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Teil I DIE WELT, IN DER ICH AUFGEWACHSEN BIN

      In den 75 Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich die Wirtschaft weltweit rasant entwickelt. Dennoch lebt die Welt in zwei Realitäten.

      Einerseits ging es uns selten so gut wie heute. Wir leben in einer Zeit des relativen Friedens und des absoluten Wohlstands. Im Vergleich zu früheren Generationen leben viele von uns länger und meist gesünder. Unsere Kinder können zur Schule gehen, oft sogar aufs Gymnasium, und Computer, Smartphones und andere technische Geräte verbinden uns mit der Welt. Noch vor ein oder zwei Generationen konnten unsere Eltern und Großeltern von unserem heutigen Lebensstil nur träumen, wie auch von dem Komfort, der mit dem Überfluss an Energie, dem technologischen Fortschritt und dem globalen Handel einhergeht.

      Auf der anderen Seite sind unsere Welt und unsere Zivilgesellschaft von einer unerträglichen Ungleichheit und einem gefährlichen Mangel an Nachhaltigkeit geplagt. Die COVID-19-Gesundheitskrise ist nur ein Beispiel, an dem deutlich wird, dass nicht jeder die gleichen Chancen im Leben hat. Menschen, die mehr Geld haben, über bessere Verbindungen verfügen oder in gehobeneren Wohngegenden leben, waren weniger schwer von COVID betroffen; sie konnten eher von zu Hause aus arbeiten, dicht besiedelte Gebiete verlassen und erhielten eine bessere medizinische Versorgung, wenn sie sich doch ansteckten.

      Dies ist die Fortsetzung eines Musters, das in vielen Gesellschaften nur allzu vertraut geworden ist. Die Armen sind immer wieder von globalen Krisen betroffen, während die Wohlhabenden diese viel besser überstehen.

      Kinder wie ich, die 1945 in Deutschland in die Grundschule kamen, waren zu jung, um zu verstehen, warum das Land, in dem sie lebten, zuvor im Krieg gewesen war oder warum es in den nächsten Jahren zu so großen Veränderungen kommen würde. Aber wir verstanden nur zu gut, dass zukünftige Konflikte um jeden Preis vermieden werden sollten. Wie schon in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wurde »Nie wieder Krieg« in ganz Deutschland zur zentralen Parole. Die Menschen hatten genug von Konflikten. Sie wollten ihr Leben in Frieden neu aufbauen und gemeinsam auf eine bessere Lebensqualität hinarbeiten.

      Das würde nicht leicht werden, weder in Deutschland noch anderswo. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, lag das Land in Schutt und Asche. Kaum ein Fünftel der historischen Gebäude in den deutschen Großstädten stand noch. Millionen von Häusern waren zerstört worden. Schwaben, die Region in Süddeutschland, in der ich aufgewachsen bin, war da keine Ausnahme. In der am stärksten industrialisierten Stadt, Friedrichshafen, wurde fast jede Fabrik dem Erdboden gleichgemacht. Darunter auch die von Maybach und Zeppelin, zwei legendären Auto- und Flugzeugherstellern, deren Produktionskapazitäten während des Krieges von der NS-Regierung für militärische Zwecke genutzt wurden.

      Es lag also an Washington und Moskau, die Nachkriegszeit zu gestalten, jeder in seinem Einflussbereich. In Schwaben, damals Teil des von den Alliierten besetzten Deutschlands, hing die Zukunft zu einem großen Teil von den Entscheidungen ab, die die Vereinigten Staaten treffen würden.

      Amerika stand vor einem schwierigen Balanceakt. Es war entschlossen, die Fehler aus dem Versailler Vertrag, der den Ersten Weltkrieg beendete, nicht zu wiederholen. Der 1919 unterzeichnete Versailler Vertrag hatte den besiegten Mittelmächten (Deutschland, Österreich-Ungarn, dem Osmanischen Reich und Bulgarien) eine praktisch untragbare Schuldenlast aufgebürdet. Dies bremste ihre wirtschaftliche Entwicklung und führte zu einer ungleichmäßigen wirtschaftlichen Erholung, welche die Saat für den Zweiten Weltkrieg legte.

      Ab 1948 leisteten die Vereinigten Staaten und auch Kanada gezielte regionale Hilfe. Durch den Marshall-Plan, benannt nach dem damaligen US-Außenminister George Marshall, halfen die Vereinigten Staaten den westeuropäischen Ländern beim Kauf amerikanischer Waren und beim Wiederaufbau ihrer Industrien, einschließlich Deutschland und Italien. Die Hilfe für die ehemaligen Achsenmächte war eine umstrittene Entscheidung, die jedoch als notwendig erachtet wurde, da es ohne den deutschen Wirtschaftsmotor kein starkes, industrielles Europa geben konnte. (Die Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OEEC), der Vorläufer der OECD, spielte eine wichtige Rolle bei der Verwaltung des Programms.)

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