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      Lise Gast

      Ein Fohlen bring Glück

      Mit Zeichnungen von Ingeborg Haun

      SAGA Egmont

      Donner und Doria – Ein Fohlen bringt Glück

      Copyright © 2002, 2017 Lise Gast Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      All rights reserved

      ISBN: 9788711514436

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      „Nanu? Es ist ja so hell? Hab’ ich etwa verschlafen?“

      Dori hockte im Bett, bohrte die Fäuste in die Augen und riß diese dann wieder auf. Merkwürdig. Sie nahm sich nicht die Zeit, die Vorhänge zurückzuziehen, sondern sprang aus dem Bett und lief barfuß der Küche zu. Immer führte ihr Weg nach dem Aufwachen zuallererst in die Küche, um Tante Ulle zu begrüßen und Würfelzucker oder altes Brot für Donner zu erbetteln. Für Donner, ihr Pferd, ihre große Liebe, ihren kostbarsten Besitz. Schon vor der Schule mußte sie ihn begrüßen und füttern, sonst hätte sie nicht eine Sekunde stillsitzen können.

      Heute aber stimmte etwas nicht. Es war zu hell für die Jahreszeit, sie mußte tatsächlich verschlafen haben.

      Die Küche war leer. Es roch auch noch nicht nach Kaffee, wie sonst, und die blaugewürfelten Scheibengardinen waren noch zu. Dori ging zum Fenster, schob den Stoff beiseite – und war im Augenblick hellwach. Schnee! Deshalb war es so hell. Schnee, jetzt schon. Es war ja erst Anfang November. Ob Peter das wußte?

      Peter, Tante Ulles Sohn, Doris Vetter, war eine schreckliche Schlafmütze. Er fand und fand nicht aus dem Bett, man hätte Kanonen neben ihm abschießen können, er wäre nicht aufgewacht. Dori rüttelte ihn, zog ihm das Deckbett weg und schrie ihm in die Ohren: „Wach auf, Peter, es hat geschneit! Schnee, dicker Schnee, Peter. Nun wach doch endlich auf!“

      Als alles nichts half, lief sie nach nebenan ins Bad und suchte einen Waschlappen. Den hielt sie unter das kalte Wasser und kam damit, eine Tropfspur hinter sich lassend, in Peters Stube zurück. Klatsch, da hatte er die kalte Nässe im Gesicht, und das half nun endlich.

      „Du Ferkel, was soll denn das?“ Peter hatte sich aufgesetzt und wischte mit dem Schlafanzugärmel über Augen, Nase und Mund. „Bist du närrisch? Heute ist doch Sonntag!“

      „Ach so! Daran hatte ich gar nicht gedacht. Aber geschneit hat es, Peter, alles ist weiß. Wach auf, wir müssen die Pferde holen!“

      „Warum denn das? Die fühlen sich sicher ganz wohl im Schnee, und ich will endlich mal ausschlafen.“

      „Unsinn, wir müssen sie holen. Wie spät ist es denn eigentlich?“

      Peter drehte sich zur Wand und antwortete nicht.

      „Na schön“, sagte Dori, „dann bleib. Du bist mir ein richtiger Pferdefreund, schäm dich. Erst das Pferd, dann der Reiter. Ich hol’ sie.“

      Sie rannte in ihr Zimmer zurück, zog sich an und flitzte wieder in die Küche. Noch immer niemand hier. Also die Wendeltreppe hinunter, die ins Atelier führte. Das war früher der Pferdestall gewesen, als der Schloßhof noch bewirtschaftet wurde. Jetzt war es ein großer, heller Raum; die Ständer standen noch, an denen früher die Flankierbäume befestigt waren. Wenn Tante Ulles Mann, Onkel Martin, eine Ausstellung seiner Bilder vornahm – er war Maler –, dann fand sie hier statt. Das kam aber nur alle zwei, drei Jahre vor. Dori hatte es einmal miterlebt, es war ein großes Fest gewesen.

      Dori warf die Tür hinter sich zu und rannte über den Hof. Überall sauberer, glatter Schnee, noch niemand war darübergegangen und hatte eine Spur getreten. Ob sie mit dem Fahrrad durchkam? Die Pferde standen ein Stück weit entfernt auf der sogenannten Schmetterlingswiese. Wie aber sollte sie alle drei auf einmal führen, wenn sie auf dem Fahrrad saß? Schon eins neben sich zu führen, wenn man radelte, machte Schwierigkeiten. So entschloß sich Dori, zu laufen. Halfter wußte sie auf der Schmetterlingswiese.

      Dori lief also über den Hof, an Großmutters Häuschen vorbei, den steilen Weg hinunter. Es war ein Vergnügen, so zu rennen, nur allzu schnell durfte man nicht werden, sonst flog man auf die Nase. Aufatmend stoppte sie am Fuß des Weges und konnte nun die große Straße entlangmarschieren, mit langen Landbriefträgerschritten, das schaffte am meisten.

      Dori sah sich um. Die ganze Landschaft war verändert, das Tal wirkte viel enger, und alles war so neu und so sauber. Dori merkte, daß sie pfiff – und als sie es merkte, mußte sie aufhören, weil sie so lachen mußte. Sie hatte ihr Lieblingslied aus dem Gesangbuch gepfiffen: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud’ in dieser lieben Sommerszeit“ – na, Sommerszeit paßte ja nun wirklich nicht. Aber Freud’, ja, das konnte man sagen.

      Sie suchte nach einem passenden Lied. Lange Strekken, die man radelt oder läuft, werden kürzer, wenn man singt, das wußte Dori auch aus eigener Erfahrung. Was paßte also für heute? Das erste Weihnachtslied, das man singen „durfte“? „Es ist für uns eine Zeit angekommen“?

      Nein, lieber nicht. Man sollte nicht zu zeitig mit Weihnachtsliedern anfangen, dann dehnte sich die Adventszeit gar so sehr. Aber Sankt Martin war jetzt bald, Sankt Martin, der, wenn es schneit, auf einem Schimmel geritten kommt. Hier im Dorf, zu dem das Schloß und der Schloßhof gehörten, war der alte Brauch noch nicht vergessen. Die Kinder bastelten sich Lampions oder schnitzten sich welche aus Rüben, und der Lehrer hatte ihnen außer dem bekannten Martinslied „Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind“ zwei andere beigebracht. „Ich geh’ mit meiner Laterne“ und „Was ist der schönste Vogel, kipp, kapp Kogel, das ist die Gans“.

      Dori sang. Und es war wie immer: Durch das Singen wurde der Weg kürzer. Schließlich kletterte sie den steilen Trampelpfad hinunter, wobei sie sich vorsichtig rechts und links am Gesträuch festhielt, und atmete erleichtert auf, als Donner auf ihr Rufen sogleich wiehernd antwortete.

      Sein Wiehern klang wie „Halleluja!“, fand Dori immer, aber sie sprach das nie aus. Peter hätte ihr sofort einen Vogel gezeigt und es überall herumposaunt. So ein richtiger Pferdefreund war Peter eben immer noch nicht. Er ritt zwar auf seiner Sambesi, wenn Großmutter ihn aufforderte; aber Dori glaubte, er täte das vor allem, weil er ihr das Pony nicht gönnte, und nicht aus reiner Liebe zum Pferd. Sonst wäre er doch bestimmt heute aufgestanden und mitgelaufen, um die Pferde zu holen. Nun, sie brachte sie auch allein zum Schloßhof. Während Dori den Zucker verfütterte, den sie eingesteckt hatte, überlegte sie. Natürlich kann man drei Pferde führen, wenn diese sich kennen und leiden mögen. Manche Pferde vertragen sich ja nicht; dann gibt es Gekloppe und Gebeiße, und man muß achtgeben, daß man nicht zwischen die Streitenden gerät. Aber ihre drei Pferde waren aneinander gewöhnt und vertrugen sich, so verschieden sie waren: Perle, das helle Großpferd, das von der Großmutter geritten wurde, Sambesi, das zottige Shetlandpony, und Donner, der noch nicht geritten werden durfte; er war ja erst zweijährig.

      Dori hob sich auf die Zehen, um Perle den Zügel über den Hals zu legen, damit sie den Pferdekopf herunterziehen konnte. Bei Sambesi ging das Aufhalftern im allgemeinen schnell, da konnte sie einen Arm über die Mähne legen, während sie mit der andern Hand das Mäulchen aufsperrte. Heute war das nicht mal nötig, denn die Pferde bekamen nur Stallhalfter an.

      Dori zog Perle und Sambesi hinter sich her und hoffte, Donner würde mitlaufen. Den Trampelpfad hinaufzukommen war nicht leicht. Dori trat selbst sehr unsicher, weil der Schnee jede Unebenheit verdeckte. So dauerte es viel länger als sonst, bis sie oben waren. Immerhin benahm Donner sich klug und artig – er kam mit, sie brauchte ihn nicht einmal zu locken.

      Oben angekommen, atmete sie erst einmal auf. Nun ging es ein Stück über ein verschneites Stoppelfeld

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