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der Medizin ist alles lateinisch. Du weißt doch, ich will Tierärztin werden.“ Michaela machte ein wichtiges Gesicht. „Aber jetzt muß ich sausen.“

      „Kommst du mal wieder vorbei?“ fragte Nannei. „Zum Spielen?“

      Michaela hatte sich schon zum Gehen gewandt; jetzt drehte sie sich wieder um. „In den Ferien.“

      „Fahrt ihr denn nicht ans Meer?“

      „Diesmal nicht. Wegen der Zwillinge.“ Michaela rümpfte ihre kurze Nase, die mit winzigen Sommersprossen betupft war. „Sei froh, daß du nur große Geschwister hast. Du ahnst nicht, was für eine Last die Kleinen sind.“

      „Zuerst fandest du sie doch süß.“

      „Da hatte ich auch noch keine Ahnung. Sie sind eine Plage, sage ich dir – grauenhaft! Ich könnte dir Sachen über die erzählen … Du würdest umfallen.“

      „Ja, tu’s doch!“ bat Nannei, die den kleinen Schwatz gerne ausdehnen wollte.

      „Keine Zeit mehr. Ein andermal.“ Wieder machte Michaela Anstalten zu gehen.

      „Du, ich muß dir auch etwas erzählen … “ Nannei tat geheimnisvoll.

      Michaela wollte laufen, aber ihre Neugier war geweckt; sie konnte nicht widerstehen. „Was denn? Sag’s schnell!“

      „Unsere Asta hat geworfen!“

      Einen Augenblick war Michaela ganz still; dann platzte sie heraus: „Das ist nicht wahr!“

      „Ich lüge nicht!“

      „Das hast du dir bloß ausgedacht, gib’s zu!“

      „Du kannst sie dir ja ansehen!“

      „Das werde ich auch tun!“ Michaela warf einen Blick auf ihre Armbanduhr; es war fünf Minuten vor sieben, und ganz pünktlich war der Bus ja nie. „Wo sind sie?“

      „Im Stall!“

      Michaela flankte über den Zaun und rannte, gefolgt von Nannei, in das Bauernhaus hinein, lief den langen, düsteren Gang entlang und riß die Stalltüre auf. „Wenn Asta wirklich geworfen hat, hättest du es mir gleich gesagt!“

      „Ich dachte, es würde dich nicht mehr interessieren.“

      „Da kennst du mich schlecht.“

      Michaela stürzte in den Stall und sah sich suchend um, und da lag wirklich auf frischem Stroh und einer Decke, in einem Verschlag Asta, die Schäferhündin, mit fünf kleinen Hündchen.

      „O Nannei, Nannei!“ schrie Michaela. „Die sind Spitze!“

      „Magst du eins?“

      „Würdest du mir denn eins geben?“

      „Wir können sie doch nicht alle aufziehen. Höchstens zwei. Eines kannst du haben.“

      „Aber ob meine Eltern es erlauben werden?“

      „Du mußt sie halt fragen“, meinte Nannei.

      Michaela wollte einen der kleinen Hunde hochheben, aber da knurrte Asta böse, so daß sie die Hand rasch wieder zurückzog. „Wer ist der Vater?“ fragte sie.

      „Weiß man nicht.“

      „Na, das wird sich schon herausstellen, wenn sie erst größer sind. Vorläufig sehen sie ja noch nicht viel besser als Ratten aus.“ Plötzlich fiel es Michaela wieder ein, daß sie zum Bus mußte. „Jetzt wird es aber höchste Eisenbahn!“ rief sie. „Bis bald!“ Sie rannte durch das Haus und ins Freie.

      Nannei folgte ihr. „Deine Jacke!“ rief sie ihr nach. „Laß dich erst abbürsten!“

      Michaela hörte gar nicht mehr zu. Sie rannte, so schnell sie konnte, hinunter.

      Als sie den halben Hang, der zum Dorf führte, hinabgerast war, sah sie den Bus. Er stand noch vor dem Gemeindehaus.

      „Halt!“ schrie sie und wedelte mit dem freien Arm. „Nicht abfahren! Ich komme ja schon!“

      Aber sie befand sich viel zu weit vom Bus entfernt, als daß der Fahrer sie hätte hören können. Und auch sonst wäre es immer noch fraglich gewesen, ob er auf sie gewartet hätte; denn sie war ja nicht die einzige, die frühmorgens nach Rosenheim fuhr. Die Erwachsenen mußten pünktlich an ihrem Arbeitsplatz sein, manche waren sogar darauf angewiesen, auf dem Bahnhof in Rosenheim einen bestimmten Zug zu erwischen.

      Jedenfalls gab der Fahrer Gas, der Bus fuhr an, und Michaela hatte buchstäblich das Nachsehen.

      Tränen stiegen ihr in die dunklen Augen, aber nicht vor Kummer, sondern vor Wut. Sie stampfte mit dem Fuß auf, schimpfte mit erstickter Stimme: „So ’ne Gemeinheit! Mist!“ Drohend fuchtelte sie mit der Faust durch die Luft.

      Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder gefaßt hatte. Dann drehte sie sich um und marschierte – was blieb ihr anderes übrig – wieder nach Hause. Aber diesmal benutzte sie nicht den gleichen Weg, sondern ging über die Hauptstraße. Auf keinen Fall wollte sie an den Leuten vorbei, denen sie vorhin begegnet war. Sie kam sich auch so schon lächerlich genug vor, hielt die Augen niedergeschlagen und hätte sich am liebsten unsichtbar gemacht.

      Nur auf die Idee, daß sie selber schuld an ihrem Unglück hatte, kam sie nicht.

      Die Tür des Doktorhauses wurde nur nachts abgeschlossen. Michaela erreichte also ungesehen ihr Zimmer. Bevor sie sich den Eltern stellte, wollte sie doch wenigstens noch ihren Blazer in Ordnung bringen, an dem Streu und Strohhalme hingen. Sie klappte das zierliche Möbelstück auf, das ihr, wenn es geschlossen war, als Schreibtisch – geöffnet mit einem großen runden Spiegel als Frisiertisch – diente, und nahm die Kleiderbürste heraus.

      Sie bewegte sich so leise wie möglich, aber ihre Mutter hörte sie doch.

      Frau Körner hatte, nachdem die Babys versorgt waren und Michaela aus dem Haus war, sich mit ihrem Mann zusammen gemütlich zum Frühstück gesetzt.

      „Michaela, bist du es?“ rief sie jetzt.

      Michaela murmelte etwas Unverständliches und putzte an sich herum.

      Frau Körner kam herein. „Hast du etwa schon wieder den Bus verpaßt?“

      Michaela wollte keinen Krach, aber sie konnte sich eine freche Antwort einfach nicht verbeißen: „Sieht ganz so aus.“

      Die Mutter schnappte nach Luft. „Und was soll nun geschehen?“

      „Höchst einfach. Entweder bringst du mich mit dem Auto zur Schule … oder ich bleibe zu Hause.“ „Michaela, du bist unmöglich!“

      „Weißt du eine bessere Lösung?“

      Frau Körner holte aus, und beinahe hätte sie Michaela eine Ohrfeige verpaßt; im letzten Moment hielt sie sich noch zurück. „Wie kannst du nur! Du weißt genau, wie mich die Zwillinge in Atem halten, und trotzdem … Vielleicht legst du es gerade deshalb darauf an, daß ich …“

      „Ist ja nicht wahr!“ rief Michaela dazwischen. „Als wenn ich was dafür könnte, daß ich den blöden Bus nicht erwischt habe!“

      „Diesmal mache ich nicht mit“, erklärte Frau Körner energisch, „ich denke ja nicht daran, mich von dir schikanieren zu lassen. Daß du es nur weißt, ich fahre dich nicht zur Schule. Von mir aus bleib zu Hause. Du wirst schon sehen, wie sich das auf dein Zeugnis auswirken wird.“

      „Wie denn schon?“ gab Michaela ungerührt zurück. „Alle Arbeiten sind längst geschrieben, die Noten brauchen ja nur noch errechnet werden, und lernen tun wir sowieso nichts mehr … “ Ihr Gesicht erhellte sich. „Du, Mutti, ich hab ’ne Idee! Vati schreibt mir einfach eine Entschuldigung … daß ich die Masern habe oder ein Bein gebrochen … und ich brauche bis zu den Sommerferien überhaupt nicht mehr in die Schule! Wäre das nicht großartig? Ich brauche nicht mehr zum Bus rennen, und ihr habt keinen Ärger mehr mit mir!“

      Der

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