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      C.R. Waterlily

      Im Jahr des Kronenkoboldes - oder kleine Ursache mit größtmöglicher Wirkung

      ©2020 C.R.Waterlily

      Autor: C.R.Waterlily

      Umschlaggestaltung, Illustration: C.R.Waterlily / tredition GmbH

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN: 978-3-347-12737-1 (Paperback)

      978-3-347-11411-1 (Hardcover)

      978-3-347-12738-8 (e-Book)

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über: http://dnb.dnb.de abrufbar.

      WAS DAS LEBEN AUSMACHT

      Es ist die größte Krise seit Ende des zweiten Weltkrieges, sagt die erste Frau im Staat während einer Pressekonferenz. Der erste Mann im Staat ist an der Stelle eher im Hintergrund. Hauptsächlich zur Repräsentation der Republik und zum Unterzeichnen der Gesetzgebung, wenngleich auch er hin und wieder mit getragenen staatsmännischen Worten auf den Zusammenhalt und die erforderliche Disziplin in der aktuellen Lage hinweist..

      Nun, im Fall des zweiten Weltkrieges, ich bin erst deutlich später auf die Welt gekommen. Ich kenne ihn nur aus den fragmentarischen Erzählungen meiner Mutter.

      Von den Großmüttern höre ich fast nichts über diese Zeit. Allenfalls weiß ich von der zeit ihres Lebens großen Abneigung einer meiner Großmütter gegenüber den Kohlrüben, die wegen der Lebensmittelknappheit in allen möglichen Versionen gegessen wurde. Meine Großmutter hat nach Ende des ersten Weltkrieges keine Kohlrübe mehr in den Einkaufskorb gelegt, geschweige denn als Essen serviert.

      Meine Mutter erlebte den Krieg als kleines Kind. Vieles was damals geschehen ist, kann man als Kind weder in der Gesamtheit erfassen, noch entsprechend einordnen. Aber es gibt Anzeichen, die auf diese Erlebnisse Rückschlüsse erlauben mit der entsprechenden Nachhaltigkeit. Sie kommen unter anderem darin zum Ausdruck, dass sie sich Zeit ihres Lebens, nur sehr schwer von Lebensmitteln trennen konnte, selbst wenn diese schon mehrere Jahre das Verfallsdatum überschritten hatten.

      Ein Effekt, der ihr vermutlich nie selbst bewusst geworden ist, der mit Sicherheit aber aus dem erlebten Mangel an Nahrungsmitteln erwachsen ist, den sie als kleines Kind erlebt hat.

      In einer ihrer Erzählungen hat meine Großmutter aus selbst gesammelten Brennsesseln „Spinat“ gekocht, damit die Familie in der entbehrungsreichen Zeit zu Essen hatte. Obwohl gleichsam die Versorgung auf dem Land wahrscheinlich noch anders möglich war als in den Städten. Dort konnte man nicht mal auf Federvieh aus dem Stall und auch nicht auf die dazu gehörigen Eier zurückgreifen. Auch die kleine Ernte von Selbstangebautem blieb eigentlich nur denen möglich, die über eine kleine Scholle mitten in der Stadt sich freuen konnten. Aber auch Brecht wusste: erst kommt das Fressen und dann die Moral. Wer großen Hunger hat, denkt wahrscheinlich eher nicht über rechtmäßen Erwerb nach. Schon gar nicht, wenn der Mangel schier endlos ist.

      Auch wenn Bedrohung durch Soldaten, so hat sie es empfunden, Mangel an allem möglichen und Flüchtlinge, die gab es auch zu dieser Zeit, sicherlich auch ihre Spuren hinterlassen haben.

      Nun, der Krieg und all seine Auswirkungen sind weit weg. Ich bin zu spät dafür geboren. Und alle anderen Ereignisse der Zeitgeschichte, zum Beispiel die Studentenunruhen der ´68 Jahre habe ich damals, obwohl schon in dieser Welt anwesend, nicht mitbekommen. Meine Eltern führen ein kleinbürgerliches Leben. Was sie in dieser Zeit politisch denken, erfahre ich nicht.

      In dieser Zeit stecke ich noch in meiner eigenen kleinen Welt, wenngleich ich ja eigentlich direkt in der Stadt gelebt habe, in dem sich Studenten für neue Ideen zu großen Demonstrationen in den Straßen versammelt haben.

      Benno Ohnesorg kommt in meinem Universum einfach nicht vor. Die Kommune eins, mit all ihren damals revolutionären Ideen, die die biedere und geschichtsverdrängenden Bundesrepublik hinterfragten, all das war ganz weit weg. Die damals jungen Leute, die zu der Generation der Nachkriegskinder gehörten und die die Auseinandersetzung der Altvorderen mit der eigenen Rolle in der Geschichte aufforderten. Die die blütenweißen Westen, jener Amts und Würdenträger des öffentlichen Lebens anzweifelten, die durch Persilscheine ausgestattet, weiterhin unbeschadet in der noch nicht so alten Republik angesehene Mitglieder der Gesellschaft waren. Unter den Talaren, der Muff von tausendend Jahren….

      Stattdessen beobachte ich an schönen Tagen im Vorgarten die Feuerkäfer, die mit ihrem auffälligen rot-schwarzen Panzern an der von Sonnenstrahlen gewärmten Hauswand zu Heerscharen, mal einzeln, vielfach auch zu zweit, fest miteinander verbunden empor klommen.

      Rollschuhfahren in der Straße vor dem Haus ist mein größtes Vergnügen. Dort wo die Gehwegplatten so verlegt sind, dass sie eine relativ ebene Fläche bilden. Bei den großen Granitplatten, die mit einem größeren Abstand verlegt sind, habe ich irgendwann auch den richtigen Rhythmus raus und werde immer schneller und es hat fast etwas Rauschhaftes. Mungo Jerry mit:“ in the summertime“, im Radio.

      In den Siebzigern, ich bin ein Kind der Mauer, prägte meine Lebenswirklichkeit die Beklemmung an der Grenze. Das mulmige Gefühl, das sich schon im Büro für Besuchs- und Reiseangelegenheiten einstellte, wenn man einen Passierschein beantragen wollte.

      Und die Angst, etwas falsches zu tun oder zu sagen, dass der Grenzbeamte, alles Stasimitarbeiter, wie im Nachhinein bekannt wurde, dazu veranlassen konnte, sehr genau hinzuschauen, einen aus der Menge der Wartenden zu ziehen und das eigene Auto, die mitgeführte Tasche oder was sonst auch immer, gründlich zu filzen.

      Der Humor jener Zeit äußert sich in der Frage nach „Gänsefleisch“- „Gänse fleisch mal den Kofferraum uffmachn?“ Viele der Grenzer kamen schließlich aus dem Tal der Ahnungslosen, in dem zwar gut sächseln aber kein „Westempfang“ möglich war.

      Irgendwie hatten wir uns alle in dieser morbiden subventionierten Stadt mit den Gegebenheiten arrangiert. Lebten ein Inselleben und waren anders als alle anderen. Es gab die Wessis, die Ossis und es gab uns. Wir saßen auf unsere Insel und wurden bestens bewacht. Die einzige kurze Strecke, die man für eine kleine Dauer schnell fahren konnte, also so, wie auf westdeutschen Autobahnen üblich, ohne Geschwindigkeitsbeschränkung, war die AVUS, bis einem dann kurz vor Dreilinden, wieder klar war, wo man eigentlich wohnte, ja zu Hause war. Wir Berliner hatten unser ganz eigenes Lebensgefühl. Und westdeutsche Besuchergruppen, die abends über den Kudamm bummelten und über unsere nie wirklich schlafende Stadt staunten, sie kamen uns manchmal recht bieder vor. Hier war nicht chic, hier war Verfall, hier wehte ein anderer Wind.

      Zu Beginn der Achtziger, in denen wir in die Welt drängten und sie kennen lernen wollten, da war ein „Durchwinken“ der Grenzposten an der Deutsch-Französischen Grenze eine außergewöhnliche Erfahrung.

      Da haben wir uns in einem alten Kadett auf den Weg gemacht, der bergab und mit Rückenwind grad mal hundertsechzig lief. Solide war und langsam fuhr, aufgemacht in die große weite Welt, die doch meist nur ins westeuropäische Ausland führte.

      Sich mit den anderen Kumpels aus der Heimatstadt auf einem südfranzösischen Campingplatz, nahe dem Atlantik, zu treffen war unbeschwerte Freiheit. War Abenteuer und hat uns das Leben der Nachbarn näher gebracht. Deutsch- Französische -Freundschaft wurde erfahren und gelebt, von den einen mehr, von den anderen zumindest mit dem verbundenen Spaß, den wir damals alle miteinander hatten.

      Wir haben auch in den Folgejahren andere Urlaubsbekanntschaften gemacht, die uns entweder Unterschlupf bei der Rückreise und eine Verschnaufpause ermöglicht haben oder uns einfach durch ihre naive Fragestellung nur verwunderten.

      Dachten sie

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