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Die Himmelsbräute. Lise Gast
Читать онлайн.Название Die Himmelsbräute
Год выпуска 0
isbn 9788711509005
Автор произведения Lise Gast
Издательство Bookwire
Lise Gast
Die Himmelsbräute
Erinnerungen
An einen sommer in dresden
Saga
Die Himmelsbräute
© 1980 Lise Gast
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711509005
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com
BB und ich
Die Himmelsbräute – so nannte uns, BB und mich, unser gemeinsamer Freund Bobbi, obwohl wir ausgesprochen irdisch waren, das heißt, den Köstlichkeiten der Erde, die sich uns boten, von Herzen zugewandt. Welchem Umstand wir diesen Namen verdankten, werde ich gleich erläutern. Zuvor aber muß ich das Geheimnis um BB ein wenig lüften. BB hat nichts mit Brigitte Bardot zu tun, obwohl sie sich in der Zahl ihrer Verehrer durchaus mit jener hätte messen können. Der Spitzname meiner Freundin leitet sich ab von ›Blutsbruder‹. Wer nun glaubt, wir hätten früher miteinander Indianer gespielt und dabei Blutsbrüderschaft getrunken, der irrt. Der Name entsprang einfach einer Eingebung des Augenblicks, wie es für BB typisch war. Wir lernten einander erst kennen, als wir ›schon zwanzig‹ waren, in BBs Augen also auf dem besten Weg, alte Jungfern zu werden. Das durfte auf keinen Fall geschehen. Geheiratet mußte werden, das stand für sie fest, und Kinder wollten wir beide haben, einen ganzen Stall voll. Also her mit einem Mann.
Sie hatte die Auswahl (ich nicht) und entschied sich für eine alte, eigentlich abgelegte Liebe, einen jungen Landwirt, der gut verdiente und dessen Namen wie den ihrigen die drei kleinen Buchstaben ›von‹ veredelten. Das war sehr wichtig, auch wenn er ›einen Zacken weniger in der Krone hatte als sie‹, wie sie mir augenzwinkernd erklärte. Leider mußte er im Auftrag einer großen Firma für längere Zeit nach China, so daß sie mit Recht von ihrer ›traurigen Brautzeit‹ sprach. Sie war entschlossen, diese Zeit so sinnvoll wie möglich zu nützen, indem sie sich von ihren zahlreichen Verehrern nach und nach verabschiedete.
Ich selbst hatte mich mangels Angebot für einen Freund meines Bruders entschieden, eine Wahl, die ich heute noch nicht begreife. Immerhin, wir waren beide verlobt – so richtig mit Ring und Verlobungsanzeige – und trugen wenigstens in dieser Hinsicht den Namen ›Bräute‹ zu Recht. Freilich, ganz ohne ›Vergangenheit‹ war auch ich nicht. Es gibt ein altes Sprichwort: Am Anfang war der Vetter. Das trifft für viele weibliche Lebensläufe zu. Der Vetter ist fast ein Bruder, also vertraut, und doch etwas anderes, ein Mann von außerhalb. In ihn verliebt man sich probeweise, von ihm bekommt man den ersten Kuß. Mein Vetter meinte es ernst mit mir, aber da er eben ›nur‹ mein Vetter war, glaubte ich, so ganz der Richtige könne er nicht sein und rechnete ihn daher nur halb. Wie viele Um- und Irrwege geht man doch als junger Mensch! Manchmal müssen diese Wege knapp am Tod vorbeiführen. Bei uns jedenfalls taten sie es...
Als ich BB kennenlernte, absolvierten wir gerade unsere Probejahre an den Schulen der Landwirtschaftskammer und wären – hätte es nicht anders in den Sternen gestanden – Landwirtschaftslehrerinnen geworden. Es fehlten uns nur noch das letzte Halbjahr und die Abschlußprüfung. Wir hatten es so eingerichtet, daß wir das Kammerhalbjahr gemeinsam verbringen konnten, und zogen in Dresden in der Räcknitzstraße bei Mimi Schubart, einer ehemaligen Studienrätin, in ein billiges Zimmer im vierten Stock, ins ›Dachjuchee‹, nahe dem Himmel, daher also die ›Himmelsbräute‹.
BB hatte zu ihrer Verlobung einen Blumentopf mit Myrthe geschenkt bekommen. Dieser zog mit ein und siechte auf dem Fensterbrett dahin, da wir immer vergaßen, ihn zu gießen. Einmal flog er, trokken wie er war, durch den Gegenzug ins Zimmer, Bobbi, der uns besuchte, ins Kreuz.
Wenn ich Bobbi unseren gemeinsamen Freund nenne, so bitte ich, das nicht mißzuverstehen. Er war uns beiden ein treuer Helfer in allen Notlagen. Trotzdem wären wir niemals auf den Gedanken gekommen, ihn zu heiraten. Er war für uns kein Mann im üblichen Sinne, obwohl er später eine sehr nette Frau ehelichte und mit ihr fünf Kinder großzog. Er machte zwar jeder von uns einen Heiratsantrag, aber wir sagten beide: »Bobbi, als guter Freund ja, aber weiter nichts.«
Bei ihm weinte man, wenn man Liebeskummer hatte, man ›fehnste‹, wie es in Sachsen heißt, er lud einen dann in eine ›Kondietsche‹ ein oder in einen Film mit Lilian Harvey und Willy Fritsch, und kam man getröstet wieder heraus, so lief man zum nächsten Rendezvous. Nie hat er uns das krumm genommen.
»Guter Bobbi, jetzt fährst du mich da und dort hin« – er besaß ein Motorrad –, schmeichelte BB, und er tat es. Er tat alles, was sie wollte. Nicht nur er. Kein Mann war fähig, ihr einen Wunsch abzuschlagen.
Wir Himmelsbräute wohnten also zusammen in unserer Räcknitzhöhle und waren fest entschlossen, dieses Halbjahr so munter wie möglich zu verbringen. Viel Geld besaßen wir nicht. Die Hälfte unseres Gehalts, das weniger als hundert Mark ausmachte, ging schon für das Zimmer drauf; mit der anderen Hälfte mußten wir uns ernähren, Besuche bewirten – wir bekamen täglich Besuch, denn wir wohnten nur fünf Minuten von der Kammer entfernt –, Dienstausflüge finanzieren, Haare schneiden lassen und die Segnungen der Großstadt, der Kultur genießen.
BB kannte Dresden, ich noch nicht. Dresden war damals in den dreißiger Jahren eine wunderbare Stadt. Immer, wenn ich an sie denke, sehe ich sie golden überhaucht, als blickte ich durch altgoldenen Bernstein. Und dann die Elbe! Am Abend schimmerte sie manchmal tintenblau – traumhaft, unvergeßlich. Jede Stadt am Strom ist schön, Dresden übertrifft in meiner Erinnerung alle.
BB führte mich, die ich erlebnishungrig und aufnahmebereit war, auf eine ebenso wirksame wie billige Art in Dresdens Schönheit ein. Wir besaßen zusammen ein Fahrrad, zwar nicht neuesten Datums, aber es fuhr. Damit hielten wir es folgendermaßen: Eine durfte aufsitzen und strampeln, die andere lief nebenher. Auf diese Weise durchquerten wir die Stadt. Ich lernte den Altmarkt kennen, die Kreuzkirche, den Großen Garten, wir kamen an die Elbe, bestaunten die Brühlsche Terrasse und den Zwinger, bewunderten die Brücken, immer abwechselnd im Sattel oder auf Schusters Rappen. Es war anstrengend, aber herrlich. Außerdem hofften wir, durch diese ›Kulturläufe‹ schlanker zu werden, große Sehnsucht aller Stämmigen. Stämmig waren wir beide und sind es noch heute.
Leider gingen acht Stunden des Tages für den Dienst an der Kammer drauf, für uns verlorene Stunden, beabsichtigten wir doch, zu heiraten und nicht als landwirtschaftliche Lehrerinnen zu versauern. Dennoch mußten wir die kostbare Zeit absitzen, zudem hungrig, so daß sie sich qualvoll in die Länge zog. Einmal hielten wir es nicht mehr aus und stellten die Uhr in unserem Zimmer zwanzig Minuten vor, nachdem der zuständige Beamte, der mit uns den Raum teilte, hinausgegangen war. Als er wieder hereinkam, bemerkte er, daß es schon Zeit war, zu gehen. »Das hab ich ja ganz übersehen«, sagte er erstaunt und packte eilig seine Mappe. Kaum war er fort, stellten wir die Uhr wieder richtig und entflohen, froh, der Zeit ein Schnippchen geschlagen zu haben.
Das aber konnten wir nicht jeden Tag machen. Wir ersannen also immer neue Schliche, diese acht Stunden nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Einmal schnitt BB mir die Haare. Sie war sehr glücklich, daß ich es erlaubte – mangels Geld konnte ich nicht zum Friseur gehen – und rupfte und schnippelte eifrig drauf los, immer in Sorge, ich könnte »genug!« schreien.
»Ich schneid dir einen Kugelkopf«, verkündete sie, und ich ahnte Schreckliches, was sich auch bestätigte, als ich nach vollendetem Werk in den Spiegel sah. Nichts half mehr, nicht einmal der Friseur, den ich nun doch hilfeheischend aufsuchte. Denn so, das fanden wir beide, konnte ich mich vor der Welt nicht mehr sehen lassen.
»Was ab ist, ist ab, ich habe ja keine ›Dranschere‹«, seufzte