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oder regnet, ob Corona oder nicht: Wir gehen arbeiten. Das liegt uns im Blut“, sagt Christopher. Die Post zählt zu den kritischen Infrastruktureinrichtungen, so waren die Postfilialen auch in allen Lockdowns durchgehend geöffnet. „Es war ein gewisser Stolz da, für die Gesellschaft da sein zu dürfen, indem man den Leuten eine Freude macht, wenn man das Packerl zustellt“, fügt er hinzu.

      Dienstbeginn ist normalerweise um 6 Uhr Früh, wobei die Mitarbeiter*innen durch die Corona-Pandemie in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Während die einen ihre Schicht um 6 Uhr beginnen, starten die anderen um 9 Uhr. So kommen weniger Mitarbeiter*innen miteinander in Kontakt. Nachdem der Lkw mit der Post um 5.30 Uhr angekommen ist, werden Briefe und Pakete vom Amtsdienst auf die Bewohner*innen aufgeteilt und sortiert. Dann werden sie in ein Wagerl gepackt. „Im 4. Bezirk gehen wir alles zu Fuß und stellen die Post zu“, erzählt Christopher.

      Am Arbeitsalltag hat sich trotz Corona nicht viel verändert. Was zu bemerken war, ist jedoch, dass vor allem im ersten Lockdown ab März 2020 viele Menschen auf Online-Shopping umgestiegen sind. Sei es Kleidung, Elektronisches Zubehör oder Büroartikel; von Socken bis zu Wohnungseinrichtungen, über Bleistifte und Spielzeug: Von allem war etwas dabei. Während der Paketversand boomte, gingen Brief- und Werbepost zurück. Auch Geschäftspost hatte abgenommen, da viele Unternehmen auf Homeoffice umgestellt hatten und versuchten, diese elektronisch zu verschicken.

      Im Jahr 2020 schrieb die Österreichische Post AG einen neuen Mengenrekord, rund 165 Millionen Pakete wurden in ganz Österreich befördert und zugestellt, das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Dezember, kurz vor Weihnachten, wurden zwar die Geschäfte für wenige Wochen wieder geöffnet und der Ansturm war sehr groß, doch viele bestellten Geschenke weiterhin online oder verschickten sie an Familienmitglieder, da eine gemeinsame Feier durch den Lockdown nicht möglich war. So stieg die Anzahl der Pakete täglich. An nur einem Tag wurden rund 1,3 Millionen Pakete transportiert. So kam es auch zu längeren Zustellzeiten, da der Druck massiv gestiegen ist. Nicht alle Kund*innen hatten Verständnis dafür. Solch eine Auseinandersetzung musste ich einmal in einer überfüllten Postfiliale miterleben, bis ein Kunde dazwischenging und der Dame erklärte, dass ihre Enkelkinder auch nach Weihnachten an den Geschenken Freude finden würden.

      Um die Zustellung möglichst sicher zu gestalten, wurden die Postler*innen dazu aufgefordert, die Haupteingangstürgriffe zu desinfizieren, bevor sie diese angreifen. Um den Kontakt mit den Kund*innen zu reduzieren, wurde die kontaktlose Zustellung eingeführt. Die Postler*innen stellten das Paket vor die Tür, klingelten, gingen zurück und warteten, bis der Kunde oder die Kundin aufmachte. Eine Unterschrift wurde nicht verlangt.

      Im ganzen Gebäude der Postfiliale, so auch im Raum, in dem wir sitzen, hängen Schilder mit der maximalen Personenanzahl und anderen Anweisungen, um an die Regeln zu erinnern.

      „Wir haben es hier in der Basis geschafft, keinen einzigen Corona-Fall zu haben“, sagt Christopher, der mir im karierten Hemd gegenübersitzt, zwischen uns ein Schreibtisch. In anderen Städten und Stellen wurden im Mai 2020 hohe Corona-Infektionszahlen festgestellt, wie im Post-Logistikzentrum Hagenbrunn und im Verteilerzentrum Inzersdorf in Wien-Liesing. Das Österreichische Bundesheer und Zivilbedienstete mussten zur Unterstützung einrücken.

      Christopher ist Familienvater, so gab es für seine Kinder auch gewisse Veränderungen im Schulalltag. Da er und seine Frau arbeiten gehen mussten, war es möglich, die Kinder weiterhin in Betreuung zu schicken, jedoch waren weniger Kinder vor Ort. Der harte Lockdown fiel Christopher schwer, da die privaten Kontakte eingeschränkt werden mussten und er seiner sportlichen Aktivität nicht nachgehen konnte. „Wir sind ein Sportler-Postamt und mit Fußball verbandelt“, erzählt er und führt aus, wie sehr ihm das Training mit seinem Teamkollegen abgeht, das nur kurz im Sommer 2020 wieder möglich war.

      „Egal ob kalt oder warm, ob es schneit oder regnet, ob Corona ist oder nicht: Wir gehen arbeiten. Das liegt uns im Blut.“

      „Ich finde, mehr Transparenz von der Regierung wäre gut. Aber auch Toleranz der Regierung gegenüber, denn keiner hat eine Ahnung, wie es sich entwickelt“, sagt Christopher. „‚Die nächsten zwei Wochen sind entscheidend’ haben wir ein Jahr lang oft gehört. Anstatt so zu tun, als ob nach dem Lockdown alles normal wäre, wäre es vielleicht besser gewesen, ehrlich zu sein. Eine Pandemie kann ein bis drei Jahre dauern, steht auf Wikipedia“, sagt Christopher zum Abschluss.

      Mit mehr Transparenz hätten die Menschen sich besser auf die Situation einstellen können. Das ist auch etwas, was meine Mama immer wieder bemängelt hat: Sich jede Woche auf eine neue Situation einzustellen und neu zu organisieren, ist nicht einfach und verlangt einem extrem viel Energie ab.

      „‚Die nächsten zwei Wochen sind entscheidend‘ haben wir ein Jahr lang oft gehört. Anstatt so zu tun, als ob nach dem Lockdown alles normal wäre, wäre es vielleicht besser gewesen, ehrlich zu sein. Eine Pandemie kann ein bis drei Jahre dauern, steht auf Wikipedia.“

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      Vesna, 42

      Abteilungshelferin im Spital

      Mein Onkel hat mir Vesnas Nummer geschickt. Er kennt sie jedoch nicht persönlich, denn er arbeitet in einer anderen Abteilung im Spital. Ich rufe an, und wir verabreden uns für ein Telefongespräch am nächsten Tag, in der ersten Maiwoche.

      Vesna arbeitet seit 2007 im Spital. In den ersten drei Jahren war sie als Reinigungskraft beschäftigt und vor allem für die Ärztezimmer verantwortlich. Nun ist sie Abteilungshelferin und kümmert sich um die Verteilung des Essens an die Patient*innen, den Wechsel der Bettwäsche und die Desinfektion des Pflegematerials. „Früher gab es keine Abteilungshelfer*innen, alles hat die Reinigungskraft gemacht. Irgendwann wurde es dann aufgeteilt“, sagt Vesna. Sie arbeitet Vollzeit, von 7 bis 18 Uhr, öfters auch an Feiertagen und Wochenenden, und hat je nach Dienstplan an unterschiedlichen Tagen frei.

      Ab März 2020 wurden Vesna und ihren Kolleg*innen neue Aufgaben zugeteilt: Sie waren zuständig für die Reinigung und Desinfektion der Covid-19-Ambulanz. Dort wurden anfangs Patient*innen mit Verdacht auf Covid-19 mit PCR-Tests getestet. Im Herbst 2020 wurde die Teststation ausgebaut, mehrere Container kamen dazu, um das ganze Krankenhauspersonal und alle Patient*innen regelmäßig mit Schnelltests testen zu können. Siebenmal am Tag reinigt Vesna mit ihren Kolleg*innen die Covid-Teststation: Oberflächen werden desinfiziert, der Müll wird ausgeleert und wenn notwendig Material nachgefüllt. Dann wird das Reinigungspersonal bestellt, um sich die Böden vorzunehmen. „Ohne Reinigungsdamen kann ein Spital nicht funktionieren“, sagt Vesna. Die Zusammenarbeit mit dem Reinigungspersonal ist im vergangenen Jahr intensiver geworden.

      Für das Betreten der Teststation gibt es eigene Regeln. Vesna muss einen Schutzanzug und zwei Paar Handschuhe übereinander anziehen. Bevor es genug FFP2-Masken gab, musste sie zwei Mund-Nasen-Schutzmasken übereinander aufsetzen. „Die Schutzkleidung richtig anzuziehen und auszuziehen war sehr wichtig, wir haben uns Zeit gelassen. Aber die Angst war immer da. Mein Mann ist Risikopatient“, erzählt Vesna. Um das Coronavirus keinesfalls mit nach Hause zu nehmen, entwickelte sie ihre eigene Schutzmaßnahme. „Zu Hause habe ich mein Gewand beim Eingang ausgezogen und dann gleich gewaschen“, sagt sie.

      „Früher hatten wir viel Spaß, wir haben auf der Station zusammen gelacht. Jetzt hat jeder Angst vor jedem.“

      Es kam nicht selten vor, dass Patient*innen positiv getestet wurden. Diese wurden in ein anderes Krankenhaus mit Covid-19-Station verlegt. In solch einem Fall wurde Vesna sofort verständigt. Die Wege, die der Patient vom Bett aus hätte gehen können, wurden nachverfolgt und anschließend das Zimmer gut gelüftet, alles gereinigt und desinfiziert: von der Kloschüssel bis hin zu Türklinke und Lichtschalter. „Die Arbeit ist irgendwie mehr geworden. Es ist psychisch stressiger, nicht so wie früher“, sagt Vesna und wird kurz still. „Früher hatten wir viel Spaß, wir haben auf der Station zusammen gelacht. Jetzt hat jeder Angst vor jedem.“

      Immer wieder fällt Personal aus, entweder weil die Betroffenen selbst mit Corona infiziert wurden oder Kontaktperson waren. Vesna war bisher dreimal in Quarantäne, letztes Mal im April 2021,

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