicht einfach. „Die Sprache lernte ich durch die Arbeit, denn Sprachkurse gab es keine“, erzählt sie.

      Ihr ging es genauso wie meiner Oma, die jung nach Österreich zu ihrem Mann kam und sich Deutsch erst durch den Umgang mit Menschen aneignete.

      „Ohne Reinigungsdamen kann ein Spital nicht funktionieren.“

       Das Monatseinkommen unserer Systemheld*innen

      Durchschnittliches Einkommen, Angaben netto. Ausgerechnet jene Gruppen, in denen der Frauenanteil am höchsten ist, verdienen in als „systemrelevant“ eingestuften Berufsgruppen im Schnitt weniger als der Durchschnitt in Österreich.

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       Quelle: AK, Arbeitsbedingungen in systemrelevanten Berufen / Momentum Institut

      KOMMENTAR

      İnci Ardıç – Psychotherapeutin in Privatpraxis

      und Lektorin an der Sigmund-Freud-Universität, Wien

      Noch nie mussten wir uns so sehr mit Unsicherheiten auseinandersetzen wie während dieser Pandemie. Bei vielen Menschen führte das zu Stressreaktionen: Gereiztheit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen und vieles andere mehr sind körperliche Symptome davon, die sich auf die Leistungsfähigkeit und das mentale Wohlbefinden auswirken. Doch bei einigen Menschen kommt noch die Migrationserfahrung als Stressfaktor dazu.

      Als Psychotherapeutin habe ich viele Jahre in einem psychosozialen Gesundheitsinstitut in Wien gearbeitet, hauptsächlich mit Frauen mit Migrationshintergrund. Minderheitsgruppen sind oft mit komplexen Traumata, körperlicher und psychischer Gewalt und sozioökonomischen Problemen konfrontiert, wie zum Beispiel sprachlichen und bürokratischen Barrieren, Arbeitslosigkeit, reduzierte soziale Unterstützung, Krise der Identität und der Zugehörigkeit. Durch Covid-19 kamen bereits existierende finanzielle Schwierigkeiten, frühere Traumata und emotionale Verletzlichkeit an die Oberfläche und vervielfachten die Frustration und Angst vor dem Ungewissen.

      Wenn dieser Stress schlecht verarbeitet wird, führt er zu einer dauerhaften emotionalen Belastung, begleitet von vielen psychosomatischen Symptomen, denen ich bei meinen Klient*innen begegne. Auch die kollektive Zugehörigkeit litt unter der Pandemie. Wichtige Rituale, kulturelle Zusammenkünfte fielen aus, der Sinn für Solidarität und Gemeinschaft ist unter der Bevölkerung mit Migrationserfahrung höher und tiefer mit dem Identitätsgefühl verbunden. Die soziale Distanzierung war somit eine der größten Schwierigkeiten. Familien sind es gewohnt, regelmäßig zusammenzukommen, das wird von den Älteren wie auch von den Jüngeren erwartet. Durch die gesellschaftliche Veränderung in der Zeit der Pandemie fühlten sich viele Ältere verlassen. Die jüngere Generation erlebte einen Konflikt zwischen Verantwortungsbewusstsein und Schuldgefühlen. Die jungen Menschen wollten die Älteren vor dem Virus schützen und sahen sich mit beleidigten, enttäuschten Großeltern konfrontiert. Ein weiteres bedeutendes Problem betraf die Mütter, egal ob alleinstehend oder mit Partner, egal ob berufstätig oder nicht. Die Kinderbetreuung wird in solchen Communitys auf verschiedene Familienmitglieder aufgeteilt, da blieb das Familienbetreuungssystem aus. Es entstanden organisatorische Herausforderungen, und das Gefühl des Verlassenseins kam auf. Besonders für alleinerziehende Mütter war die soziale Distanzierung ein großes Problem, sie sahen sich mit Hilflosigkeit und, in Bezug auf das Distance Learning der Kinder, dem Gefühl der Begrenztheit konfrontiert. Dies war darauf zurückzuführen, dass sie arbeiten mussten und ihnen die Unterstützung fehlte, oder ihre sprachlichen Kenntnisse und ihr Bildungsabschluss nicht ausreichten, um den schulischen Anforderungen der Kinder gerecht zu werden. Für viele Familien mit Migrationserfahrung ist Bildung der zukünftigen Generation ein wichtiges Thema. Sowohl das Home Schooling als auch die Unvorhersehbarkeit der Schulöffnung bedeutete für Alleinerzieher*innen zusätzlichen Stress und Sorge um die Zukunft der Kinder und Jugendlichen.

      Bei den jüngeren Generationen sah ich, dass sich durch die geringen Möglichkeiten, sich mit Gleichaltrigen zu treffen, Geburtstage zu feiern oder einfach Zeit mit Freund*innen zu verbringen, ein Gefühl der Perspektivenlosigkeit einstellte. Oft kamen Phrasen wie „kein Leben haben“ von meinen jüngeren Klient*innen. Sie fühlten sich einsam und „anders“ als ihre Eltern. Dies wurde durch die intensive Zeit zu Hause verstärkt. Zwei Generationen – die einen, die in Österreich geboren wurden, und jene, die im Ausland aufgewachsen waren – teilten sich einen Haushalt. Oft auf sehr engem Raum, wo Privatsphäre nicht ausreichend Platz hat. Es kam zu Konflikten und Konfrontationen mit der eigenen Identität, ohne das Umfeld verlassen und in einen Austausch mit anderen kommen zu können. Der Familie gegenüber kamen Gefühle des Nicht-verstanden-Seins hoch. Dies verstärkt gewisse Aspekte der Identitätskrise. Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt, der auf meinen eigenen Erfahrungen basiert. Es gibt so viel mehr zu erforschen, welche weiteren psychologischen Auswirkungen Covid-19 mit sich gebracht hat. Dies ist sehr komplex und müsste über Jahre hin untersucht werden.

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