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meiner Mission – die Wiedergeburt der Religion mit den Mitteln des Tanzes« auseinander. »Später erzählte von Stuck, wie er mir anvertraute, seinen Freunden gern, dass er selten in seinem Leben so überrascht gewesen sei. Es habe sich für ihn angefühlt, als sei eine Waldnymphe vom Olymp herab in sein Atelier gestiegen. Natürlich gab er seine Zustimmung.«

      Isadora hatte einen Riecher für die richtigen Orte ihrer Auftritte. So tanzte sie auch im Kaim-Saal in der Maxvorstadt, wo Arthur Schnitzlers Reigen uraufgeführt wurde und die weltweit erste Eurythmie-Vorführung stattfand. Und sie sorgte auch hier für eine Sensation. »Der Erfolg war unglaublich. Besonders die Studenten gebärdeten sich wie verrückt. Nacht für Nacht spannten sie die Pferde meines Wagens aus und zogen mich durch die Straßen. Dazu schmetterten sie ihre Studentenlieder und liefen mit Fackeln neben meiner Kutsche her. Oft standen ganze Gruppen stundenlang vor meinem Hotelfenster und sangen, bis ich ihnen Blumen und Taschentücher zuwarf, um die sie sich dann balgten, weil sie sie auf ihre Kappen heften wollten.«

      Isadora ließ sich von diesem Enthusiasmus anstecken, in einem Studentencafé tanzte sie tatsächlich auf den Tischen, was in der Satire-ZeitschriftSimplicissimus Erwähnung fand. Sie schrieb in ihren Memoiren: »Die jungen Leute tanzten die ganze Nacht, ein wiederkehrender Refrain war ›Isadora, Isadora, ach, wie schön das Leben ist‹. Obgleich einige nüchterne Bürger der Stadt schockiert reagierten, blieb es doch ein unschuldiger Spaß – auch wenn mir Kleid und Schal regelrecht zerrissen wurden.«

      Eines Abends entdeckte Isadora bei einem Auftritt im Künstlerhaus in der ersten Reihe das Profil eines Mannes, das ihr bekannt vorkam. Diese markante Nase, die hohe Stirn und die auffälligen Augenbrauen hatte sie schon irgendwo gesehen. Es war der seinem Vater sehr ähnliche Siegfried Wagner, der da begeistert applaudierte. Isadora war begierig zu hören, was der Sohn des hochverehrten Komponisten zu erzählen hatte. Siegfried Wagner war bei Engelbert Humperdinck in die Lehre gegangen, der bald in Berlin ein wichtiger Unterstützer Isadoras werden sollte. Jetzt kam Wagner mit einem Liliengebinde zu ihr in die Garderobe und sagte:

      »Miss Duncan, was Sie auf der Bühne machen, davon könnten wir auch in Bayreuth eine Menge lernen. Wären Sie bereit, für unsere Festspiele zu arbeiten?«

      Isadora lächelte erst einmal nur, wie sie es meistens tat, wenn sie Zeit brauchte, um einen Entschluss zu fassen. Dann sagte sie:

      »Es wäre mir eine große Ehre, bei Ihnen im Festspielhaus aufzutreten. Aber – ich kann leider nicht singen.« Beide lachten, sie verlegen, er höflich. Dann sagte er:

      »Sie wissen, dass Tanzeinlagen in den Opern meines Vaters eine wichtige Funktion erfüllen?«

      »Tanzeinlagen –« wiederholte Isadora gedehnt, »Das eben biete ich nicht.« Und sie erklärte Siegfried Wagner das Niveau und den Anspruch ihrer Kunst, so gut es in der Eile ging.

      »Ich verstehe«, sagte Wagner, »und pflichte Ihnen bei. Es geht um mehr als um Einlagen. Beziehungsweise: Es geht um etwas ganz anderes. Um einen Appell an die Gottheit. Um eine Anrufung. Um Erhabenheit. Darum geht es uns auf dem Grünen Hügel auch. Ich bin sicher, wir werden uns einig. Ich werde meine Mutter bitten, sich an Sie zu wenden.«

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      Als Isadora an diesem Abend ins Hotel zurückkam, sah sie so abgekämpft aus, dass die Mutter fürchtete, ihre Kleine könne zu viel an Budapest und an die Liebe denken, und sich spontan eine attraktive Ablenkung überlegte:

      »Hör mir zu, Dorita. Alexander spricht von Berlin. Er könnte da für dich die großen Soloabende organisieren, in der Kroll-Oper, verstehst du, fünftausend Plätze, und er wird es schaffen. Noch sind wir im Süden. Von hier aus ist es nicht weit nach Florenz. Was meinst du? Elizabeth wollte schon lange dorthin.« Isadora war einverstanden, und so brachen die drei Frauen ins schöne Italien auf. Für La Duncan war die Begegnung mit Florenz von besonderer Bedeutung, denn sie ging schnurstracks in die Uffizien und verliebte sich dort in ein Gemälde von Sandro Botticelli, sein Werk Primavera (= Frühling), das ihren Tänzen ein neues Leitmotiv vorgeben sollte. »Tagelang saß ich am Boden vor dem Bild; ein freundlicher alter Aufseher brachte mir schließlich einen Stuhl. Ich blieb so lange dort sitzen, bis ich die Blumen wachsen und die zarten Körper im Tanz sich wiegen sah, und in mir erwachte die freudige Gewissheit, dass ich dieses Bild tanzen und meinem Publikum die Botschaft der Liebe und des Frühlings mitteilen wollte.« Später, 1903 in Berlin, war Isadora immer noch im Banne Botticellis, und unter den Kunstfreunden in ihrem Publikum, die das berühmte Bild natürlich kannten, gab es nicht wenige, die ihr attestierten, wie eine Botticelli-Venus auf der Bühne zu schweben.

      »Was Sie da sagen«, antwortete Isadora, »befriedigt mich tief. Denn Sie müssen wissen, dass ich in einem früheren Leben für Botticelli Modell gestanden habe.«

      »Wie war er als Mensch denn so«, fragte ein vorwitziger Kunststudent, »der große Meister Botticelli?«

      »Oh«, replizierte Isadora schlagfertig, »er erlaubte mir nach jeder Sitzung so viele der gemalten Orangen zu pflücken und zu essen, wie ich wollte, und davon habe ich heute noch meine gesunde Haut.«

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      Es war Frühling in Berlin, als Isadora in der Kroll-Oper, unweit des Brandenburger Tores, ihre Soli tanzte, diesmal mit großem Orchester. Sie sah nun die Stadt in einem anderen, freundlicheren Licht als bei ihrem ersten Besuch mit der Fuller-Company, vor allem, weil jetzt der Applaus ungeteilt ihr galt. Die jungen Leute im Publikum waren ähnlich enthusiastisch wie die Münchner Studenten, auch sie spannten nach den Vorstellungen die Pferde vor Isadoras Kutsche aus und zogen ihr Idol mit eigener Kraft heim ins Hotel Bristol – wo man ihr das vor Jahr und Tag eingelagerte Gepäck mit vielen Verbeugungen und Pardon-Beteuerungen zurückgab. Die Stadt sprach von ihr, man feierte sie und nannte sie in der Presse und auf den Programmzetteln »die Göttliche«. Eines Abends meldete sich der Berliner Journalist Erwin Rosen bei Isadora und lud sie zum Essen ein. Er wollte einen Artikel über sie schreiben. Noch hatte er sie nicht auf der Bühne gesehen und war voller Erwartung. Viele seiner Kollegen schwärmten von ihr – besonders von der subtilen Ausdruckskraft ihrer Arme und Hände. Rosen notierte: »Ich hatte in Münchener Zeitungen gelesen, dass ihre Tänze unter den Münchener Künstlern richtige Stürme der Begeisterung entfesselt hätten. So begab ich mich schleunigst zu ihr ins Hotel. Überschrift meines Artikels sollte sein: ›Die neue Tanzkunst‹. Ich verarbeitete da natürlich fast nur das, was die gute Duncan mir zu erzählen beliebte, aber ich gab aus Eigenem hinzu, welche Eindrücke ich empfing, als ich sie beim Essen ihres Hühnchens beobachtete. Dabei ging mir nämlich ein Licht auf. Wer so wunderschöne Hände hat und die Bewegungen dieser Hände und Arme so zu beherrschen versteht, dass das Zerlegen eines Hühnchens mit Messer und Gabel für den erstaunten Beobachter ein ästhetischer Genuss wird – der hat auch Rhythmus im Leibe und Grazie; es müsste also etwas dran sein an der neuen Tanzkunst!«

      Nicht alle Kritiker und Kunstsachverständigen waren von Isadora angetan. Das Völkchen der Ballettomanen etwa verzieh der Avantgardistin ihre Schmähungen des Spitzentanzes nimmermehr und würdigte sie guten Gewissens herab. Insbesondere die Berliner waren nicht allzu galant. Schon bei Erwin Rosen spürt man einen leichten Spott, noch deutlicher machte sich der wortgewandte Kritiker Max von Boehn über die Botschafterin der neuen Tanzkunst lustig: Er nannte sie »die tanzende Gouvernante«. Und weiter: »Sie hopste auf der Bühne herum mit Arm- und Handbewegungen, als finge sie Fliegen, aber mochte zehnmal jede Nuance einer alten Vase abgesehen sein, es war zusammen doch kein Ganzes, nichts, was ein innerer Zwang beseelt hätte.« Immerhin erkannte er an: »Was sie als Tänzerin schuldig blieb, hat sie als Anregerin gut gemacht. Miss Duncan hat den Tanz wieder in seine Rechte als individuelle Kunst eingesetzt, sie hat die Bahn freigemacht für den neuen Tanzstil, der sich an der schematischen Akrobatik des Balletts nicht mehr genügen lässt.«

      Wie alle Menschen, die etwas Neues bieten, hatte Isadora gelernt, Kritik achselzuckend hinzunehmen, zu ignorieren oder abzuwehren. »Mein Tanz wurde Gegenstand hitziger Debatten. Ganze Kolumnen erschienen ständig in den Zeitungen, die mich entweder als Genius

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