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      Jungfrauen-Schloß

      Michael Marburg

      Jungfrauen-Schloß

      Copyright © 2017 Zettner Verlag und Michael Marburg

      All rights reserved

      ISBN: 9788711718049

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Zettner Verlag und Autors nicht gestattet.

      1

      Das Geheimnis einer Nacht

      Es war eine Baumwurzel, die Martin Hoffmann zum Straucheln brachte. Er stolperte, ruderte mit den Armen durch die Luft, fand keinen Halt und schlug lang hin. Mitten in eine schlammige Regenpfütze hinein.

      Fluchend kam Martin wieder hoch. Jetzt war er nicht nur durchgeweicht vom Regen, sondern auch noch starrend vor Schmutz.

      Die Blitze zuckten, und der Donner krachte. Rollend schwang sein Echo über die dicht bewaldeten Kuppen der Berge hinweg. Schlag folgte auf Schlag, und wenn die rasch aufeinanderfolgenden Blitze nicht gewesen wären, dann hätte Martin Hoffmann kaum die Hand vor seinen Augen sehen können.

      Es goß in Strömen, es war Nacht, und Martin Hoffmann hatte schon seit einer Stunde die Orientierung verloren. Im fahlen Aufflammen der Blitze sahen die Bäume ringsum wie Gespenster aus. Der Weg sah aus wie eine Flut, die mitten in die Hölle führte. Und Martin Hoffmann tappte weiter, naß und wütend, schlotternd vor Kälte. Er mußte weiter, es gab für ihn keine Wahl. Irgendwann mußte doch dieser Weg — verdammt noch mal! — ihn zu einem Ziel bringen. Zu einem Dorf. Zu einer Straße. Oder wenigstens zu einer Hütte, in der er Schutz finden konnte vor dem ewig prasselnden Regen.

      Der Weg führte im Moment bergab, er kam von einem kleinen Bergsattel herunter, den Martin Hoffmann rutschend und strauchelnd und fluchend überwunden hatte — vergeblich, wie er jetzt wußte, denn auch hier hinter diesem Sattel gab es nichts als Wald und Regen und Dreck und gottverlassene Einsamkeit.

      Wieder geriet Martin Hoffmann ins Rutschen, aber diesmal konnte er sich an einem Baumstamm festhalten. Weiter, nur weiter!

      Bei jedem Schritt quatschte das Wasser in den Schuhen. Die Kleidung klebte auf Martins frierendem Körper, kein trockener Faden war mehr an ihm.

      Dieser Wald schien keinen Anfang zu haben und kein Ende. Daß es derart riesige Waldflächen überhaupt noch gab! Martin Hoffmann vermutete zu Recht, daß er in gewaltigen Umwegen durch die schmalen Wege irrte, daß er eigentlich schon längst aus dem Wald hätte heraus sein müssen, wenn es ihm gelungen wäre, eine einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten.

      Freckendorf — dort hätte er eigentlich schon längst angekommen sein müssen. Dort wartete im einzigen Gasthof des Ortes ein Zimmer auf ihn, trocken und halbwegs gemütlich, dort hatte er trockenes Zeug, dort konnte er eine deftige Mahlzeit bekommen, aber er mußte eben erst einmal hinfinden.

      Verfluchte Einsamkeit! Verdammter Regen! Diese beschissene Finsternis, die sich wie ein undurchdringlicher Wall vor Martin auftürmte, die ihn verschluckte und nicht mehr aus ihren unheimlichen Fängen freigeben wollte.

      Dabei hatte alles so schön und so herrlich und so harmlos begonnen.

      Nach dem Mittagessen hatte Martin den Gasthof verlassen und war in den Wald gewandert, weil er allein sein wollte, weil er die unberührte Natur erleben, weil er nachdenken wollte.

      Gegen sieben Uhr abends war er müde gewesen, er hatte sich einfach ins Gras gelegt und war eingeschlafen. Nein, nicht sofort, erst hatte er sich noch einen heruntergeholt. Nur so, weil ihm danach zumute war. Und wohl auch, weil er allmählich wieder etwas brauchte. Trotz seiner Enttäuschung mit Hilde.

      Hilde war nämlich vor auf den Tag genau drei Wochen aus seinem Bett gestiegen und hatte ihm klipp und klar eröffnet, daß dies der letzte Fick gewesen sei.

      „Ich heirate nämlich übermorgen“, hatte Hilde nüchtern gesagt.

      Sie heiratete einen Kaufhausbesitzer. Außer seinem Laden besaß er einen dicken Bauch, war kurzatmig und hatte eine ansehnliche Glatze. Vor allem aber hatte er viel Geld, und das war für Hilde ausschlaggebend.

      Martin hatte Hilde gern gevögelt, daher schmerzte es ihn, daß sie so plötzlich davonlief. Zwei Wochen lang hatte Martin Hoffmann versucht, seine Enttäuschung durch Arbeit zu überwinden, aber es war ihm nicht gelungen. Deswegen war er seit einer Woche in dieser entlegenen Gegend. Er wollte Abstand gewinnen, in sich gehen, zu vergessen versuchen.

      Seit drei Wochen hatte er nicht mehr gefickt, und so war es kein Wunder, daß er jetzt, allmählich wieder zu sich selbst zurückfindend, sich im Handbetrieb Erleichterung verschaffen mußte.

      Er hatte also onaniert und anschließend tief geschlafen, und als der rollende Donner ihn geweckt hatte, war es plötzlich dunkel gewesen, der Regen hatte eingesetzt, und nach ein paar Minuten hatte Martin bereits jegliche Orientierung verloren.

      Ein neuer Blitz zuckte auf.

      Martin Hoffmann glaubte, etwa zwanzig Meter voraus eine Querschneise erkennen zu können. Vielleicht stieß er gleich auf einen etwas breiteren, leichter zu begehenden Weg.

      Hastig stolperte Martin voran.

      Plötzlich hatte er keinen Boden mehr unter den Füßen. Mit einem Schrei stürzte Martin in einen knietiefen Graben, schwer schlug er auf, mit dem Gesicht mitten in nasses, schmutziges Gras. Keuchend und schimpfend raffte Martin sich wieder auf — und hatte auf einmal festen Boden unter den Füßen.

      Glatten Boden. Den Boden einer Straße.

      „Wenigstens etwas …“, knurrte Martin, versuchte, den Schmutz aus seinem Gesicht zu wischen, aber seine Hände sahen genau so schlimm aus wie sein Gesicht, es nutzte nichts.

      Wohin jetzt? Nach rechts, nach links?

      Weil die Straße sich nach links talwärts senkte, wählte Martin diese Richtung. Orte liegen meistens in Tälern, dachte er.

      Nach knapp vierzig Schritten blieb Martin stehen. Von vorn kam ihm Scheinwerferlicht entgegen. Motorengeräusch klang auf. Ein Auto, ein Mensch!

      Eigentlich hätte Martin jetzt winken müssen. Aber er tat es nicht, trat nur zur Seite, starrte dem Wagen aus brennenden Augen entgegen. Denn in dem Zustand, in dem er sich jetzt befand, mußte er wirken wie ein aus dem Zuchthaus entwichener Schwerverbrecher. Es war sinnlos, jemand bitten zu wollen, daß er ihn in seinem Wagen mitnahm.

      Der Wagen kam näher, die Scheinwerfer erfaßten Martin. Sekunden später verringerte der Wagen seine Geschwindigkeit. Und als er genau auf Martins Höhe war, hielt er an.

      „Was ist denn mit Ihnen los?“ rief eine Männerstimme. „Ich habe mich verirrt“, erwiderte Martin. Seine Stimme war heiser. „In welcher Richtung komme ich am schnellsten in einen Ort?“

      Die Antwort ließ ein paar Augenblicke lang auf sich warten. Martin glaubte im Innern des Wagens die Umrisse zweier Menschen zu erkennen. Und er meinte zu hören, daß die beiden Menschen da drinnen im Wagen miteinander sprachen.

      „Kommen Sie her“, klang die Männerstimme nun wieder auf. „Wir nehmen Sie mit.“

      Mit steifen Knien ging Martin Hoffmann hinüber, bis er neben dem Fahrerfenster angekommen war.

      „Das ist sehr nett von Ihnen“, sagte er, „aber ich bin total durchnäßt. Ich ruiniere Ihnen bestimmt die Polster.“

      „Da hinten liegt eine Decke, darauf können Sie sich setzen“, antwortete der Fahrer und entriegelte eine der beiden hinteren Türen.

      Das Innenlicht flammte auf. Martin erkannte einenMann von vielleicht fünfunddreißig Jahren am Lenkrad, neben ihm eine junge Frau, von der Martin nicht viel sehen konnte, denn sie hatte ein seidenes Kopftuch umgeschlungen, das ihr Gesicht fast völlig verdeckte.

      „Danke“, murmelte Martin und kroch in den Wagen.

      Der

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