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Zeit.

      Stoner fasste nach dem Türgriff.

      »Moment!« Stell schob schnell ihre Hand weg. Sie nahm ein großes Taschentuch aus ihrer Hosentasche. »Nimm das. Metall wird verdammt heiß hier draußen.«

      »Alles ist heiß hier draußen.« Sie zog mit einem Ruck die Tür auf und ließ die stehende Luft herausfallen.

      Stell schwang sich hoch auf den Fahrersitz und kramte im Handschuhfach. »Nimm die«, sagte sie und drückte ihr eine zerkratzte, angeschlagene Sonnenbrille in die Hand. »Sie ist nicht gerade schick, aber sie wird dir die Netzhaut retten.«

      Stoner setzte die Brille auf und seufzte vor Erleichterung. »Wie geht’s deiner Cousine?«

      »Scheint etwas besser zu sein«, sagte Stell, während sie den Motor anließ. »Sie wissen immer noch nicht, was mit ihr los ist. Fürchterliche Sache, sie schien von einem Tag auf den anderen auszutrocknen. Wär ja auch kein Wunder, bei dem Klima. Bis auf den Umstand, dass Claudine und Gil die Handelsstation seit über dreißig Jahren haben, und Claudines Familie schon vorher. Die Sommer in Arizona sind nicht gerade was Neues für sie.«

      Sie prügelte den Rückwärtsgang rein, setzte zurück, wobei sie nur knapp einen gelben Mercedes verfehlte, und fuhr langsam auf die Rampe zu.

      »Es gibt Gerüchte, dass oben im Norden der Reservation die gleiche Sorte Krankheit umgeht, was irgendeine Art Strahlung vermuten lässt. Vor allem, weil Anaconda und Kerr-McGee die Uranschlacke aus den Minen unter freiem Himmel abladen. Aber sie haben Claudine daraufhin untersucht und nichts gefunden. Tatsache ist, sie haben von Leukämie bis Extrauterinschwangerschaft absolut alles getestet – wobei Letzteres in ihrem Alter ein mittleres Wunder wäre.«

      »Vielleicht ist es das Wasser«, überlegte Stoner. »Oder sogar das frische Gemüse. Wenn in dem Boden hier draußen irgendwas fehlt …«

      »Nicht sehr wahrscheinlich. Gil zeigt keine Symptome. Jedenfalls haben sie sie zur Beobachtung dabehalten. Eine ziemlich hochgestochene Art zu sagen, dass die Ärzte nicht weiterwissen und einen schon mal bezahlen lassen, während sie’s rausfinden.«

      Sie schnitt einem Flughafentaxi den Weg ab und blieb im Parkverbot stehen.

      »Wer kümmert sich um Timberline?«, fragte Stoner.

      »Ted junior und sein Schatz.« Stell lachte. »Ich bin sehr gespannt, wie gewisse Stammgäste damit klarkommen. Na ja, es dürfte die Spreu vom Weizen trennen.«

      »Oh … magst du seinen Schatz?«

      »Bis jetzt schon. Rick scheint ein netter junger Mann zu sein.« Sie warf Stoner einen wissenden Blick zu. »Hör auf, das Terrain zu sondieren. Du weißt genau, dass ich das völlig in Ordnung finde.«

      »Tut mir leid. Wir hatten in letzter Zeit unsere Probleme.«

      »Klar.« Stell tauchte auf dem Boden hinter dem Sitz nach einem Cowboyhut und setzte ihn auf. »Und, wie steht’s inzwischen?«

      Stoner zuckte die Schultern. »Geht so. Gwen scheint nicht zu wissen, was ihr nächster Zug sein sollte. Ich glaube, sie hofft auf eine Versöhnung, aber bis jetzt hat sie noch nichts von ihrer Großmutter gehört. Es muss sie scheußlich bedrücken, aber das ist bei ihr manchmal schwer zu sagen. Sie ist besser im Verdrängen als ich.«

      »Wahrscheinlich ganz gut, dass sie mal rauskommt. Hilft ihr vielleicht, die Dingen in neuem Licht zu sehen.« Sie trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. »Wie viel weiß ich offiziell? Ich will mich nicht gleich ins Fettnäpfchen setzen.«

      »Sie weiß, dass ich’s dir erzählt hab. Das geht in Ordnung.«

      »Ich könnte den unwiderstehlichen Drang haben, meine Meinung zu äußern.«

      Stoner lächelte. »Deine Meinung ist immer willkommen.«

      »Sag das mal meinem ewigliebenden Gatten. Er darf meine Meinung schon seit fünfunddreißig Jahren über sich ergehen lassen.«

      Wenn Gwen nicht bald auftaucht, dachte sie, ist von uns nichts mehr übrig als Fett und Knochen. Das Führerhaus des Lastwagens fühlte sich an wie ein Hochofen.

      »Macht es dir Spaß, hier den Laden zu schmeißen?«, fragte sie.

      »Es ist eine Herausforderung.« Stell öffnete ihre Tür und streckte ein Bein auf dem Trittbrett aus. In dieser Pose sah sie ein bisschen wie eine in die Jahre gekommene Rodeo-Queen aus. »Die meisten Indianer vertrauen uns genug, um weiterhin dort zu kaufen, schließlich sind wir mit Gil und Claudine verwandt, und Verwandtschaft zählt viel bei ihnen. Aber es ist schwer zu vergessen, dass wir sichtbare Vertreter einer Rasse sind, die sie seit vierhundert Jahren fürchterlich bescheißt. Das macht einen wohl übervorsichtig und übersensibel.« Sie warf Stoner einen Blick zu. »Warum erklär ich Idiotin dir das eigentlich? Du weißt, wie es ist, gehasst zu werden, ohne dass du was dafür kannst.«

      »Ach, Stell, ich bin froh, dass wir uns entschlossen haben zu kommen. Es wird Gwen guttun, mit dir zusammen zu sein.«

      Stell johlte. »Das ist das erste Mal, dass mir jemand einen guten Einfluss auf die Jugend zutraut.« Sie lugte unter der Krempe ihres Hutes hervor und wedelte mit dem Daumen in Richtung des Schalters. »Dreh dich nicht um. Jetzt gehen die Ferien richtig los.«

      Gwen kam rückwärts durch die Tür, schwankend unter dem Gewicht ihres Gepäcks.

      Stoner hechtete aus dem Wagen.

      »Himmel!«, rief Stell. »Muss wohl Liebe sein.«

      Gwen ließ einen Koffer fallen und hielt sich die Hand über die Augen. »Die wollen uns umbringen!«, keuchte sie. »Hallo, Stell.«

      »Selber hallo. Komm, quetsch dich neben mich. Eng, aber besser, als hinten in der Sonne zu sitzen.«

      Stoner warf die Koffer auf die Ladefläche. »Soll ich die festbinden?«

      »Allerdings. Wir haben noch ein ordentliches Geholper vor uns bis Spirit Wells.«

      Stoner sicherte die Koffer und kletterte auf den Sitz neben Gwen. Gwen langte rüber und wackelte an ihrer Sonnenbrille. »Ganz schön kerlig.«

      »Lass das«, sagte Stoner und gab ihr einen Klaps auf die Hand.

      Stell knallte ihre Tür zu, drehte die Klimaanlage voll auf und brachte den Motor auf Touren. »Haltet euch an euren BH-Trägern fest, Mädels. Es geht los.«

      »Wie weit ist es?«, fragte Gwen, als Stell über die Rampe hinausholperte.

      »Ungefähr dreihundertfünfzig Kilometer Luftlinie. Wir sind am späten Nachmittag zu Hause.«

      Stoner rechnete. »Dreihundertfünfzig Kilometer – das sind fast vier Stunden.«

      »Mehr oder weniger. Wir haben hier draußen eine gesunde Respektlosigkeit gegenüber Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ich muss in Beale noch schnell was einkaufen. Dauert nur ’ne Minute.«

      »Toll«, sagte Gwen, »dann werd ich mir noch einen niveaulosen Schmöker besorgen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so was bei euch gibt.«

      »Auf keinen Fall. Wir lesen hier draußen nur die Großen Werke der Westlichen Welt.«

      Wolkenkratzer, Monolithe aus Beton und Glas, säumten die Straße in hässlicher Nüchternheit. Familienkutschen und Taxis wälzten sich zentimeterweise auf die Ampeln zu, die Motoren knurrten Drohungen, die Fahrer tauschten finstere, feindselige Blicke. Fußgänger liefen im Zickzack hindurch. Teenager jagten mit wilder und lebensgefährlicher Hingabe auf Skateboards vorbei. Busse verpesteten die Luft. Nur gelegentlich unterbrach ein Fleckchen Rasen, ein Stück Kolonial- oder viktorianische Architektur die Eintönigkeit und ließ einen Hauch von Atmosphäre aufblitzen.

      »Was ist euer erster Eindruck?«, fragte Stell.

      »Es ist sehr sauber«, sagte Stoner höflich.

      Stell lachte. »Ich werd euch Phoenix erläutern: Fünf von den sechs höchsten Gebäuden der Stadt sind Banken. Das sechste ist das Hyatt Regency-Hotel.«

      »Das

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