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Artkonzept hat seine Grenzen:

      • Arten, die sich nur ungeschlechtlich vermehren (klonal oder durch Parthenogenese), werden durch die Definition des biologischen Artkonzeptes nicht erfasst. Zu diesen gehören alle Prokaryoten (Mikroorganismen), einige Pilze und Pflanzen, verschiedene Insekten und Echsen.

      • Viele Pflanzen- und Tierarten kreuzen sich auch in der Natur (z.B. Steinkorallen, Orchideen). Nach dem biologischen Artkonzept sind einige Orchideenarten keine getrennten Arten.

      • Individuen, die sich nie in einer Population fortpflanzen können (z.B. Arbeiterinnen bei Bienen oder Ameisen) werden vom biologischen Artkonzept nicht erfasst, obwohl sie zum Genpool beitragen.

      Trotz dieser Einschränkungen findet das biologische Artkonzept als «vorstellbares Modell» häufig Verwendung in der Ökologie und Naturschutzbiologie.

      In neuerer Zeit werden immer mehr molekularbiologische Methoden zur Unterscheidung einzelner Arten eingesetzt (Exkurs: DNA-Taxonomie und DNA-Barcoding). DNA-Taxonomie ermöglicht die Entdeckung und Beschreibung neuer Arten, ist aber kein Ersatz für die klassische Taxonomie. DNA-Barcoding funktioniert nicht ohne die Taxonomie- und Systematik-Fachleute der einzelnen Organismengruppen. Entscheidende Fortschritte in der Biodiversitätserfassung wird es nur durch den komplementären Einsatz von klassischen und molekularen Methoden geben.

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      DNA-Taxonomie und DNA-Barcoding

      Zur Unterscheidung einzelner Arten werden zunehmend molekularbiologische Methoden (vor allem Sequenzierung geeigneter DNA-Abschnitte) angewendet (Tautz et al. 2003). Bisher wurden DNA-Sequenzen meistens als Zusatzkriterien zur sicheren Artbestimmung angewendet. Seit geraumer Zeit gibt es aber Bemühungen, alle bekannten Arten auch molekularbiologisch zu charakterisieren. Dabei wird nicht das ganze Genom sequenziert, sondern nur Abschnitte (oft die Cytochrom-Oxidase Untereinheit I).

      DNA-Barcoding ermöglicht die Identifizierung von bereits bekannten Arten mittels eines arttypischen DNA-Fragmentes durch den Abgleich mit einer bestehenden Datenbank (www.barcodinglife.com). Das funktioniert ähnlich wie das Barcoding (Streifencode) auf Verkaufswaren im Supermarkt, nur dass hier nicht schwarze Streifen, sondern DNA-Basenabfolgen zur Identifizierung dienen (Streit 2007). Sequenziergeräte dürften in Zukunft kleiner und preiswerter werden, was charakteristische Zuordnungen von DNA-Proben zu konkreten Taxa vermutlich sogar im Freiland ermöglichen wird. Bis zur Etablierung einer weltweit auch nur annähernd vollständigen Barcoding-Datenbank ist der Arbeitsaufwand allerding sehr groß.

      Wie entstehen neue Arten?

      Der entscheidende Schritt einer potenziell neuen Art erfolgt mit der vollständigen Trennung des Genpools einer Population von anderen Populationen. Dies ist der Fall, wenn sich die Individuen der betrachteten Population nicht mehr mit den Individuen der anderen Populationen kreuzen. Ist der Genpool einer Teilpopulation einmal isoliert, folgt er einer eigenen, unabhängigen Entwicklung, die durch natürliche Selektion, genetische Drift und Mutation beeinflusst wird. Verschiedene Prozesse können zur Artbildung führen:

      • Allopatrische oder geografische Artbildung,

      • sympatrische Artbildung (Polyploidie und Artbildung durch Konkurrenz).

      Allopatrische (geografische) Artbildung kann eintreten, wenn das Verbreitungsgebiet einer Art durch äußere Prozesse in zwei oder mehr Teile aufgespalten wird. Eine Population wird durch die Neubesiedlung einer

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      Insel, durch Austrocknung von Gewässern, durch Vergletscherung, Vulkanausbruch oder durch Landhebung vom Hauptverbreitungsgebiet der Art abgetrennt. Zunächst wird sich der Genpool von der isolierten Population kaum vom Genpool der Art im Hauptverbreitungsgebiet unterscheiden. Falls es aber Unterschiede in den klimatischen Bedingungen und anderen selektiven Faktoren zwischen dem abgetrennten Gebiet und dem Hauptgebiet gibt, werden sich die Genfrequenzen durch natürliche Selektion, genetische Drift und Mutation verändern. Das abgetrennte Gebiet ist beispielsweise wärmer und beherbergt eine andere Prädatorart. Dann wird die natürliche Selektion diejenigen Individuen bevorzugen, die am besten an ein wärmeres Klima angepasst sind und den neuen Prädatoren ausweichen können. Aufgrund der unterschiedlichen Selektionsdrucke auf die beiden Populationen werden sie sich nun langsam genetisch auseinanderentwickeln. Es können Veränderungen im Verhalten, in der Physiologie und der Morphologie zwischen den beiden Populationen entstehen, die keine erfolgreiche Fortpflanzung mehr zulassen und somit zur reproduktiven Isolation führen.

      Es gibt zahlreiche Beispiele von allopatrischer Artbildung. In den bewaldeten Bergketten der Insel Oahu (Hawaii) konnten 41 endemische Baumschneckenarten der Gattung Achatinella nachgewiesen werden (Hadfield 1986). Getrennt durch Bergrücken beherbergte jedes Tal ihre eigene Art von diesen Baumschnecken, die sich von auf Blättern wachsenden Pilzen ernährten. Durch Zerstörung des Lebensraumes, dem Aussetzen von nicht-einheimischen Schneckenprädatoren und übermäßige Sammeltätigkeiten sind in den letzten Jahrzehnten aber über 30 Arten ausgestorben (Kapitel 8).

      In den Alpen isolierte die wiederholte Vergletscherung während der Eiszeiten zahlreiche Pflanzen- und Tierarten auf wenigen eisfreien «Inseln». In Perioden zwischen den Eiszeiten konnten sich manche Restpopulationen nur beschränkt wieder ausbreiten. Viele Populationen entwickelten sich während der Isolation zu neuen Arten. Allein in den österreichischen Alpen kommen 103 endemische Pflanzenarten und -unterarten vor, die auf diese Weise entstanden sein dürften (Essl et al. 2009; siehe Exkurs «Endemische Arten», Seite 32).

      Sympatrische Artbildung erfolgt ohne geografische Trennung. Im Pflanzenreich ist sympatrische Artbildung durch Chromosomenverdoppelung oder -vervielfachung (Polyploidie) häufig. Durch Unregelmäßigkeiten in der Chromosomenpaarung oder -verteilung während der Reduktionsteilung (Meiose) können die Nachkommen doppelte Chromosomensätze haben. Eine Kreuzung von Individuen mit einer |20◄ ►21| unterschiedlichen Anzahl von Chromosomensätzen führt in der Regel zu sterilen Hybriden, die keine normale Meiose mehr durchführen können. Ein polyploider Organismus hat somit über die Verdoppelung des Chromosomensatzes einen reproduktiven Isolationsmechanismus gegenüber den ursprünglichen Individuen aufgebaut. Im Vergleich zur allopatrischen Artbildung ist Polyploidie ein sehr schneller Artbildungsprozess.

      Bei Autopolyploidie stammen die Gameten von der gleichen Elternart. Autopolyploidie ist beispielsweise beim Mittleren Wegerich (Plantago media; Populationen mit Chromosomenzahl 12 und 24) gut untersucht. Bei Allopolyploidie stammen die Gameten von verschiedenen Elternarten, die häufig nahe verwandt sind. Allopolyploidie spielt bei der Entstehung von vielen Kulturpflanzen eine wichtige Rolle. Bei Tieren ist Polyploidie seltener, kommt aber bei Arten vor, die sich durch Parthenogenese fortpflanzen, beispielsweise beim Salinenkrebs (Artemia salina).

      Sympatrische Artbildung kann auch als Ergebnis einer disruptiven Selektion auftreten, die zwei oder mehr Phänotypen innerhalb einer Population begünstigt. Wenn unterschiedliche Eigenschaften ähnlich gut geeignet sind, um Nahrungsquellen zu erschließen (beispielsweise zwei verschiedene Schnabelformen) oder andere Bedürfnisse zu erfüllen, kann natürliche Selektion auch unterschiedliche Phänotypen innerhalb einer Population begünstigen. Eine Voraussetzung ist allerdings, dass sich Organismen nur mit dem gleichen Phänotyp paaren (assortative mating). Diese Form der Artbildung konnte bisher allerdings nur in wenigen Studien nachgewiesen werden, eine davon bezieht sich auf Landschnecken mit rechts- und linksgewundenen Gehäusen.

      Die Entstehung neuer Arten ist normalerweise ein langsamer Prozess, der Hunderte bis Tausende von Generationen erfordert (Ausnahme: Polyploidie). Die Evolution neuer Gattungen und Familien verläuft sogar noch langsamer. Generell ist die Artbildungsrate auf Inseln größer als auf dem Festland. Dies ist unter anderem auf die Isolation der Inseln, den Gründereffekt (siehe oben) und das Fehlen gewisser Selektionsfaktoren zurückzuführen (fehlende Prädatoren, reduzierte Konkurrenz). Ein klassisches Beipiel für Artbildung auf Inseln sind die Darwin-Finken auf den Galapagos-Inseln.

      Eine neuentdeckte Form von Lebewesen gilt als wissenschaftliche Art, wenn sie nach den geltenden Nomenklaturregeln beschrieben wurde.

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