Скачать книгу

auf seine prall gefüllte Segeltuchtasche.

      „Piney Island ist eine verdammt hübsche Insel“, sagte der Fahrer des Motorbootes.

      Cari schaute sich um. Er hatte recht. Im frühen Abendlicht war sie so schön, dass es einem fast unwirklich vorkam. Das funkelnde Meer reflektierte das zarte Rosa des Himmels, und die Wellen klatschten rhythmisch auf den weißen Sand, der bereits von langen blauen Schatten überzogen wurde. Der Strand erstreckte sich vom Steg aus zu beiden Seiten über die gesamte Länge der Insel.

      Eine schmale Straße schlängelte sich vom Anleger aus einen steil ansteigenden Hügel hinauf, der dicht mit hohen Kiefern bewachsen war.

      „Wo ist denn das Hotel?“, fragte Cari.

      Mit einem unterdrückten Stöhnen hievte der junge Mann die letzte Tasche auf den Steg und wischte sich mit dem Ärmel seines Sweatshirts über die Stirn. „Da oben“, sagte er und zeigte den Hügel hinauf. „Ihr müsst einfach nur der Straße folgen.“ Er begann, die Leinen loszumachen. „Zuerst kommt ihr an einem Torhaus vorbei. Das Hotel ist nämlich vollständig eingezäunt. Von dort aus ist es nicht mehr weit. Man kann es gar nicht verfehlen.“

      Er ließ die Leine aufs Deck fallen und legte hastig vom Steg ab, so als könnte er es kaum erwarten, hier zu verschwinden.

      „Gibt es hier vielleicht so etwas wie einen Zubringerbus?“, rief Eric ihm nach.

      Aber das Boot hatte sich mit laut dröhnendem Motor schon zu weit entfernt. Der Fahrer winkte ihnen kurz zu und brauste dann davon, ohne sich noch einmal umzusehen.

      „Wo ist denn nun unser Empfangskomitee?“, fragte Craig ungeduldig.

      „Vielleicht haben sie uns vergessen“, meinte Jan.

      „Tja, dann werden wir wohl laufen müssen“, sagte Cari seufzend.

      „Tolle Begrüßung!“, murmelte Craig und folgte mit seinem Blick der Straße, die vom Anleger wegführte.

      „Wie kommt es eigentlich, dass wir die Einzigen auf dem Boot waren?“, fragte Eric, der mal wieder an seinem Pferdeschwanz herumzupfte. „Wo sind die Hotelgäste?“

      „Also, ich hatte vorhin das Gefühl, als ob das Meer uns wegdrängen wollte“, sagte Jan, deren Gesicht plötzlich im Schatten lag. „Auf dem Boot kam es mir so vor, als ob es uns davon abhalten wollte herzukommen.“

      „Huu-huu“, heulte Eric mit unheimlicher Stimme.

      „Hör auf damit“, bat Cari. „Ich krieg sonst noch eine Gänsehaut.“

      „Überlegt doch mal – zuerst ist Tante Rose krank geworden, und dann hatten wir diese stürmische Überfahrt, obwohl das Meer sonst meistens ruhig ist. Das sind schlechte Omen“, beharrte Jan und fummelte nervös an ihrem Totenkopfanhänger herum.

      „Könntest du vielleicht mal für ’ne Weile mit diesem Quatsch über Omen und Geister aufhören?“, fragte Craig. „Jetzt ist Sommer – und nicht Halloween.“

      „Genau. Lass uns damit in Ruhe“, brummelte Eric zustimmend.

      „Wollen wir jetzt losgehen oder auf Erics Zubringerbus warten?“, wechselte Cari hastig das Thema.

      Jan lachte spöttisch. „Warum rufen wir nicht einfach ein Taxi, Eric?“

      „Wieso hacken eigentlich immer alle auf mir rum?“, quäkte er mit einer übertriebenen Kleinejungenstimme.

      „Wahrscheinlich ist es gar nicht so weit“, meinte Cari optimistisch und griff nach ihrer Reisetasche. „Deine Tante hat gesagt, die Insel wäre nicht besonders groß.“

      „Aber sie hat nichts davon gesagt, dass es bergauf geht!“, protestierte Jan und stöhnte laut auf, als sie ihre beiden vollgepackten Koffer anhob.

      Eric wollte sich lässig seine Segeltuchtasche über die Schulter schwingen, aber dabei verfing sich der Riemen in seinem Pferdeschwanz.

      „Er strengt sich mächtig an, cool zu wirken“, dachte Cari. „Leider klappt es nicht immer. Aber trotzdem ist er irgendwie süß.“

      Eric grinste sie verlegen an, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

      Die vier verließen den Steg und trabten im Schatten der Bäume die Straße entlang.

      „Toller Partysommer!“, murmelte Eric kaum hörbar.

      „Hör auf rumzumeckern!“, fuhr Jan ihn an. „Wir sind immerhin hier und nicht in Shadyside, wo wir uns jetzt den Kopf darüber zerbrechen würden, was wir heute Abend machen sollen, und uns zu Tode langweilen würden.“

      „Ich finde, Jan hat recht“, sagte Cari hastig. „Wir sind hier und nicht in Shadyside. Und es ist niemand da, der uns vorschreibt, was wir zu tun und zu lassen …“

      „Ich hoffe, Tante Rose geht es gut“, unterbrach Jan sie.

      „Du kannst sie doch anrufen, sobald wir im Hotel sind“, schlug Cari vor.

      Kurz darauf kam ein kleines steinernes Torhaus in Sicht. Dahinter umschloss ein hoher schmiedeeiserner Zaun das Hotelgelände. Sie gingen bis zum Torhäuschen, das offenbar verlassen war, und lasen das grün-weiße Schild am Zaun:

      HOTEL ZUM HEULENDEN WOLF

       PRIVATEIGENTUM

      „Wenn das Tor abgeschlossen ist, haben wir ein echtes Problem“, sagte Craig.

      „Mach dich nicht lächerlich“, fauchte Jan. „Natürlich ist es nicht abgeschlossen.“ Ihre Worte klangen zuversichtlich, aber ihre Stimme verriet ihre Nervosität.

      „Es gibt nur eine Möglichkeit, das rauszufinden“, meinte Eric und versetzte dem Tor einen Stoß.

      Es bewegte sich nicht.

      „Dreh doch mal an dem Knauf da“, sagte Craig und zeigte darauf.

      „Stimmt“, erwiderte Eric. „Da hätte ich auch selber drauf kommen können.“

      Er drehte den Knauf und drückte gleichzeitig gegen das Tor.

      Es bewegte sich immer noch nicht.

      „Abgeschlossen“, stöhnte Jan. „Ich glaub’s nicht!“ Sie ließ ihre Koffer zu Boden fallen und seufzte dramatisch.

      „Immer mit der Ruhe. Im Torhäuschen ist ein Telefon“, sagte Cari, die gerade durchs Fenster schaute. „Seht doch mal. Damit können wir oben im Hotel an rufen.“

      „Hey, stark!“, rief Jan sichtlich erleichtert.

      „Hier wird es aber ganz schön früh dunkel“, sagte Craig und betrachtete den Himmel.

      „Das sind nur die Bäume“, widersprach Cari. „Die halten die Sonne ab.“ Sie öffnete die schmale Glastür, betrat das Torhäuschen und griff zum Hörer.

      „Komisch, da ist kein Freizeichen!“, rief sie den anderen zu.

      Eric steckte seinen Kopf hinein. „Das ist wahrscheinlich so eine Art Gegensprechanlage, die direkt mit dem Hotel verbunden ist“, sagte er.

      „Aber es ist überhaupt nichts zu hören“, murmelte Cari, den Hörer immer noch ans Ohr gepresst. „Ich würde sagen, es ist nicht angeschlossen.“ Sie legte den Hörer wieder auf und trat aus dem winzigen Torhaus.

      „Das heißt also, wir sind ausgesperrt“, seufzte Eric.

      „Na und?“, rief Cari mit einem seltsamen Lächeln. Sie hatte plötzlich eine Idee. „Wir können die Nacht doch am Strand verbringen!“

      „Wow! Eine Strandparty. Das wird super!“, quietschte Jan, die diese Aussicht etwas aufzuheitern schien.

      „Und was sollen wir essen?“, fragte Eric düster.

      „Das Tor ist offen“, sagte Craig.

      „Was?“ Cari glaubte zuerst, sie hätte sich verhört.

      „Das Tor

Скачать книгу