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Lernen mit Bewegung und Lernen in Entspannung. Jennifer Schilitz
Читать онлайн.Название Lernen mit Bewegung und Lernen in Entspannung
Год выпуска 0
isbn 9783823303114
Автор произведения Jennifer Schilitz
Жанр Документальная литература
Серия Studies in English Language Teaching /Augsburger Studien zur Englischdidaktik
Издательство Bookwire
Die Frage, wie das Gedächtnis funktioniert und womit es zu vergleichen ist, beschäftigt Menschen bereits seit der Antike. Zahlreiche Metaphern für das Gedächtnis wurden aufgestellt, und das Harald Weinrich (1964: 26) zufolge aus gutem Grund: „Wir können einen Gegenstand wie die Memoria nicht ohne Metaphern denken.“ Auch Lakoff und Johnson (1999: 235, zitiert nach Goschler 2006: 10) sind sich sicher: „It is virtually impossible to think or talk about the mind in any serious way without conceptualizing it metaphorically.“ Bei Platon war es die Wachstafel, bei Diderot die Bibliothek und Schopenhauer sah das Gedächtnis als Tuch, bei welchem sich die Erinnerungen als Falten darstellen (vgl. Weinrich 1964: 24f.). Dabei sind die Metaphern abhängig vom jeweiligen Forschungsstand (vgl. Goschler 2006: 9). Da er nicht mehr auf Wachstafeln schrieb, sah Racine das Gedächtnis als Buch der Memoria, Bergson verglich es mit einem Fotoapparat (vgl. Weinrich 1964: 25) und mit dem Fortschreiten der Technik war ab den 1950er Jahren die Computermetapher sehr verbreitet (vgl. Goschler 2006: 155; Gibbs Jr. 2005: 5).
Die Faszination für das menschliche Gedächtnis ist verständlich, ist es doch sowohl für grundlegende Alltagshandlungen als auch für höhere kognitive Prozesse unabdingbar:
Ein menschliches Gedächtnis, das imstande ist zu lernen und neue Informationen längerfristig speichern kann, referiert demnach unter anderem auf die persönliche Vergangenheit und Erlebnisse. Ein Organismus muss eine gewisse Art von „Vorprogrammierung“ bereithalten, um ein Gedächtnis und daraus resultierende Lernvorgänge und Operationen überhaupt zu ermöglichen. (Steinhauser 2011: 8)
Somit ist auch für die Vermittlung von Wissen ein möglichst genaues Verständnis des menschlichen Gedächtnisses von hoher Relevanz, wofür Forschung in kognitiven Bereichen notwendig ist:
The primary purpose of education is to transmit knowledge; consequently, much educational and cognitive research has attempted to identify the basic psychological mechanisms by which information in texts and other educational sources is represented. (Clark & Paivio 1991: 158)
In Bezug auf den Aufbau und die Funktionsweise des Gedächtnisses sind für die vorliegende Schrift folgende Bereiche von besonderem Interesse:
1 die Differenzierung verschiedener Gedächtnismodelle,
2 die Gedächtnisprozesse, die eine Information von der ersten Begegnung bis zur endgültigen Speicherung durchlaufen kann,
3 verschiedene Gedächtnismodelle,
4 neurobiologische Grundlagen des Gedächtnisses,
5 Ursachen des Vergessens und Möglichkeiten der Verbesserung des Gedächtnisses und
6 die Anfänge der experimentellen Gedächtnisforschung, die bis zur Gegenwart noch Relevanz haben.
2.5.1 Gedächtnisarten
Stork (2003: 65) weist darauf hin, dass „nicht nur verschiedene Gedächtnisspeicher, sondern auch sog. Gedächtnissysteme“ voneinander unterschieden werden können und spricht in diesem Kontext von „Gedächtnisarten“ (ebd.). Diese werden häufig paarweise beschrieben und gegeneinander kontrastiert: So unterscheidet man das deklarative von dem prozeduralen Gedächtnis, das episodische von dem semantischen und das implizite von dem expliziten Gedächtnis (vgl. ebd.).
Das deklarative Wissen entspricht dem Faktenwissen, wie z. B. Jahreszahlen, das eine Person entweder hat oder nicht (Alles-oder-nichts-Prinzip) und das häufig verbal vermittelt werden kann, während prozedurales Wissen, wie z. B. Fahrradfahren, eher Fertigkeiten entspricht, in Teilen vorhanden sein kann, durch Übung erworben wird und oft besser gezeigt als erklärt werden kann (vgl. ebd., Michel & Novak 2004: 149). „Deklaratives Wissen wird häufig beschrieben als ‚Wissen, dass‘ (knowing that) und prozedurales Wissen als ‚Wissen, wie‘ (knowing how).“ (Stork 2003: 65)
Tulving (1972) gliedert das deklarative Gedächtnis in zwei Unterformen: das episodische und das semantische Gedächtnis, wobei ersteres auf Erfahrungen aus persönlichen Erlebnissen basiert, während sich das zweite auf Kenntnisse über Sachverhalte, Weltwissen, aber auch auf die Bedeutung von Begriffen und Wörtern bezieht (vgl. Stork 2003: 66).
Die Fähigkeiten im impliziten Gedächtnis werden gekonnt oder verbessert, ohne dass sich die betreffende Person bewusst an die Erfahrung erinnern kann, die dazu geführt hat. Im Gegensatz dazu erfordert das explizite Gedächtnis das bewusste Erinnern. (vgl. ebd.)
2.5.2 Gedächtnisprozesse und die Relevanz der Aufmerksamkeit
Die Phasen der Informationsverarbeitung im Gedächtnis gliedern sich in Aufnahme (encoding), Speicherung (storage) und Abruf (retrieval) einer Information. Da die Aufmerksamkeit zum Zeitpunkt der Enkodierung eine zentrale Rolle spielt, wird sie an dieser Stelle ebenfalls beleuchtet.
2.5.2.1 Aufmerksamkeit
Es gilt „Aufmerksamkeit sowohl als Eigenschaft des lernenden Individuums als auch im pädagogisch-didaktischen Sinne als Bestandteil und Voraussetzung des Lehr-und Lernprozesses zu betrachten“ (Arndt & Sambanis 2017: 59). Spitzer (2009: 155) merkt an, dass „[j]e aufmerksamer ein Mensch ist, desto besser wird er bestimmte Inhalte behalten“, und unterscheidet die grundsätzliche Aufmerksamkeit (Vigilanz) von der selektiven Aufmerksamkeit, bei der sich eine Person auf einen bestimmten Bereich, z. B. einen Aspekt, einen Ort oder einen anderen Wahrnehmungsgegenstand, fokussiert (vgl. Spitzer 2009: 155).
Während die Vigilanz die Aktivierung des Gehirns überhaupt betrifft, bewirkt die selektive Aufmerksamkeit eine Zunahme der Aktivierung genau derjenigen Gehirnareale, welche die jeweils aufmerksam und damit bevorzugt behandelte Information verarbeiten. (ebd.)
Sollen Gedächtnisinhalte gespeichert werden, ist somit die selektive Aufmerksamkeit von hoher Relevanz, woraus sich schlussfolgern lässt: „Wie intensiv wir die prinzipiell vorhandenen Verarbeitungskapazitäten nutzen können, ist also abhängig von unserer Wachheit“ (Arndt & Sambanis 2017: 59). Aufmerksamkeit stellt allerdings eine nicht unerschöpfliche Ressource dar, weswegen gut abgewogen werden muss, worauf sie gelenkt werden soll, was impliziert, dass „die Hinwendung zu etwas Bestimmten“ (ebd.) mit der „Nichtbeachtung von etwas anderem“ (ebd.) einhergeht. Dabei hat die Begrenzung unserer Aufmerksamkeit „sowohl strukturelle wie auch energetische Ursachen, die im Aufbau und der Funktionsweise unseres Gehirns als Organ begründet liegen“ (ebd.). Ist die nötige Aufmerksamkeit gegeben, sind an der Verankerung neuen Wissens im Gehirn zwei Vorgehen maßgeblich beteiligt, nämlich die Enkodierung sowie die Konsolidierung.
2.5.2.2 Enkodierung und Konsolidierung
Über die Sinnesorgane gelangen Reizinformationen aus der Umwelt ins Gehirn, wo sie zunächst durch sensorische Prozesse in einen neuronalen Code umgewandelt werden, um somit in für Neuronen lesbare Informationen übersetzt bzw. verschlüsselt zu werden. Dies geschieht durch das Enkodieren (vgl. Sambanis & Walter 2019: 33). Jedoch sind einmal encodierte Reize nicht dauerhaft verfügbar, sondern zerfallen, um den hierfür zur Verfügung stehenden wertvollen und begrenzten Speicherplatz im Arbeitsgedächtnis wieder für neue Informationen freizugeben. Sollen Inhalte dauerhaft gespeichert werden, erfolgt ihre Sicherung durch einen zweiten Prozess: die Konsolidierung.
Konsolidierung bedeutet Verfestigen, in Zusammenhang mit Lernprozessen auch längerfristige Speicherung, Erreichen von Abrufbarkeit und Anwendbarkeit. (Sambanis 2013: 83)
Eben da liegt eine ernstzunehmende Herausforderung beim Lernen von Wörtern:
Die Erfahrungen mit Lehr- und Lernprozessen zeigen, dass die größten Schwierigkeiten des Wörterlernens in der Phase des Behaltens, d.h. dem langfristigen Speichern im mentalen Lexikon auftreten. (Neveling 2004: 12)
Sambanis und Walter (2019: 34) definieren Konsolidierung als „das Zeitfenster, in dem Prozesse der Festigung von Gedächtnisinhalten (vielfach einhergehend mit Löschprozessen)