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Akteur:innen an ihr zu schaffen gemacht hätten,7 nur um im nächsten Schritt dazu überzugehen, die Verwerfung ihrer Existenz vehement einzufordern. Da es nämlich dermaßen viele Weisen gebe, über Natur nachzudenken, dermaßen viele verschiedene ihr zugeschriebene Bedeutungen, dermaßen viele einflussreiche »epistemische Gemeinschaften« – einschließlich Geograf:innen wie Castree selbst –, die mit der Repräsentation der Natur ihren Lebensunterhalt verdienten, eine dermaßen lange Tradition, Menschen mittels fadenscheiniger Bezugnahmen auf sie zu regieren, könne Natur letztlich »nicht ›dort draußen‹ existieren (oder ›hier drinnen‹, in uns), darauf wartend, verstanden zu werden«, losgelöst von einem Bewusstsein, bereit, erfahren zu werden. »Dementsprechend halte ich ›Natur‹ für eine besonders wirkmächtige Fiktion.« Oder: »Natur existiert nur, solange wir kollektiv an ihre Existenz glauben« – sie »ist eine Illusion«, »allein das, wofür wir sie halten« – oder schlichtweg: »Es gibt keine Natur«.8 Ihre Wirk lichkeit beziehe sie allein aus ihrer Macht als Ausdruck des Diskurses.

      In einer seiner ausgedehnten Fallstudien liest Castree die Broschüren eines Holzunternehmens sowie solche der Umweltschützer:innen, die in den 1980ern gegen die Pläne ebenjenes Unternehmens ankämpften, den Wald von Clayoquot Sound in British-Columbia zu fällen. Erstere schilderten den Wald als eine Ressource, die es zu ernten, Letztere als einen geschützten Lebensraum für Tiere, den es um seiner selbst willen zu verteidigen galt. Ob ihn dabei eine der beiden Seiten adäquater als die andere in Worte gefasst hat? Unmöglich zu sagen. Es gebe schließlich keine »bereits ontologisch vorhandene Entität, die auf verschiedene Weisen neu dargestellt werden konnte«, keine »›äußerliche Natur‹«, keinen Wald an sich vor seiner Beschreibung. Die Frage, ob Clayoquot Sound ein seltenes Ökosystem sei, habe demnach keinerlei Relevanz.9 Jegliche Natur werde innerhalb der sozialen Welt konstruiert, und der eine Handlungsstrang sei genauso fiktiv wie der andere. Man gelange nicht hinter die Filter aus Ideen, hinter Affekte oder Projekte, um Stämme und Moose so zu berühren oder so zu riechen, wie sie wirklich sind.

      Was aber heißt das für die globale Erwärmung? Castree bleibt seiner Linie hier treu: »Globaler Klimawandel ist eine Idee« – Hervorhebung im Original – »und nicht bloß eine Reihe an ›realen biophysikalischen Prozessen‹, die sich ungeachtet unserer Repräsentationen davon ereignen.«10 Sprich: Die Erderwärmung verfügt über den ontologischen Status einer Idee. Wenn also die Dörfer in einem Tal Pakistans von einem Hochwasser weggeschwemmt werden, eine Population der Monarchfalter kollabiert oder Städten in Kolumbien aufgrund extremer Dürre das Wasser ausgeht, handelt es sich nicht um einen realen biophysikalischen Prozess, sondern um eine Idee, die Wirkung zeigt. Um den Klimawandel aufzuhalten, müsste diese Idee also lediglich verworfen werden. Vielleicht könnten wir sie sogar einfach gegen globale Abkühlung eintauschen. Wenn wir Castree beim Wort nehmen – Klimawandel stellt keinen Prozess innerhalb der biophysikalischen Realität dar, der ungeachtet unserer Vorstellungen davon stattfindet, sondern eine Erfindung des menschlichen Bewusstseins: Nichts anderes ist Natur –, gelangt man zwangsläufig zu diesen Schlussfolgerungen. Es erscheint unwahrscheinlich, dass er sich dafür starkmachen würde, was nahelegt, dass sein Argument schlicht wenig Sinn ergibt und er einer banalen Form des epistemischen Trugschlusses, des »epistemic fallacy«, aufsitzt, der besagt: Gerade weil wir durch Messungen und Vergleiche, durch Konzepte und Ableitungen Kenntnis von der globalen Erwärmung erhalten, sind es diese Dinge, aus denen sie sich zusammensetzt.11 Sollten wir nicht in der Lage sein, diesen Trugschluss zu verwerfen und zu bekräftigen, dass es auf Labuan tatsächlich Natur gab – nicht im Sinne einer Idee, sondern einer objektiven, außerdiskursiven Realität –, in der die Briten Kohle zur ebenfalls in der Natur stattfindenden Verbrennung fanden, was gleichermaßen reale Konsequenzen in der Zukunft nach sich zog, wären wir in einem schwerwiegenden methodischen Nachteil. Denn um dieses historische Phänomen zu verstehen, bedarf es augenscheinlich eines Realismus der Vergangenheit als auch eines Realismus der Natur.

      Nun ist Castree bei Weitem nicht der Erste, der die Ansicht vertritt, Natur sei eine Fiktion. Im Jahr 1992, während der Blütezeit der Postmoderne, verkündete Donna Haraway, Natur sei »eine machtvolle diskursive Konstruktion«. Sie sei »eine Trope. Sie ist Figur, Konstruktion, Artefakt, Bewegung, Verschiebung. Die Natur kann nicht vor ihrer Konstruktion existieren«, ebenso wenig wie Organismen oder Körper, die erst diskursiv entstünden.12 Dieser Gedanke bildete einen Eckpfeiler des Postmodernismus und hält sich – zumindest unter gewissen Akademiker:innen – selbst heute noch beharrlich. So behauptet Paul Wapner etwa in dem Buch Living through the End of Nature. The Future of American Environmentalism, Natur sei »keine selbst erhaltende Entität«, sondern »eine kontextualisierte Vorstellung«, »eine ideelle Leinwand«, »eine Projektion kultureller Übereinkünfte«, »eine soziale Konstruktion« – eine Anschauung, die er für gleichermaßen »solipsistisch« wie »zwingend« hält.13 Wir werden noch über viele solcher Fälle stolpern.

      Dass eine derart weltfremde Doktrin im Zeitalter der globalen Erwärmung Bestand haben kann, muss als bemerkenswert erachtet werden. Umso mehr, als sie sich verheerenden Gegenargumenten ausgesetzt sieht.14 Der Umstand, dass alle möglichen Ideen über die Natur in dem und um das menschliche Bewusstsein herumwirbeln, rechtfertigt jedoch noch lange nicht den Schluss, diese ließen sich nicht von ihrem Gegenstand unterscheiden: Als Angelegenheit sind Naturkonzeptionen selbstverständlich kulturell bedingt, doch heißt dies nicht, dass der Referent infolgedessen gleichermaßen konstituiert wird. Zehn Hirten können ganz unterschiedliche Porträts derselben Ziege zeichnen, was nicht zur Folge hat, dass die Ziege ein Gemälde ist. Wenn drei Wanderinnen mit voneinander abweichenden Eindrücken einen Berg hinuntersteigen – erstere fand es einen mühelosen Ausflug; die zweite ist hochschwanger und schaffte es nur mit großem Aufwand; die dritte ist vor allem von der Neuartigkeit des Schnees überwältigt –, schließen wir daraus nicht, dass sie drei verschiedene Berge erklommen haben müssen. Wir sind der Meinung, es handle sich um einen einzigen Berg, und dieser besitzt bestimmte Eigenschaften wie Höhe, Steigungsgrad und Schneedeckenmächtigkeit, die an sich existieren, unabhängig davon, wie sie von den Wanderinnen wahrgenommen wurden. Als menschliche Wesen können wir nicht sagen, was ein Sturm ist, ohne Sprache zu verwenden, aber das heißt nicht, dass der Sturm eine linguistische Entität ist oder aus Sprechakten besteht.15

      Im Grunde handelt es sich um eine ziemlich banale Auffassung, Naturvorstellungen seien Produkte des sozialen Lebens – ist das doch schließlich bei allen Vorstellungen der Fall –, während die Behauptung, Natur entspräche diesen Vorstellungen und verändere sich ihnen gemäß, äußerst rätselhaft anmutet. Denn damit würde beispielsweise ausgesagt werden, dass die Sonne sich einst um die Erde gedreht und dann den Platz mit ihr getauscht hätte. Entweder der tatsächlich existierende Wald ist reich an wild lebenden Tieren oder nicht; entweder erwärmt sich die Biosphäre, oder sie tut es nicht – wie wir Wildtiere und Erwärmung auffassen, ist jedoch eine ganz andere Frage. Was Castree und andere ihm Gleichgesinnte vertreten, ist eine Form des Konstruktionismus der Natur. Obwohl diese der arglosen Erkenntnis entspringen dürfte, dass wir denken und sprechen, sobald wir über Natur denken und sprechen, versteigt sie sich zu der Behauptung, die Natur würde dadurch überhaupt erst konstruiert, käme durch unsere Vorstellungen in die Welt, und darüber hinaus existierte schlicht keine andere Natur.16 Es handelt sich um einen Konstruktionismus der idealistischen, neu-kantischen, eindeutig postmodernen Sorte.17

      Dieser Konstruktionismus scheint jedoch außerstande, zu jener Art von Theorie zu inspirieren, die wir so dringend benötigen. Schließlich steigen die Temperaturen nicht, weil Menschen über Kohle nachgedacht oder sich mentale Bilder von Autobahnen ausgemalt haben: Dadurch kommt es nicht zur Umweltzerstörung. »Kurzum«, um es mit der bemerkenswerten Formulierung Kate Sopers zu sagen, »es ist nicht die Sprache, die ein Loch in ihrer Ozonschicht hat«, kein Text, der sich aufheizt, »und das ›reale‹ Ding wird selbst dann noch verschmutzt und abgetragen werden, wenn wir unsere dekonstruktivistischen Erkenntnisse auf der Ebene des Signifikanten immer weiter verfeinern« – worauf manch Gesellschaftstheorie, sogar wenn sie vorgibt, sich eigentlich mit der Natur zu befassen, nach wie vor geradezu versessen scheint.18 Wie aber würde eine alternative Sicht auf die Natur aussehen? In What Is Nature? Culture, Politics and the Non-Human – mit Abstand

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