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die nicht allzu viel später mitsamt ihren Einheiten regelrecht abgeschlachtet wurden - weil ihre Gegner entscheidende Informationen über deren Stärke und Vorgehensweise besaßen. Dabei hatte Urquhart die Gastfreundschaft beider genossen - nachdem er sich ihnen zuvor mehr oder weniger aufgedrängt hatte. Über Mittelund Nordgriechenland sowie über den Berg Athos, Gebiete, die bis nach 1922 bei der Türkei verblieben, reiste Urquhart schließlich nach Skutari/Skodar in Albanien und danach über Konstantinopel zurück nach England. Eine weitere Reise brachte ihn Anfang der 30er-Jahre des 19. Jahrhunderts erneut in die Türkei, die er daraufhin als wichtigsten und verlässlichsten Bündnispartner Englands anpries. Überhaupt wurde Russland in der Folgezeit sein Lieblingsfeind, das er während und nach seiner kurzen Zeit als Botschaftssekretär in Konstantinopel (1835-1836) heftig bekämpfte. Politische Kompromisse lehnte er ab, weswegen sich Urquhart nunmehr gegen seinen früheren Förderer Lord Palmerston stellte.

      Heftige Angriffe auf seinen Gegner prägten auch seine Zeit als Abgeordneter im britischen Unterhaus, dem er von 1847 bis 1852 angehörte. Sein barsches Auftreten, insbesondere nach der Montenegro-Krise des Jahres 1853, verhinderte jedoch, dass er 1854 erneut in das Parlament gewählt wurde. Seine politischen Ambitionen musste Urquhart von da an aufgeben, nicht aber seine ausgedehnte Reisetätigkeit, die ihn immer wieder in das Osmanische Reich, aber auch nach Frankreich, Spanien und Nordafrika bringen sollte. So verwundert es nicht weiter, dass er nicht in seiner Heimat starb, sondern am 16. Mai 1877 in Neapel. Was er seit seinem ersten Aufenthalt in den osmanischen Gebieten beförderte, waren einerseits die politischen und wirtschaftlichen Interessen Großbritanniens, und damit verbunden eine starke Türkei als unabdingbares Gegengewicht zu einem immer einflussreicheren Russland. Dessen enormes wirtschaftliches Potenzial, das auch England hätte gefährlich werden können, war ihm nicht verborgen geblieben. Andererseits waren Urquharts Methoden mitunter rücksichtslos, da er auch in dem von ihm so geschätzten Osmanischen Reich Aufstände anzettelte, wenn ihm dies geboten erschien.

      Daneben zeigte er sich von den seiner Meinung nach ursprünglichen orientalischen Lebensformen begeistert, und es gelang ihm sogar, sein persönliches Umfeld dafür zu gewinnen. So war er im Jahr 1850 einer der Initiatoren für den Bau des ersten türkischen Bades in London, das großen Anklang finden sollte. Auch im vorliegenden Reisebericht, der im Jahr 1839 unter dem Titel „The Spirit of the East” erschien und der noch im selben Jahr ins Deutsche übersetzt wurde, finden sich zahlreiche Elogien auf die Welt des Orients. Die Menschen lebten dort noch der Natur näher, sie gestalteten sich ihre Umwelt so, wie es ihren Bedürfnissen entspricht, Herr und Diener könnten an demselben Tisch essen, und vor allem sei es die Landschaft, die auch die Wesenszüge derjenigen präge, die in ihr leben. Eindrucksvoll beschreibt er den Idealtyp des orientalischen Hauses, in dem man sich allem Anschein nach frei bewegen kann - wenn man nur die unausgesprochenen Regeln versteht, die ein geordnetes Zusammenleben überhaupt erst gewährleisten. Aber man muss sich nicht über diese Dinge verständigen, sondern alles liegt klar vor Augen, und jeder weiß, wie er sich zu benehmen hat. Urquhart steht damit in der Tradition der Romantik, einer stark zurückgewandten freilich, die in jedem Fortschritt zugleich die Zerstörung eines alten, vertrauten Wertes sieht.

      Vor diesem Hintergrund will Urquhart - wie er es in seinem Vorwort ausdrückt - einen unverfälschten Einblick in die Dinge vermitteln, um sich auf diese Weise von seinen zahlreichen literarischen Mitbewerbern zu unterscheiden, die über ihre Reiseberichte eher die eigenen politischen Überzeugungen vermittelten. Im Gegensatz zu ihm selbst fehle diesen Autoren nämlich die Bereitschaft, sich wirklich auf die geschilderte Kultur einzulassen und dieser nicht von vornherein mit dem Bewusstsein zu begegnen, dass man aus einer in jeder Beziehung überlegenen Position heraus schreibe und urteile. Er werde jedoch anders vorgehen, um damit als einziger dem Gegenstand gerecht zu werden, über den er berichten will.

      Wie sich dabei schon recht bald zeigt, interessiert ihn der von den ionischen Inseln und Epiros ausgehende Kampf um die staatliche Unabhängigkeit Griechenlands wenig. Urquhart sieht darin nur einen Prozess des Verfalls, der eine bis dahin bestehende gute politische und soziale Ordnung durcheinander bringt. So besuchte er während seiner Reise insbesondere die noch umkämpften Gebiete, um festzustellen, dass dort anstelle der früheren wirtschaftlichen Prosperität nur noch Armut herrscht, dass Dörfer und Städte zerstört sind und dass deren Einwohnerschaft ganz erheblich zusammengeschrumpft ist. Dies sei das ernüchternde Ergebnis eines zehnjährigen Kampfes, der aus Urquharts Sicht hätte vermieden werden können. Dass es so weit gekommen sei, liege aber nicht nur am griechischen Aufstand und den daran teilnehmenden, untereinander zum Teil verfeindeten Gruppen, sondern auch an den Türken selbst, die sich seit dem 19. Jahrhundert mehr und mehr dem schädlichen westlichen Einfluss geöffnet hätten, um westeuropäische Institutionen und Umgangsformen nachzuahmen. Und in der Tat war das 19. Jahrhundert für das Osmanische Reich ein Jahrhundert der Reformen, in dem man zahlreiche, aus Westeuropa stammende Elemente übernahm - und die nicht zuletzt in der weiteren politischen Entwicklung den aus Thessalonike stammenden Kemal Atatürk dazu bewogen, das Zentrum der politischen Macht von Europa weg nach Asien zu verlegen. Bis heute verbindet man in der Türkei den Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und die Einbuße der politischen Macht vor allem mit dem westeuropäischen Einfluss jener Zeit - und vor diesem Hintergrund begegnet man Europa nach wie vor mit großen Vorbehalten.

      Die Naivität, mit der Urquhart seine persönlichen Überzeugungen vorträgt, ist bisweilen aber grenzenlos. Von den Osmanen fordert er, dass sie an ihren alten Werten festhalten und damit zugleich ein Agrarstaat bleiben sollen - der sich freilich für die Produkte der rasch wachsenden englischen Industrie zu öffnen habe. Der Islam sei eine tolerante, friedfertige Religion, aber von den Greueltaten der Sultane und Wesire gegen die christliche Bevölkerung insbesondere in den europäischen Teilen des Osmanischen Reiches und der in Konstantinopel begünstigten kulturellen Gleichmacherei schreibt oder weiß er nichts. England sei die einzige politisch unschuldige Weltmacht dieser Zeit, die keine territoriale Ausdehnung anstrebe, und daher der natürliche Verbündete der Türkei, die ähnliche Prinzipien verfolge. Der britische Kolonialismus hingegen wird reichlich beschönigt. Dass Urquhart mit seinen Überzeugungen auf Dauer jedoch allein stehen sollte, beweist das unvermittelte Ende seiner politischen Laufbahn nach 1852: Man hörte ihn zwar nach wie vor an, man las seine Bücher, aber seine Sicht der Welt hatte mit den politischen Realitäten jener Tage nicht mehr viel zu tun.

      Urquharts Reisebericht wird damit auch zu einem Dokument jener tiefen politischen Veränderung, die ganz Europa und das Osmanische Reich im 19. Jahrhundert ergriff. Er selbst wehrt sich dagegen und will das verteidigen, was er für die alten Ideale hält, die allein den Fortbestand einer Gesellschaft sichern könnten. Mit diesen Vorstellungen ist er vertraut, sein eigenes Wohlbefinden hängt davon ab, und daher möchte er sie um keinen Preis verlieren. So erklärt sich auch die innere Struktur seiner Texte, denn in die Abfolge einzelner Episoden und Erlebnisse fügt er immer wieder allgemeine Erwägungen ein, mit denen er seine persönlichen Überzeugungen zu erkennen gibt. Einer seiner sehr begierigen Leser in Deutschland war übrigens Karl May, der Urquharts Weltsicht mehr oder weniger übernahm - und auch in formaler Hinsicht ganz ähnlich schrieb.

      Mitunter fällt es dem Leser ein wenig schwer, nicht doch die Geduld mit dem Autor zu verlieren, dessen politische Absichten man rasch durchschaut. Den einen oder anderen Exkurs, der von den unmittelbaren Erlebnissen ablenkt, hätte man sich vielleicht gerne erspart. Andererseits erweist er sich damit jedoch wieder als sehr belesen, und es beeindruckt durchaus, dass er die wichtigsten Bücher zur osmanischen Geschichte kennt und verarbeitet, die in seiner Zeit erhältlich waren. Dies spricht für Urquhart und zeigt, dass er immerhin dazu bereit war, auch andere Sichtweisen zur Kenntnis zu nehmen und sich damit auseinander zu setzen.

      Der vorliegende Band enthält nun die erste Hälfte seiner Reise, die ihn vom Peloponnes zum Berg Olymp in Thessalien brachte - und damit aus griechischem in türkisches Territorium. Die deutsche Übersetzung des 19. Jahrhunderts, die Urquharts mitunter altertümliches Englisch nachahmt, wurde zum Teil sprachlich angepasst, zum Teil aber auch verbessert, wo offensichtliche Verständnisfehler vorlagen. Neben Urquharts eigenen Erläuterungen hatte bereits der Übersetzer einige Begriffe oder auch Vorgänge mit eigenen Anmerkungen versehen. Diese wurden - sofern zutreffend - beibehalten und entsprechend gekennzeichnet. Viele Namen und Ereignisse, die man um 1840 noch als allgemein bekannt voraussetzen konnte, sind heute jedoch nicht mehr ohne Weiteres

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