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       STEPHEN BATCHELOR

       Die Kunst,

       mit sich

       allein zu sein

      Übersetzung aus dem Englischen von Saskia Graf

      Der Verlag dankt der Buddhastiftung für die Unterstützung bei der Übersetzung des Buches.

       Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

      Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

       www.edition-steinrich.de

      Originaltitel: The art of solitude

      Originally published by Yale University Press

      © 2020 by Stephen Batchelor

      Textgrundlage dieses eBooks ist die gedruckte Version des gleichnamigen Titels.

      Alle Rechte vorbehalten

      Copyright eBook: © 2020 by edition steinrich, Berlin

      Copyright der deutschen Ausgabe: © 2020 by edition steinrich, Berlin

      Übersetzung: Saskia Graf, Buddhastiftung

      Lektorat: Ursula Richard

      Korrektorat: Carl Polónyi

      Umschlagcollage: © Stephen Batchelor

      Umschlaggestaltung: Grafikbüro Schadenberg, Berlin

      Gestaltung und Satz: Traudel Reiß

      E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

      ISBN Print 978-3-942085-73-1

      ISBN ebook 978-3-942085-74-8

       Inhalt

      Einleitung

      Die Kunst, mit sich allein zu sein

      Anhang:

      Die Vier Achter

      Glossar

      Bibliografie

      Danksagungen

      Über den Autor

      Zieh dich in dich zurück, aber bereite dich allem voran darauf vor, dich dort zu empfangen. Wenn du es nicht verstehst, dich selbst zu geleiten, wäre es doch Wahnsinn, dich dir selbst anzuvertrauen. Es gibt Wege des Scheiterns in der Einsamkeit wie in der Gesellschaft.

      MICHEL DE MONTAIGNE

      Denn oft, wenn auf dem Sofa ich ruh’

      Leer oder in Nachdenklichkeit,

      Leuchten sie auf, jenem inner’n Auge zu,

      Das ist die Wonne der Einsamkeit;

      Mein Herz vor Freude hingerissen

      Tanzt dann mit den Narzissen

      WILLIAM WORDSWORTH

      Solitude ist in der englischen Originalausgabe ein zentraler Begriff, was sich bereits im Titel The Art of Solitude ausdrückt. Im Deutschen haben wir, um bei diesem (im Französischen wie im Englischen) äußerst vielschichtigen Begriff die jeweils stimmige Nuance zu treffen, je nach Kontext, Einsamkeit, Mit-sich-Alleinsein, Fürsichsein oder Abgeschiedenheit als Übersetzung gewählt.

       Einleitung

      Mit sich allein sein ist ein fließendes Konzept, das von den Tiefen eines Verlassenheitsgefühls bis zur mystischen Entrückung eines Heiligen reicht. In seinem Gedicht La Fin de Satan [Das Ende Satans] unterstrich der Schriftsteller Victor Hugo, dass »die Gesamtheit der Hölle in einem einzigen Wort enthalten ist: Einsamkeit«. Später räumte er ein: »Einsamkeit ist gut für große Geister, aber schlecht für kleine. Sie plagt den Verstand, den sie nicht erhellt.« Allerdings vermochte Hugo nicht so weit zu gehen wie sein älterer englischer Zeitgenosse, William Wordsworth, für den Einsamkeit eine »Wonne« war, die das Herz mit Freude erfüllte. Ich vermeide weitgehend die Extreme von Hölle und Glückseligkeit und werde hier den mittleren Weg des Mit-sich-Alleinseins untersuchen, den ich als Ort der Autonomie, des Staunens, der Kontemplation, der Vorstellungskraft, der Inspiration und der Fürsorge betrachte.

      Ich behandle Mit-sich-Alleinsein als eine Form der Praxis, eine Lebensweise – wie sie gleichermaßen von Buddha und Montaigne verstanden wurde –, anstatt sie als einen individuellen psychischen Zustand zu analysieren. Isolation und Entfremdung betrachte ich als die dunklen, tragischen Seiten des Mit-sich-Alleinseins. Eingebettet in unser sterbliches Dasein sind aber beide Teil dessen, was es bedeutet, allein zu sein, ob in einer Klosterzelle, einem Künstleratelier oder einer problembeladenen Ehe. Mit sich allein sein ist, wie die Liebe, zu komplex und eine zu grundlegende Dimension menschlichen Lebens, als dass sie je mit einer einzigen Definition erfasst werden könnte. Meine Absicht ist es nicht, Mit-sich-Alleinsein zu »erklären«. Ich möchte seinen Reichtum und seine Tiefe offenlegen, indem ich Geschichten von Menschen erzähle, die Mit-sich-Alleinsein gelebt haben und leben.

      Dieses Buch ist eine facettenreiche, parataktische Erkundung dessen, was meine eigene Praxis des Mit-sich-Alleinseins in den vergangenen vierzig Jahren unterstützt hat. Ich habe Zeit an abgelegenen Orten verbracht, schätze die Kunst und betätige mich selbst künstlerisch, praktiziere Meditation und nehme an Retreats teil, habe Peyote und Ayahuasca zu mir genommen und übe mich darin, mir einen offenen, hinterfragenden Geist zu bewahren – all das hat dazu beigetragen, dass ich gut allein sein und mich dabei wohlfühlen kann.

      2013 bin ich sechzig Jahre alt geworden. Ich habe eine einjährige Auszeit von meiner Arbeit als Meditations- und Philosophielehrer genommen und einen Großteil des Jahres mit Reisen, Studieren und dem Erstellen von Collagen verbracht. Im Januar fuhr ich mit dem Bus von Mumbai nach Bhopal, um die alten Felsentempel Indiens zu besuchen; im März nahm ich an einem Kolloquium über Säkularen Buddhismus im Barre Center for Buddhist Studies in Massachusetts teil; im Oktober führte mich eine Pilgerreise nach Südkorea zu Ehren des dreißigsten Todestages meines Zen-Lehrers Kusan Sunim; und im November flog ich nach Mexiko, um mit Don Toño, einem Schamanen des Huichol-Stammes, an einem Medizinkreis teilzunehmen.

      Im Rahmen des Kolloquiums in Barre präsentierte der Dharma-Lehrer und Gelehrte Gil Fronsdal seine Arbeit über eine frühe buddhistische Schrift auf Pali namens Achter-Buch (Aṭṭhakavagga). In ihrer Direktheit, Einfachheit und Nüchternheit halten die 209 Verse des Achter-Buches die prägnanten Äußerungen des Buddha fest, als er in den Jahren vor der Gründung einer Gemeinschaft, » allein wie ein Nashorn umherwanderte«. Die Verse kommen weitgehend ohne buddhistische Terminologie aus und sie propagieren ein von Meinungen und Dogmatismus befreites Leben.

      Das Achter-Buch hat mich tief beeindruckt. Fasziniert von der Möglichkeit, die vier achtstrophigen Gedichte ziemlich am Anfang des Textes könnten die frühesten Aufzeichnungen der Lehre des Buddha sein, beschloss ich, sie ins Englische zu übersetzen. Inspiriert von ihrem Rhythmus und ihren Metaphern habe ich sie eher als Poesie denn als heilige Schrift behandelt. Ich nannte meine Übersetzung die Vier Achter.

      Die Vier Achter beginnt mit der Frage nach dem Mit-sich-Alleinsein an sich:

      Die Kreatur, in ihrer Zelle verborgen –

      ein Mensch, in dunklen Leidenschaften versunken,

      ist weit, weit davon entfernt, mit sich allein in Frieden zu sein.

      VIER ACHTER, 1:1

      Ich habe den Pali-Begriff guhā mit »Zelle« übersetzt, obwohl man ihn ebenso als »Höhle«

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