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war da noch Susanne, die er nach Jahren jetzt wieder gesehen hatte. Bedeutete sie ihm immer noch etwas? Neben dem Unwohlsein bei dem überraschenden Zusammentreffen am See hatte er keine Gleichgültigkeit bei sich bemerkt – im Gegenteil.

      „Hallo Herr Kriminalhauptkommissar“, holte ihn der Ruf, der durch das Café schallte, in die Wirklichkeit zurück.

      Erschrocken wandte Eisenstein seinen Blick zur Theke, wo einige Menschen standen und Gebäck oder Kuchen kauften. Ein Mann wedelte mit einem Arm in der Luft und lachte Eisenstein an. Im ersten Moment konnte Eisenstein die freudig erregte Person nicht erkennen. Doch dann dämmerte es ihm. Polizist Grunert, der ihn zum See begleitet hatte. In Zivil sah er völlig anders aus als heute Morgen am See.

      Eisenstein wollte lediglich kurz zurück grüßen, als Grunert bereits bei ihm am Tisch stand. Die Blicke aller Gäste und auch des Personals klebten an seinem Rücken und auch an Eisenstein. Jetzt hatte es auch der Letzte vernommen, dass er Kommissar war.

      „Darf ich mich kurz zu Ihnen setzen?“

      Ohne eine Antwort abzuwarten, saß er bereits auf dem freien Platz Eisenstein gegenüber.

      „Gibt es etwas Neues vom Toten am See?“, fragte er erwartungsvoll, um neue Informationen aus erster Quelle zu erhalten.

      „Nein, noch nichts. Wir müssen die Obduktion abwarten“, antwortete Eisenstein etwas ungehalten über die Direktheit des Kollegen.

      „Ihr Cappuccino und Ihr Kuchen, bitte Herr Kommissar“, meldete sich jetzt die Kellnerin zu Wort, die inzwischen ebenfalls an den Tisch getreten war, und stellte das Getränk auf den Tisch.

      „Ach, Herr Kommissar, Sie untersuchen sicherlich den Tod von Franz Bertram?“, fragte sie neugierig.

      „Woher wissen Sie denn bereits jetzt davon. Und vor allem, woher kennen Sie den Namen des Toten?“, war Eisenstein sichtlich überrascht.

      „Sieglar ist ein Dorf. Nach ein paar Stunden weiß hier jeder alles, und Franz saß immer an dieser Stelle am See, wo Sie ihn gefunden haben“, meinte die Kellnerin wie selbstverständlich.

      „Kennen Sie Franz Bertram persönlich?“, hakte Eisenstein nach.

      „Natürlich. Viele in Sieglar, Eschmar und Müllekoven kennen ihn.“

      Sie stemmte ihre Hände auf den Tisch und beugte sich zum Kommissar hinunter. Ihre Stimme wurde eine Nuance leiser, wobei der Tonfall erheblich bedeutender wurde.

      „Franz ist doch ein reicher Mann geworden. Er hat als Erster den Vertrag für den Verkauf seines Grundstückes unterschrieben. Auf die anderen hat er immer wieder eingeredet, auch zu verkaufen, bis alle dann auch unterschrieben hatten. Außer diesem alten Paul, der will wahrscheinlich aus Altersstarrheit sein Grundstück nicht verkaufen. Der Franz und der Paul sind sich darüber schon oft in die Haare geraten. Da flogen schon mal die Fäuste – das war gar nicht lustig. Denn Sie müssen wissen, wenn der Paul nicht verkauft, steht das gesamte Bauvorhaben auf der Kippe. Auch hier bei uns im Café haben die Beiden schon einmal Geschirr zerdeppert. Da beide normalerweise recht nett und friedlich sind, hat der Chef nichts weiter unternommen“, berichtete die junge Frau und holte Luft, um fortzufahren.

      Diese kurze Pause nutzte Eisenstein zu einer Frage: „Um welches Bauprojekt geht es denn dabei – und wer ist Paul?“

      „Am Ortsausgang von Müllekoven will die Eigenheim GmbH mehrere Mehrfamilienhäuser bauen. Dem Paul Altmann ist das ein Dorn im Auge. Er braucht das Geld dieser Haie nicht, sagt er immer wieder. Die anderen Grundbesitzer, insbesondere Franz, können das Geld ganz gut gebrauchen. Bei Franz sind das ungefähr 500.000 €, bei Paul noch um einiges mehr.“

      „Oh, das ist heftig“, entfuhr es Eisenstein.

      Er sah jetzt den Tod von Franz Bertram in einem völlig anderen Licht. Der Besuch im Café hatte ihm sehr viel geholfen.

      „Wiederum vielen Dank für Ihre Auskünfte. Wenn ich weitere Informationen benötige, komme ich wieder einen Cappuccino hier trinken. Wie heißen Sie eigentlich?“, fragte Eisenstein mit einem breiten Lächeln, denn jeder gute Kommissar will den Namen seines Gesprächspartners wissen. Und Eisenstein war ein guter Kommissar.

      „Ich bin die Liesbeth, das reicht“, sagte die junge Frau.

      Grunert saß bisher schweigend am Tisch.

      „Wussten Sie das auch alles?“, fragte ihn Eisenstein gerade heraus.

      „Mh, ja, zum Teil“, stottert Grunert.

      „Ein für allemal: Künftig möchte ich alle Informationen, die für den Fall wichtig sein könnten, unaufgefordert sofort von Ihnen erhalten“, ordnete Eisenstein mit freundlicher Strenge im Ton an.

      Auffallend war, dass er zum ersten Mal von einem Fall gesprochen hatte. Ein möglicher Unfall schien für ihn nicht mehr relevant. Nur entsprechende Beweise hatte er noch nicht. Vielleicht brachte die Obduktion etwas zutage. Eisenstein verschlang schnell seinen Kuchen und trank den Cappuccino, denn er hatte keine Lust auf ein längeres Gespräch mit Grunert.

      Er stand auf, verabschiedete sich von Grunert und zahlte seine Rechnung bei der Kellnerin an der Theke, wobei er nicht vergaß, ihr ein reichhaltiges Trinkgeld zu geben.

      Als er wieder im Wagen saß, gingen ihm die Bilder vom Leichenfund durch den Kopf. Die leeren Bierflaschen, der umgekippte Stuhl und die umherliegenden Angelutensilien.

      Wenn Bertram gestolpert und in den See gefallen war, wieso konnte er dann nicht mehr aufstehen? Wie Susanne sagte, konnte sie noch zwei Meter vom Ufer entfernt stehen. Sicher, er hatte einige Flaschen Bier getrunken. Aber so betrunken, dass er nicht mehr aufstehen konnte, war er bestimmt nicht.

      Plötzlich wusste er, was er an der Angelstelle vermisst hatte: Der Kescher – wo war der abgeblieben. Am See wurde er nicht gefunden. Seltsam. Jeder Angler benötigt einen Kescher und hat ihn auch immer griffbereit dabei. Außer Franz Bertram – er hatte anscheinend keinen Kescher dabei gehabt!

      Er überlegte weiter, wie sich ihm die Angelstelle präsentiert hatte. Das Messer lag ziemlich weit oberhalb des Wassers im Gras, beinahe am Rand des Angelplatzes. Wieso lag das Messer dort oben? Bertram würde das Messer doch in der Nähe des Wassers benötigen, wenn er einen Fisch gefangen hatte. Die Messerspitze zeigte seltsamerweise vom Wasser weg. Wenn Bertram das Messer aus der Hand gelegt oder fallen gelassen hätte, würde es bestimmt mit der Spitze zum Wasser, höchstens jedoch zur Seite zeigen, aber niemals mit der Spitze vom Wasser weg. Auch seine Taschenlampe lag in der gleichen Entfernung vom Wasser wie das Messer.

      All diese möglichen Ungereimtheiten sah Eisenstein jetzt, nachdem er den Fall mit anderen Augen betrachtete.

      Eisenstein wäre fast an der Ausfahrt Bonn-Pützchen vorbeigefahren. Gerade noch konnte er seinen Wagen abbremsen und in die Ausfahrt lenken.

      Inzwischen war es bereits dämmrig geworden. Den Fall sollte er jetzt bis morgen zurückstellen. Inka wartete bestimmt schon lange auf ihn.

      Er schloss die Haustüre auf und betrat den Hausflur. Inka kam ihm strahlend aus dem Wohnzimmer entgegen.

      „Wie war‘s? Ein schwieriger Fall?“, fragte sie pflichtgemäß, hatte Eisenstein zumindest den Eindruck.

      „Wie üblich. Wir wissen noch nichts Genaues. Wie bist du mit dem Makler verblieben?“

      „Die Wohnung ist einfach toll. Ich habe ihm gesagt, dass du auch nicht abgeneigt bist, ich aber noch mit dir sprechen werde. Er will uns die Wohnung bis Ende der Woche reservieren. Ist das nicht toll? So haben wir Zeit, ausführlich darüber zu sprechen“, erzählte sie begeistert.

      „Ja, das ist toll. Aber heute habe ich keinen Kopf mehr dafür. Reden wir morgen darüber“, bat er und war erleichtert, dass er das Gespräch und damit auch eine Entscheidung verschieben konnte.

      Inka hingegen machte ein beleidigtes Gesicht. Sie hatte sich vorgestellt, heute Abend mit Frank den Mietvertrag auszufüllen und ausgiebig über die Einrichtung und den Kauf von Gardinen und Vorhängen und sonstigen Einrichtungsgegenständen,

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