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Block zusammenhält, ist allein seine prinzipielle Gegnerschaft zu den Parteien der prokapitalistischen Wende. Die Bürgerfront zur Wiedereinführung der freien Marktwirtschaft stagniert bei Wahlen zum Europäischen Parlament seit Jahren bei einem Drittel der Stimmen. Ihre Konkurrenz auf der äußersten Rechten kämpft mittlerweile um die Überwindung der Sperrklausel von drei Prozent. Gelegentlich hat die Bürgerfront in einzelnen Ländern triumphieren können, doch die Ergebnisse ihrer Regierungszeit waren für die Wählerschaft des prokapitalistischen Bündnisses frustrierend. Kaum hatten sie marktwirtschaftliche Reformen auf den Weg gebracht, waren die Front-Parteien in der Regel schon wieder abgewählt. Auch wegen der regulativen Funktion der Nachhaltigkeitsräte war und ist ihre politische Durchsetzungskraft vergleichsweise gering, wenngleich sie bei der Ausgestaltung des Verhältnisses von Staat und Markt immer wieder konstruktive Vorschläge unterbreiten und durchsetzen konnten.

      Trotz hoher Integrationskraft bieten die neuen, nachhaltig sozialistischen Gesellschaften das Gegenteil eines harmonistischen Stelldicheins. Heftige Konflikte prägen selbst den sozialen Nahbereich. An Vermögen, Einkommen und Bildungschancen gemessen sind die Menschen so gleich wie nie zuvor; und gerade aus diesem Grund treten ihre individuellen Besonderheiten umso stärker hervor. Das führt zu einer Vielfalt an Lebensformen und Lebensstilen, die alles andere als harmonisierend wirkt. Nachhaltigkeit beispielsweise ist ein dehnbarer Begriff, der Zielkonflikte beinhaltet. Wofür soll das gesellschaftlich erzeugte Mehrprodukt eingesetzt werden? Sollen die Einkommen für große Bevölkerungsgruppen steigen, oder steht das im Widerspruch zu ökologischer Nachhaltigkeit? Welche Stimme ist legitimiert, in politischen Entscheidungsprozessen für die Natur zu sprechen? Wie hoch darf der Preis sein, um bedrohte Tierarten zu retten? Sucht man Problemlösungen für ökologische Belastungen im technologischen Wandel, oder ist es sinnvoller, sich natürlichen Kreisläufen ohne zusätzliche technische Hilfsmittel anzupassen? Welche Vorstellungen vom »guten Leben« sind legitim, welche sind es nicht? Müssen an den Hochschulen in den sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern demnächst Männerquoten eingeführt werden, um auf längere Sicht annähernd Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, oder ist die Frauendominanz der legitime Preis, den Männer für den Verlust jahrtausendealter Privilegien zu zahlen haben? Macht die Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten derart polarisierende Fragestellungen gar gänzlich überflüssig? Das sind nur einige der Themen, an denen sich die Geister scheiden. Das Leben ist für alle, jede und jeden ständige Herausforderung, permanenter Kampf. Es ist anstrengend und eben deshalb schön. Denn eines ist sicher – trotz des Streits kann man sich darauf verlassen, dass allen, die in Not geraten, von anderen geholfen wird.

      Mit groben Pinselstrichen gemalt, sind das die Konturen einer möglichen nächsten Gesellschaft. Sie zeigen uns kein Paradies. Dennoch enthält das Bild einen utopischen Überschuss, der dazu anspornen kann, aus der wünschbaren eine erreichbare Zukunft zu machen. Es ist dies die ins Bild gesetzte nachhaltig sozialistische Zukunft. Wollen wir sie erreichen? Haben wir die Chance dazu?

      Szenenwechsel. Blicken wir noch einmal auf das Auditorium Maximum der Leipziger Universität im Mai 2019. Haben diejenigen, die sich dort zu einer Bewegung formieren wollen, tatsächlich das Zeug, den Kapitalismus aus den Angeln zu heben? Wollen sie das überhaupt? Gegenargumente lassen sich leicht finden, denn die Mehrzahl der bei Fridays for Future Aktiven agiert keineswegs mit antikapitalistischem Selbstverständnis. Ein erheblicher Teil der Anwesenden hat sich überhaupt zum ersten Mal für ein politisches Engagement entschieden. Andere Aktive verorten sich im rot-grünen Parteienspektrum und handeln eher pragmatisch-lösungsorientiert als radikal und mit systemkritischer Grundhaltung.5 Auch die Forderungen, die auf der Vollversammlung beschlossen werden, klingen keineswegs sonderlich radikal. Ohne zu zögern, votiert eine überwältigende Mehrheit zugunsten einer CO2-Steuer – ein Instrument, das ohne soziales Korrektiv unweigerlich diejenigen mit den geringsten Einkommen am stärksten belasten würde. Sofern man überhaupt von einer ökologisch-sozialistischen Strömung sprechen kann, repräsentiert sie selbst innerhalb des linken Flügels der Klimabewegung allenfalls eine Minderheit. Und dennoch sind es diese jungen Leute, die eine zukunftsträchtige sozialistische Option in der Gegenwart am glaubwürdigsten verkörpern. Es ist die Grundidee, die überzeugt. Wie selbstverständlich werden die ökologische und die soziale Frage zusammengedacht. Deshalb kommt auch ein Betriebsratsvorsitzender aus dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Leipzigs zu Wort, der als heimlicher Star der Veranstaltung zu Bündnissen von Klimabewegungen und Gewerkschaften aufruft.

      Zu den Kräften progressiver Veränderung zähle ich ausdrücklich auch jene Teile der Klimabewegungen, die sich im De- oder Post-Growth-Spektrum verorten und ihre Wurzeln bevorzugt im Kosmos anarchistisch-libertärer Ideen suchen. Aktive aus dieser Strömung arbeiten sehr bewusst, fantasievoll und kreativ an Alternativen zu kapitalistischen Produktions- und Lebensformen.6 Sozialismuskonzepten, die auf Marx und Engels zurückgreifen, begegnen diese libertären Strömungen freilich mit Skepsis. Es mangelt denn auch nicht an Versuchen, den noch jungen Bewegungen altbekannte Feindbilder zu liefern. Manch neuere Bemühung um eine Wiederbelebung anarchistischer Utopien präsentiert sich in recht altbackener Manier als »kritisches Korrektiv gegenüber rechts- und linksautoritären Versuchungen«.7 Attackiert wird eine vermeintliche bürgerlich-marxistische »Fortschrittsideologie und Utopiefeindlichkeit«8, die sich als Kontrastfolie für eine positive Akzentuierung des eigenen Freiheitsverständnisses nutzen lässt.

      Tatsächlich, das sei hinzugefügt, gibt es für Warnungen vor autoritären Versuchungen von links immer wieder neue Anlässe. Andreas Malms Plädoyer für einen »Ökoleninismus« bietet ein Beispiel, das in Teilen der Klimabewegungen auf Widerhall stößt.9 Lange vor Malm zeigten sich Ökosozialisten wie Wolfgang Harich und Rudolf Bahro10, die gegen den SED-Staat opponierten, ebenfalls für Autoritarismus anfällig. Doch einmal davon abgesehen, dass sich die ökosozialistische Traditionslinie nicht auf autoritäre Entgleisungen einiger Vordenker reduzieren lässt, wurzelt eine unbewältigte Schwierigkeit des Anarchismus darin, dass die Realisierungsversuche libertärer Visionen in der Regel über einen – mitunter durchaus innovativen – Nischensozialismus nicht hinausgekommen sind.11

      Einen wunden Punkt trifft die libertäre Kritik dort, wo sie offenlegt, dass alle bekannten Sozialismen immer wieder zu einer Klassenherrschaft ihrer Eliten tendierten. Bei der Ursachenanalyse springt anarchistische Staats- und Bürokratiekritik jedoch dann zu kurz, wenn sie den Eigenwert parlamentarischer Demokratien unterschätzt oder völlig ignoriert. Ein zentraler systemimmanenter Fehler der verblichenen Staatssozialismen wurzelte darin, dass deren politische Systeme ohne entwickelte demokratische Institutionen und Prozesse über kein wirksames Korrektiv verfügten, welches der diesen Gesellschaften inhärenten Tendenz zur Akkumulation politischer Macht hätte Grenzen setzen können. Hannah Arendt hat die Mechanismen des Vorauseilens politischer Machtakkumulation vor der Kapitalakkumulation am Beispiel expansionistischer Ideologien des historischen Imperialismus in brillanter Weise analysiert:

      »Durch eine unbegrenzte Akkumulation von Macht, das heißt von Gewalt, die kein Gesetz begrenzt, konnte eine unbegrenzte oder jedenfalls erst einmal unbegrenzt scheinende Akkumulation von Kapital vonstatten gehen«, konstatiert sie12 und macht deutlich, dass sich in stalinistischen Systemen ähnliche Mechanismen finden. Wie die Kapitalakkumulation benötigt auch das unersättliche Streben nach immer größerer Machtfülle, das diesen Systemen eigen ist, permanent neues Material. Sofern nicht erfolgreich, das heißt mithilfe demokratischer Institutionen und Verfahren, gegengesteuert wird, mündet totales Machtstreben unweigerlich in Repression, Terror oder gar in Krieg.

      Alle staatssozialistischen Regime sind auch an dem Problem gescheitert, dass sie starke Institutionen für eine Kontrolle und Begrenzung zentralisierter politischer Macht nicht zu entwickeln vermochten. Dies begünstigt ein monistisches Bestreben, das von der Fiktion einer von oben hergestellten Klasseneinheit über die erzwungene Einheit der Partei bis hin zu Führerverehrung und Personenkult führen kann. In verschiedensten Variationen finden sich derartige systemische Mängel nicht nur in den implodierten staatssozialistischen Gesellschaften oder bei den nominalsozialistischen Regimen Chinas oder Nordkoreas. Auch politische Formationen, die aus nationalen, postkolonialen Befreiungsbewegungen hervorgegangen sind, bilden früher oder später Formen bürokratischer Klassenherrschaft aus. Neben Vietnam und Kuba stellen Südafrika,

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