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wollen wir uns für später aufheben. Was jedoch die Palette an kulturellen Ausdrucksformen angeht, wäre es eine schwierige Aufgabe zu zeigen, dass der Klimawandel die Art, wie wir schreiben, kommunizieren, bauen, planen, schauen und imaginieren, dermaßen grundlegend verändert, wie es laut Jameson die Postmoderne getan hat. Denn die postmoderne Blase platzte nicht einfach, als sie mit den steigenden Temperaturen in Berührung kam – im Gegenteil erweist sie sich als äußerst widerstandsfähig und immer weiter aufblasbar.

      Das Zeitalter des allgegenwärtigen Bildschirms kann selbstverständlich als die höchste Stufe der Postmoderne betrachtet werden, als ein stetig wachsendes Spiegelkabinett, in dem sich, frei von jeglichem Außen, Schatten, Gedächtnis und jedweder langfristigen Erwartung, beleuchtete Oberflächen gegenseitig reflektieren. Permanente Konnektivität setzt »die kapitalistische Endzeitvision eines Posthistoire« um, schreibt Jonathan Crary in seinem scharfzüngigen Buch 24/7. Schlaflos im Spätkapitalismus: Darin zeigt sich die Vollendung einer homogenen Gegenwart, ein Raum, in dem die Vergangenheit ausgelöscht wurde und alles auf Abruf unverzüglich zugänglich ist. Nicht nur negiert dieser Raum natürliche Rhythmen, etwa das Bedürfnis nach Schlaf; er bietet zugleich ein klösterliches Leben abseits der neuen temps. »Je mehr man sich mit den elektronischen Surrogaten des physischen Selbst identifiziert, desto mehr scheint man seine persönliche Freiheit gegenüber dem planetarisch voranschreitenden Biozid zu beschwören.«30 Das heißt, je mehr man sich in den virtuellen Kokon zurückzieht, desto mehr sondert man sich von den Dingen ab, die in der Natur geschehen. Sollte diese Einschätzung zutreffen, und sollten die elektronischen Immersionstechnologien weiterhin Fortschritte machen, was gewiss zu sein scheint, dann wird der postmoderne Zustand durchaus weiterhin in der Lage sein, sein Territorium zu verteidigen und sogar auszuweiten.

      Es fällt schwer, die Plage, die im Sommer 2016 auf die westliche Welt niederging, nicht als mustergültigen Beleg dieses Umstands zu verstehen. Es gab Momente, in denen man keinen Abendspaziergang durch einen Park machen konnte, ohne das Gefühl zu bekommen, dass nahezu jede:r – mit ausdruckslosem Gesicht, den Blick aufs Handy geheftet – umherirrte, auf der Jagd nach einem Ziel, das allein im virtuellen Raum existierte. Wie viele Wanderungen wurden auf diesem sich erwärmenden Planeten nun auf der Suche nach Pokémons unternommen, auch in New York und anderen von steigenden Meeren bedrohten Städten? Selten war der Zustand des digitalen Lebens – eine Sphäre ohne Zeit und ohne Natur – so weit in den öffentlichen Raum vorgedrungen, dass selbst Märsche, Massenanstürme, Zusammenkünfte und andere Formen kollektiver Pseudoaktionen losgetreten wurden, nur aus Freude daran, in der Welt zu sein, ohne tatsächlich an ihr teilzuhaben. Unter dem dichten, an Theodor W. Adorno angelehnten und entsprechend düsteren Titel »Media Moralia. Reflections on Damaged Environments and Digital Life« schreibt Andrew McMurry, dass »die neue Medienökologie hereinplatzt, um die Leere zu füllen, die die alte Natur hinterlassen hat«. Indem er dem »Schlafwandeln« neue Bedeutung verleiht, sei der postmoderne Zustand, Schritt haltend mit der Erwärmung, tiefer als je zuvor in das Denken eingesickert. »Die Außenwelt«, also der Ort, an dem die Erwärmung stattfinde, fährt McMurry fort, »ist mittlerweile zweifelhaft, größtenteils irrelevant und, sofern sie überhaupt noch wahrgenommen wird, nur von fern auszumachen«: Zwischen ihr und uns liegen die undurchdringlichen »Schleier« der digitalen Medien.31 Oder in den Worten von Kae Tempest: »Wir starren auf den Bildschirm / so müssen wir nicht sehen, wie unser Planet stirbt.«32

      Doch auch wenn der postmoderne Zustand in seinem digitalen Stadium in der Lage ist, Menschen in vergeistigte Kleidung zu stecken, die sie davor schützt, mit dem Biozid in Kontakt zu geraten, entgeht er dennoch nicht dem Kampf mit einem Furcht einflößenden Gegner. Denn dem Erwärmungszustand steht ein ganzes Set an biogeochemischen und physikalischen Gesetzen zur Seite. Diese tragen dazu bei, dass seine Übergriffe immer häufiger und stärker werden; liegt es schließlich in der Naturgewalt des Prozesses, dass dem Klimawandel die Tendenz eingeschrieben ist, so gut wie alles andere zu verschlimmern und zu überschwemmen. Ob auf einem um sechs Grad Celsius wärmeren Planeten jedoch noch viele Menschen Augmented-Reality-Spiele spielen werden? Und ist nicht gerade die Verleugnung, insbesondere in ihrer unterdrückenden und zwanghaften Ausgestaltung, eine gegensinnige Affirmation, in der sich ausdrückt, dass das Ding, um das es geht, vorhanden ist, und zwar überall, nur knapp unterhalb der Oberfläche, eine beunruhigende Präsenz im kollektiven Unterbewusstsein – womöglich ist die Erderwärmung, um einen weiteren Begriff von Jameson zu verwenden, ein politisches Unbewusstes, das die Kultur schon längst durchzieht. Womöglich sind deren unerträgliche Implikationen an sich bereits genügend Anreiz, um sich in so etwas wie eine erweiterte Realität zu flüchten. Was es auch sein mag – und wir werden auf das Phänomen der Leugnung noch zu sprechen kommen –, sobald der Klimawandel ins Bewusstsein sickert, geht damit die Erkenntnis einher, dass mehr und weitaus Schlimmeres noch folgen wird. Denn letztlich richtet der Erwärmungszustand, gleich der Frau auf dem Cover von Climate Trauma, seinen Blick in Richtung Zukunft. Er wird sich bemerkbar machen. Sollte die Postmoderne also ein Missstand aus Amnesie und Verdrängung sein – als wären Zeit und Natur tatsächlich verschwunden –, dann könnten wir den Erwärmungszustand als die Realisation – im doppelten Wortsinn – einer grundlegenderen Krankheit oder eines Unrechts auf Erden betrachten.

      Drei mögliche Verläufe konkurrieren derzeit darum, wie diese Realisation aussehen soll. Erstens: Das business as usual läuft weiterhin Amok, die Ziele 1,5 und zwei Grad Celsius werden verfehlt, die Temperaturen steigen innerhalb dieses Jahrhunderts Richtung drei-, vier-, sechsgradiger Erwärmung, und die materiellen Grundlagen für die menschliche Zivilisation zerfallen nach und nach. Zweitens: Die Fossilwirtschaft wird zerschlagen, vorzugsweise innerhalb weniger Jahrzehnte, die Erwärmung verlangsamt sich und lässt schließlich nach, sodass die Zivilisation weiter voranschreiten kann. Oder drittens: Es kommt zum Geo-Engineering. Zwischen- sowie Mischformen sind denkbar – besonders die Kombinationen aus zwei und drei oder eins und drei –, doch die ungeheuren Kräfte, die im Erdsystem freigesetzt wurden, sowie der langfristige Aufschub ernst gemeinter Schadensminderung schließen einen reibungslosen Ablauf hin zu erneuerter Klimastabilität mittlerweile aus. Der Zeitraum für gemäßigte Resultate und halbe Sachen ist kleiner geworden. Für den Fall, dass der zweite Pfad mit maximaler globaler Entschlossenheit eingeschlagen würde und es dadurch gelänge, die schlimmsten Szenarien zu verhindern, müssten die Transformationen technologischer, ökonomischer, politischer sowie kultureller Art derart umfassend sein, dass dem Klima zumindest für einige Zeit all das, was an menschlichem Leben noch vorhanden wäre, unterzuordnen wäre – zumindest so lange, bis die Klimadestabilisierung zur fernen Erinnerung würde. Genau diese Logik steckt hinter Naomi Kleins »Dies ändert alles«-Theorem, ganz gleich, welcher Realisationsverlauf auch eingeschlagen werden mag.

      Selbstverständlich stellt die Erderwärmung nur eine der Facetten des Biozids dar, aber unter all den andauernden Umweltkrisen wohnt gerade ihr eine besondere innere Triebkraft und das Potenzial zur allgemeinen Zerstörung inne. Mit ihrer Angewiesenheit auf vergangene und zukünftige Bezüge widerspricht ihre zeitliche Logik geradewegs der hyperspatialen Postmoderne. Sie repräsentiert die auf die Gesellschaft einprasselnde Geschichte und Natur und färbt dadurch die Wahrnehmung. Eine Theorie für die Gegenwart sollte sich daher auf die Erderwärmung als eine sich entfaltende Tendenz einschießen und lernen, der Spur zu folgen, die dieser Sturm zieht. Sie sollte dem sich abzeichnenden Zustand und den grundlegenden Parametern für das Handeln darin gründlich auf den Zahn fühlen: zunächst etwa, indem sie fragt, was diese Natur ist, die da gerade zurückkehrt? Verdient sie diesen Namen überhaupt noch? Ist sie nicht bereits derart mit Kultur vermengt, dass ebendieser Begriff sich nicht mehr länger für sie eignet? Und wenn es sich tatsächlich noch um Natur handelt, was ist passiert, dass sie diese entsetzliche Gestalt annahm? Wer oder was hat dieses Sturmsystem aufgepeitscht – die Kräfte der Materie, der Menschheit oder irgendein Bindeglied, das die beiden verschmolzen beziehungsweise auseinandergerissen hat? Und auf welchem Weg ist die Geschichte bis in etwas wie das Klima des gesamten Planeten vorgedrungen, das doch einst als überzeitlich galt?

      Als großer Vermenger und Eindringling fegt der Klimawandel zwischen den beiden traditionellerweise als »Natur« und »Gesellschaft« bezeichneten Bereichen hin und her. Da trifft es sich ganz gut, dass die zeitgenössische Theorie gerade intensiv mit dieser eskalierenden wechselseitigen Durchdringung beschäftigt ist und am laufenden Band

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