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      Friedemann Steiger (Hrsg.)

      Memoiren der Theologin

      RUTH PASKERT

      Ein Blick zurück in Liebe

      Engelsdorfer Verlag

       Leipzig

       2016

      Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

       Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

       detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

      ISBN 978-3-96008-516-4

      Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

      Alle Rechte beim Autor

      Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

      1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016

       www.engelsdorfer-verlag.de

      VORWORT DES HERAUSGEBERS

      Es ist mir eine große Freude, die Memoiren der Theologin Ruth Paskert herausgeben zu können. Sie ist einen außergewöhnlichen Lebensweg gegangen. Ich hatte Kontakt zu ihr in ihrer letzten Lebenszeit, wo sie im Ruhestand in Spanien lebte. Die Verbindung war entstanden durch unsere Gemeindepädagogin, Frau Johanna Schade, die auch im Burckhardt-Haus in Berlin Dahlem als Gemeindehelferin ausgebildet worden war. Ruth Paskert war neugierig auf unsere kirchlichen Verhältnisse in der DDR. Wir schrieben uns und später telefonierten wir miteinander. Sie schickte mir ihre Memoiren, die ich schon damals nicht nur lesenswert fand, weil sie die Zeit vor meiner Zeit (Ich bin Jahrgang 1938) behandelte, sondern eben auch, weil sie die theologische und politische Auseinandersetzung, die Theologie Bultmanns und die Jahre der Bekennenden Kirche am Beispiel der Schwesternschaft von Kaiserswerth, sehr persönlich und problemnah erzählte. Da gab es schon Bezüge zu unserer Auseinandersetzung mit dem Formationszwang der Geschichte und ihrer sogenannten Gesetzmäßigkeit. Ich hatte das schon in meiner Ausbildung verstanden, bekam in der DDR keinen Studienplatz, studierte in Berlin-Zehlendorf Evangelische Theologie und Philosophie, machte nach dem Mauerbau dann doch in Halle meine Abschlüsse und wurde in ständiger Auseinandersetzung mit dem bei uns herrschenden System Pfarrer in einem dörflichen Gemeindebereich mit starkem Anschluss an die Gesamtkirche.

      Von Ruth Paskert habe ich gelernt, fromm, treu, ehrlich, fleißig und bei allem fröhlich zu bleiben. Sie war von einem großen Vertrauen beseelt, dass es EINER gut mit ihr meint. Sie hatte eine gewaltige Sehnsucht nach Gerechtigkeit und versuchte immer wieder für andere stark zu sein und sich für sie einzusetzen. Glauben und Leben bildeten bei ihr eine Einheit.

      Ihre Lebensdaten:

      Sie wurde am 24. 6. 1910 in Essen geboren. Ihr Vater war Eduard Paslack, ein Bahnbeamter und Zugführer, der später seinen Namen in Paskert ändern ließ. In ihrem Elternhaus erlebte sie eine tiefe und streng pietistische Erziehung, Gebet, Gesang, Musik, Gottes Wort. Besuche am Sonntag bei Kranken prägten ihre Kindheit. Sie besuchte die Volksschule und trat 1928 in eine Ausbildung bei den Kaiserswerther Diakonissen ein. Dort machte sie auch das Abitur. Am 15. 4. 1936 wurde sie als Diakonisse eingesegnet. Aber sie will mehr. Sie möchte Gemeindehelferin werden und tritt später aus der Kaiserswerther Schwesternschaft aus, obwohl die innere Verbindung immer gehalten hat, teilweise auch durch Freundschaften aus dieser Zeit. Im Herbst 1944 wurde ihre Familie aus Übach-Palenberg bei Aachen evakuiert. Ende 1944 erhielt Ruths Bruder eine Pfarrstelle in Odenhausen an der Lahn (heute Lollar). Dort ins Pfarrhaus zogen Anfang 1945 die Eltern mit Tochter Ruth; sie waren ausgebombt worden. Von dort aus begann Ruth Paskert ein Theologiestudium im nahen Marburg, besonders bei Rudolf Bultmann, der für seine besondere Art des Umgangs mit biblischen Texten bekannt wurde, Thema Entmythologisierung. Von Odenhausen aus gab es auch einen intensiven Kontakt zu dem evangelikalen Pfarrer Hans Bruns, der dort für den Deutschen Gemeinschafts- Diakonissenverband arbeitete und ein erklärter Gegner der Theologie Rudolf Bultmanns war. Der Bruder von Ruth Paskert war aber Schüler von Karl Barth gewesen und war dessen Familie freundschaftlich verbunden (Er war Cellist im Barthstreichquartett). So kam es im Pfarrhaus Odenhausen oft zu heftigen theologischen Debatten. Später, am 22. 5. 1955 wurde Ruth Paskert durch Oberkirchenrat Boue als Landespfarrerin für den Dienst an 200 Gemeindehelferinnen der Rheinischen Landeskirche ordiniert.

      Alle ihre Aufgaben erfüllte sie mit großem Eifer und einem inneren Glücksgefühl, mit hoher Verantwortungsbereitschaft und Einsatzkraft und einem gläubigen Herzen. Sie schied mit 60 Jahren aus ihrem letzten Amt, einer Pfarrstelle in einer Oberhausener Gemeinde; danach hatte sie mehrere Wohnsitze und kam zuletzt nach Spanien, wo sie auch am 16. Januar 2004 im Alter von 93 Jahren starb und in La Nucia/​Alicante beigesetzt wurde.

      Dieser Lebenslauf wird Sie, lieber Leser, sehr nachdenklich machen. Wir leben nicht den Dingen verhaftet und dem Raum, den wir meinen ständig füllen zu müssen, sondern wir leben in der Zeit von Ewigkeit zu Ewigkeit.

       Ordination

       Kaiserwerth – Ruth und Beate

       GRAN SOL 1990

      In diesen Wochen geht es wieder um die eine Geschichte in der Mitte der Zeit, die mit „Es begab sich aber zu der Zeit …“ anfängt und die uns alle angeht. Wie komme ich dazu, so anmaßend zu sein, ein Stück meiner Geschichte aufzuschreiben und anderen zu schicken? Bevor ich mich nach zwei Jahren Unterbrechung entschloss, mein Studium fortzusetzen, mich loszureißen aus der lieb gewordenen Jugendarbeit in der Synode an der Ruhr und lange ängstlich zögerte, hatte ich einen Traum, der mir zur Entscheidung verhalf. Ich kletterte auf ein unendlich hohes Gerüst und als ich oben war, schien es mir unmöglich, wieder hinunter zu kommen. Verzweifelt sah ich in die Tiefe. Da rief eine Stimme: „Sie soll sich doch fallenlassen. Wir fangen sie schon auf!“ Ja, da musste ich wohl loslassen und mich fallen lassen: Ich wusste nicht, wer die „Wir“ waren – und wusste es doch und wagte den Absprung – wagte ihn immer wieder – und machte Erfahrungen mit Gott und mit Menschen, gute und böse! Und nun habe ich in diesen Wochen eine neue Erkenntnis gewonnen und zwar beim Lesen einer von Karl Barth übersetzten Schrift der Krimiautorin Dorothy Sayers: Gott gibt sich in die böse, verlorene Welt hinein, - in Denken und Handeln böser Menschen und er nimmt uns in das Geschehen hinein mit all unserer Judas, Pilatus, ja in Hitler (so D. Sayers) – in Dresden und Hiroshima und in uns, im Guten und Bösen, wir stecken überall mittendrin, aber mit IHM, und er ist immer schon vor uns drin, in der Sprache der Bibel, als Löwe aus dem Stamm Juda, als das Lamm, - und als das Kind, in dem Gott seine Liebe zur verlorenen Welt anschauen lässt und uns einlädt zur alles überwindenden Liebe! Vielleicht müssen wir deswegen so alt werden und auch dieses Christfest noch erleben!

      Verknüpfen wir immer wieder neu unsere Lebensgeschichte mit der Geschichte dieses Kindes, so gefährlich das auch manchmal ist, wie meine Geschichte zeigt. Aber wir werden aufgefangen. Das ist meine Erfahrung!!

      In diesem Sinne aus Spanien herzliche Grüße, Ruth Paskert.

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