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Grimasse und drehte sich um. Sie wollte nicht, dass ihr Kollege ihre leichte Verlegenheit bemerkte. Denn eine Besserwisserin war das Letzte, was sie sein wollte.

      „Wir müssen mehr über die Frau erfahren. Wahrscheinlich liegt irgendwo in ihrem Leben der Schlüssel“, wurde Ronni wieder sachlich, der bemerkt hatte, dass er sich mit dem Veralbern der Kollegin auf dünnem Eis bewegte.

      „Der Kollege, der zu ihr nach Hause gefahren ist, um jemanden zu benachrichtigen, hat zwar niemanden angetroffen, vielleicht haben wir mehr Erfolg oder Nachbarn können uns weiterhelfen. Komm, lass uns fahren.“

      Ronni und Lisa nahmen ihre Jacken und verließen das Büro. Der Nebel hatte sich weitgehend verflüchtigt und es schien, dass es heute ein schöner Spätherbsttag werden würde.

      Auf dem Weg zu ihrem Dienstwagen fragte Lisa „Wieso sind wir im KK 11 eigentlich so stark unterbesetzt?“

      „Ein Kollege hat Burnout, eine Kollegin ist schwanger und dann ist da noch Frank Eisenstein, der fehlt.“

      Lisa meinte gesehen zu haben, wie Ronni beim Namen Frank Eisenstein die Augen verdrehte.

      „Was ist mit ihm?“, wollte sie jetzt genau wissen, denn sie war neugierig geworden.

      „Frank und ich haben jahrelang in Duisburg zusammen gearbeitet, bevor wir beide uns aus unterschiedlichen Gründen nach Bonn haben versetzen lassen. Wir haben manchen schwierigen Fall durchgezogen. Insbesondere unser letzter Fall war nicht einfach. Ein geistig zurückgebliebener Serienmörder in Troisdorf hat uns alles abverlangt. Danach war Frank einfach fertig. Er wollte nicht mehr. Er hatte genug von Gewalt, Morden und Mördern. Ende vergangenen Jahres wurde er fünfundfünfzig und konnte sich unter Fortfall der Bezüge beurlauben lassen, ohne seinen Pensionsanspruch zu verlieren. Und das hat er gemacht. Jetzt ist er Hausmann und lebt mit Susanne Ohlrogge zusammen“, berichtete Ronni.

      „Mit der Rechtsmedizinerin, die ich heute auf der Burg kennengelernt habe?“

      „Ja, genau die. Sie liebt Frank, aber auch ihren Beruf. Diesen aufgeben, um Frank zu Hause Gesellschaft zu leisten, das wollte sie nicht.“

      „Siehst du ihn denn noch manchmal?“

      „Ja, wenn die Zeit es zulässt. Aber du kennst Frank nicht. Ich glaube, er fragt nur meinetwillen, ob es etwas Neues gibt. Ein Treffen, ohne dass wir über meine Arbeit sprechen, ist nicht möglich. Da wir beide das grundsätzlich nicht wollen, sehen wir uns eher selten. Trotzdem mögen wir uns weiterhin. So, und jetzt konzentrieren wir uns auf unseren Fall.“

      Ronni hielt den Wagen vor einem alten Fachwerkhaus an. Auf dem unteren Klingelschild stand der Name „Schlierbaum“. Er klingelte.

      Ein großer Mann, der beinahe den gesamten Türrahmen des alten Hauses ausfüllte, öffnete. Sein Gesicht wurde von einem Vollbart eingerahmt. Seine stechenden Augen, die unter buschigen Augenbrauen lagen, schauten Lisa und Ronni streitsüchtig an.

      „Was gibt es?“, stieß er in Richtung der beiden Kommissare hervor.

      „Sind Sie Herr Schlierbaum?“, fragte Ronni.

      „Wer will das wissen?“, war die Gegenfrage des Bärtigen. Ronni zog seinen Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn dem Mann vors Gesicht.

      „Wir sind von der Kriminalpolizei Bonn. Mein Name ist Kern und das ist meine Kollegin Brenner.“

      „Okay, ich bin Lars Schlierbaum. Ist etwas mit meiner Frau? Meiner Ex-Frau. Wir sind geschieden“, stellte der Mann sich jetzt bereitwillig vor.

      „Dürfen wir hereinkommen? Wo ist Ihre Tochter?“, fragte Lisa.

      Lars Schlierbaum gab den Eingang frei und ging voraus ins Haus. Die beiden Kommissare folgten ihm ins Wohnzimmer.

      „Die habe ich heute Morgen in den Kindergarten gebracht, da meine Frau nicht da war. Wahrscheinlich hat sie sich wieder mit diesem Erich versöhnt und ist jetzt bei ihm. Ihre Tochter hat sie bestimmt wieder total vergessen.“

      „Wer ist Erich?“, fragte Lisa sofort nach.

      „Erich Klein, ihr Liebhaber, mit dem sie mich betrogen hat und der unser Scheidungsgrund war. Ein Lebemann, ein von Frauen Besessener. Wahrscheinlich hat er neben Franzi noch andere Frauen. Aber Sie ist blind und läuft ihm wie ein Hund hinterher.“

      Der Mann war sauer, sauer auf diesen Erich und auf seine Frau. Das war offensichtlich.

      „Und wieso haben Sie Ihre Tochter in den Kindergarten gebracht? Sie sind doch geschieden.“

      Lisa konnte es kaum glauben, dass ein Ex-Ehemann sich so verantwortungsbewusst um den Nachwuchs kümmerte. War sie doch selbst geschieden und hatte eine Tochter. Das kannte sie so nicht von ihrem geschiedenen Mann.

      „Nach der Scheidung haben wir uns arrangiert, zumindest was unsere Tochter angeht. Sie soll nicht unter unserer gescheiterten Ehe leiden.“

      „Wann haben Sie denn Ihre Tochter in den Kindergarten gebracht?“, fragte Lisa weiter.

      „Wie immer, kurz vor acht Uhr. Meine Ex hat dienstags und freitags in Hennef eine Putzstelle. Ich hole Mia dann mittags vom Kindergarten ab und bringe sie am nächsten Morgen, wenn ich zur Arbeit fahre, wieder zurück nach Hause. Heute Morgen war Franzi nicht da, und ich warte seitdem auf sie. Ich muss schließlich wissen, wer Mia heute Mittag vom Kindergarten abholt. Ich bin selbstständig und kann es mir zum Glück leisten, hier herumzusitzen. Was ist nun mit meiner Frau?“

      „Herr Schlierbaum, setzen Sie sich bitte“, forderte Ronni den Mann auf, der bisher aufgeregt im Wohnzimmer von einem Bein auf das andere getreten war.

      Lars Schlierbaum ließ sich in einen der Sessel fallen und schaute Ronni mit einem Gemisch aus Neugierde und Furcht fragend an.

      „Ihre geschiedene Frau ist tot. Sie wurde Opfer eines Verbrechens.“

      Ronni sah bei diesen Worten den Mann aufmerksam an. Die erste Reaktion eines Angehörigen kann immer wichtig sein.

      „Nein, das kann nicht sein!“

      Der Ex-Mann von Frau Schlierbaum wurde weiß im Gesicht, schlug die Hände davor und begann hemmungslos zu weinen. Offenbar war da doch mehr Gefühl für seine geschiedene Frau, als er bisher zugegeben hatte.

      Es dauerte sehr lange, bis er sich gefangen hatte. Für Lisa war klar, dass eine weitere Befragung heute nicht möglich war. Hier spielte niemand Betroffenheit, hier war das Entsetzen echt. Die Kommissarin und der Kommissar warteten eine Weile, bis Lars Schlierbaum sich etwas beruhigt hatte.

      „Können Sie sich um Ihre Tochter kümmern?“, fragte Lisa mitfühlend, der diese, für sie unbekannte Situation, an die Nieren ging.

      „Ja, ja, natürlich. Was ist passiert und wo ist Franzi jetzt?“, fragte Herr Schlierbaum mit erstickter Stimme.

      „Wir haben Ihre Frau im Burghof der Burg Blankenberg gefunden. Sie befindet sich zurzeit in der Rechtsmedizin in Bonn“, antwortete Ronni.

      „Was … was wollte Franzi denn auf der Burg?“

      Es war klar, dass der frühere Ehemann des Opfers jetzt viele Fragen hatte, auf die er gerne eine ausführliche Antwort erhalten hätte.

      „Wie kommt Ihre Frau, Entschuldigung Ex-Frau, normalerweise nach Hause?“, fragte Ronni, ohne auf die vorherige Frage einzugehen.

      „Mit dem Zug bis zum Haltepunkt Blankenberg und den Rest des Weges bis hier oben zum Ort zu Fuß. Aber wieso war sie auf der Burg? Das macht doch überhaupt keinen Sinn.“

      Der Mann schüttelte jetzt unablässig seinen Kopf und schien durch Ronni hindurchzusehen.

      „Wir wissen es nicht – noch nicht. Womöglich hat der Täter sie abgepasst und gezwungen, zum Burghof zu gehen“, antwortete Ronni.

      Dass der Täter in diesem Fall wissen musste, wann das Opfer nach Hause kam, oder dass er sein Opfer möglicherweise sogar persönlich kannte,

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