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im Damm gegenüber der äußeren Rechten bilden sich in diesen Monaten. Denn nun sitzt die „Alternative für Deutschland“ im Landtag. Die mikroskopisch kleine Landespartei, die erst ein gutes Jahr besteht und 350 Mitglieder zählt, hat es aus dem Nichts auf 10,6 Prozent der Zweitstimmen und elf Abgeordnete geschafft.

      Ihr Landesvorsitzender, der auch die Fraktionsführung übernimmt, ist 42 Jahre alt und heißt Björn Höcke: ein gebürtiger Westfale, der in Rheinland-Pfalz aufwuchs, einst der Jungen Union angehörte, in Hessen Sport und Geschichte studierte und als Oberstudienrat in einer Gesamtschule in Bad Sooden-Allendorf die Gymnasialstufe unterrichtete. Im Jahr 2008 war er nach Thüringen gezogen, hatte im Dorf Bornhagen im thüringischen Eichsfeld das alte Pfarrhaus gekauft. Hier, unterhalb der romantisch-schönen Burg Hanstein, nur wenige Kilometer von der Landesgrenze zu Hessen entfernt, lebt er mit seiner Frau und vier Kindern.

      Höcke, der Wahlkampf-Plakate gegen angebliche „Denkverbote“ kleben ließ, präsentiert sich als rechtskonservativer Freigeist. Sein Modell lautet „Heimat, Volk, Familie“, wobei die Familie aus Mann, Frau und mindestens drei Kindern zu bestehen habe. Er gibt sich gebildet, zitiert Hegel und Heidegger und bedient sich altgriechischer Vokabeln. Er sagt, dass das „Volkswohl“ „keine politische Entropie“ (Informationsmangel) vertrage, dass er über „eine Eschatologie“ (Glaube an die Vollendung des Einzelnen und der Dinge) verfüge und dass er sich selbst in seinen Kindern „transzendiere“.

      Der Kern der Höckeschen Begriffswelt ist die Identität. Sie sei „die zentrale Frage der Menschheit im 21. Jahrhundert“, der Schlüssel „zu ökonomischen und ökologischen Homöostasen, also ausgleichenden Selbstregulierungen einer Gesellschaft“. Deutsche und Europäer hätten „die Aufgabe, den Wert ihrer Hochkultur wiederzuentdecken“.

      Zur Landtagswahl 2014 ist noch nicht öffentlich bekannt, dass Höcke mit dem NPD-Funktionär Thorsten Heise Kontakte pflegt, dass er mutmaßlich in dessen Blättchen Texte publizierte und dass er 2010 an einer Neonazi-Demonstration in Dresden8 teilnahm. Zudem wissen nur wenige, dass er dem Netzwerk der Neuen Rechten angehört, als dessen geistiger Führer Götz Kubitschek gilt.

      Doch ob dies die Wähler abgehalten hätte, für die AfD zu stimmen? Der „Thüringen-Monitor“, eine Langzeitstudie, mit der Jenaer Politikwissenschaftler alljährlich die Wahlberechtigten nach ihren Ansichten befragen, schreibt 17 Prozent der Bürger im Jahr 2014 rechtsextremes Gedankengut zu. Diese Menschen haben nun in der AfD eine Partei, der sie ihre Stimme geben können. Und sie haben mit dem Oberstudienrat Höcke jemanden, der das ausformuliert, was sie empfinden.

      Fortan wird der Mann eine von drei Landtagsfraktionen der AfD führen. Nur in Brandenburg und Sachsen, wo gleichzeitig oder kurz zuvor Wahlen stattfanden, sitzt die Partei bisher im Parlament. „Von hier und heute beginnt eine neue Epoche in der Parteiengeschichte der Bundesrepublik Deutschland“9, ruft er auf der Wahlparty ins Mikrofon. Die AfD habe einen „vollständigen Sieg“ errungen, sie sei „eine blaue Bewegung“, die das „Vaterland in eine bessere Zukunft führen“10 werde.

      Gleichzeitig, auch das ist Höcke, präsentiert er sich kooperativ. „Natürlich gibt es Schnittmengen mit der CDU, gerade in Thüringen.“11 Aber auch bei der linken Programmatik erkenne er Ähnlichkeiten, etwa beim Thema direkter Demokratie.

      Natürlich weiß er, dass die Linke niemals mit ihm reden wird und dass der CDU-Bundesvorstand jedwede Gespräche mit der AfD ausgeschlossen hat. Aber er weiß auch, wie knapp die Mehrheiten sind. Nur weil die FDP im Herbst 2014 aus dem Landtag geflogen ist und deshalb ihre Wähler bei der Sitzverteilung nicht zählen, reicht es im Landtag entweder mit einer Stimme für die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition – oder, ebenso knapp, für ein rot-rot-grünes Experiment.

      Denn: Die Linke unter Ramelow hat sich nochmals leicht auf 28,2 Prozent verbessert. Trotz Verlusten der SPD würde es für ein Bündnis mit ihr und den Grünen reichen. Und diesmal, das ist der Unterschied zum Jahr 2009, erscheint die SPD ernsthaft dazu bereit, einen linken Ministerpräsidenten zu akzeptieren.

      Die Mehrheit der sozialdemokratischen Basis hat damit ohnehin seit Langem kein Problem mehr. Aber auch die Bundespartei hat sich 2013 auf ihrem Leipziger Parteitag gegenüber der Linken geöffnet. Hinzu kommt die Ernüchterung der SPD nach fünf Jahren gemeinsamen Regierens unter der CDU. So wie im Bund musste sie erfahren, dass sie als kleinerer Partner der Union in der Regel verliert.

      Das linke Experiment

      Auch Bodo Ramelow hat hinzugelernt, genauso wie der Berliner Linke-Stratege Benjamin Hoff, der ihn schon bei den gescheiterten Gesprächen im Jahr 2009 beriet. Deshalb wird die Verhandlungsdelegation diesmal nur mit sorgfältig ausgesuchten Gefolgsleuten besetzt. Die Sondierungen führt eine junge Frau: Susanne Hennig-Wellsow, Mitte 30, frühere Leistungssportlerin und unbelastet von der DDR-Vergangenheit. Sie hatte im Herbst 2013 mit Unterstützung Ramelows den Landesvorsitz der Linken übernommen. Ihr gemeinsames Ziel: die Regierungsmacht.

      Entsprechend effizient verlaufen die Gespräche. Die Linke ist rasch zum Schuldbekenntnis als SED-Nachfolgepartei bereit, das SPD und vor allem Grüne vor fünf Jahren vergeblich forderten. Die DDR, konzedieren Hennig-Wellsow und Ramelow, war ein „Unrechtsstaat“.

      Währenddessen reden die Sozialdemokraten auch mit der CDU, aber bloß der Form halber und um den Druck auf Linke und Grüne aufrecht zu erhalten. Das gilt umso mehr, da SPD-Landeschef Matschie von Andreas Bausewein abgelöst wird. Der Erfurter Oberbürgermeister war schon 2009 als klarer Befürworter eines Linksbündnisses aufgetreten.

      Die CDU macht der SPD den Spurwechsel leicht. Die Partei wirkt wie gelähmt. Alle belauern sich gegenseitig. Obwohl Carius und Voigt die Ministerpräsidentin zum Konflikt mit Mohring drängen, will sie lieber Geschlossenheit demonstrieren und unterstützt die Wiederwahl des Fraktionschefs. Im Gegenzug bringt Voigt Lieberknecht dazu, Carius als neuen Landtagspräsidenten durchzusetzen. Damit soll Mohring, falls man denn in die Opposition muss, ein Gegengewicht bekommen.

      Während die CDU mit sich selbst beschäftigt ist, schließen Linke, SPD und Grüne ihre Sondierungsgespräche erfolgreich ab. Danach organisieren die Sozialdemokraten einen Mitgliederentscheid, der Anfang November das gewünschte Ergebnis bringt: Knapp 70 Prozent der Teilnehmer sind für Rot-Rot-Grün. Die Koalitionsgespräche können beginnen.

      Doch nun wächst der öffentliche Widerstand. Sogar der Bundespräsident äußert sich. „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“12, fragt Joachim Gauck, der sich einst als evangelischer Pastor am DDR-System rieb, rhetorisch in einem Fernsehinterview. Es gebe Teile in der Linkspartei, sagt er, bei denen er wie viele andere auch Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln: „Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren.“

      Auch auf der Straße formiert sich Protest. Am 9. November, dem 25. Jahrestag des Mauerfalls, versammeln sich 4000 Menschen auf dem Domplatz. Organisiert wird die Demonstration von einem CDU-Mitglied, er ist Vizevorsitzender der Mittelstandsvereinigung der Union im Land13. Viele haben Kerzen mitgebracht, aber es sind auch AfD-Landtagsabgeordnete mit Fackeln zu sehen. „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“14, wird gerufen, oder „Bodo raus!“. Unter den Demonstranten ist auch Generalsekretär Voigt. Dass der 9. November ebenso der Jahrestag der Pogromnacht ist, an dem in Erfurt die Synagoge brannte, wird in Kauf genommen. Eine kurze Gedenkminute muss für die Opfer des Naziterrors reichen.

      Am 19. November 2014 ist der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag beschlussfertig15. Ein letzter Streit um das grüne Umweltministerium, dessen Abteilungen für Landwirtschaft und Forst ins linke Infrastrukturministerium wandern, wird notdürftig befriedet. Dann stellen Linke, SPD und Grüne gemeinsam den Antrag im Landtag: Ramelows Wahl soll am 5. Dezember stattfinden.

      Gegenkandidaten

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