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Mengen, Verdacht auf Handel und Schmuggel von Betäubungsmitteln, Entführung und schließlich und endlich eine schwere Körperverletzung mit Todesfolge. Deshalb sind Sie hier, Commissaire. Vorwürfe, bei denen ich mich frage, wie es sein kann, dass Sie mit Ihrem privaten Pkw durch Biarritz gondeln, obwohl Sie doch eigentlich einen Fall zu lösen haben, da oben in Bordeaux, der arme Lucien, Sie erinnern sich?«

      Luc sah ihn finster an.

      »Sie wissen es so gut wie ich«, fuhr Schneider fort, »bei dieser Latte von Haftgründen ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass gar nichts davon wahr ist – und es ist zudem sehr unwahrscheinlich, dass irgendein Staatsanwalt Ihnen da raushilft, nur weil Sie Polizist sind. Nein, nein, das sieht gar nicht gut aus, ich denke, wir werden nun eine ganze Weile miteinander zu tun haben. Es sei denn, Sie sagen mir, wie es zu all dem kommen konnte. Sie waren doch ein so geachteter Kollege.«

      Luc stützte sich auf dem Tisch ab, dann ließ er sich in seinen Stuhl fallen, ganz still, ganz matt, er musste sich setzen, um nicht umzufallen. Sein Gesicht fühlte sich heiß an, gleichzeitig war ihm schwindelig. Dieses komische Karussell in seinem Kopf sollte aufhören, sich zu drehen, verdammt noch mal. Was erzählte der Mann da? Drogenhandel, Entführung, Körperverletzung mit … Todesfolge? Luc hob den Kopf wieder und sah in die hellblauen Augen, die ihn anblickten, gänzlich unverwandt und mit einem ruhigen Ausdruck – lag da etwa ein leichtes Lächeln auf den Zügen dieses Commissaire?

      Etwas in seinem Kopf begann zu arbeiten wie eine Selbsterhaltungsmaschinerie: Im Lauf eines Verhörs war es die Aufgabe des Polizisten, für eine Dramaturgie zu sorgen, Stimmungswechsel einzubauen, öfter einen anderen Ton anzuschlagen. Luc entschied, dass das auch für die andere Seite gelten konnte. Er zwang sich, ruhig zu atmen, und sagte leise und verbindlich:

      »O.k., Commissaire Schneider, wir beide wissen, dass das nicht sein kann. Gut, vielleicht zweifeln Sie wirklich an mir, aber dann werde ich eben Zeit brauchen, um Sie vom Gegenteil zu überzeugen.« Er machte eine Pause und betrachtete sein weiterhin regloses Gegenüber.

      »Lassen Sie es uns zusammen durchgehen, ja?«, fuhr er fort. »Es gibt sicher eine gute Erklärung, auch wenn ich mir momentan nicht vorstellen kann, wie die aussehen soll – ganz einfach, weil ich schlicht nicht weiß, was überhaupt passiert ist. Aber das werden Sie mir sicher sagen können.«

      »Sie sind klug, Monsieur Verlain, das ist mir schon klar. Ihre kooperative Art – das könnte einen anderen Beamten sicher täuschen. Aber nicht mich. Dennoch: Ich gehe es gern mit Ihnen durch. Also, von vorne: Wir haben eine größere Menge Kokain gefunden – in Ihrem Bungalow in Carcans-Plage. Es geht um anderthalb Kilo, sagen die Männer von der Spurensicherung. Das Zeug war gut versteckt, unter der Spüle. Es stammt, na, raten Sie mal: von einem der Strände im Aquitaine, es steckt in derselben Folie wie die anderen Funde. Für Sie wäre es eine Leichtigkeit gewesen, da ranzukommen.«

      »Sie haben meinen Bungalow durchsucht?«, fragte Luc ungläubig. »Auf wessen Geheiß hin? Weshalb hatten Sie diesen Verdacht?«

      »Ganz ruhig, Monsieur Verlain, das erkläre ich Ihnen gleich. Derzeit durchsuchen wir Ihr Büro in Bordeaux. Wollen doch mal schauen, ob wir da nicht auch noch was finden. Der schlimmste Tatvorwurf: Sie sind verdächtig, einen jungen Mann in Nanterre niedergestochen und anschließend verschleppt zu haben, sodass er später an seinen Verletzungen starb.«

      »Ich soll was?«, schrie Luc, doch die Nennung des Ortes ließ ihn Schlimmes ahnen.

      »Sie wissen, wer der junge Mann war, oder? Ich sehe es Ihnen an.« Schneider hatte Witterung aufgenommen, er war ein scharfer Beobachter.

      »Ich habe keine Ahnung, was ihm zugestoßen ist«, antwortete Luc knapp, »aber Sie meinen sicher Karim Abdoulahi.«

      »Richtig. Den Mann, der bei Ihrer letzten Ermittlung Ihre Freundin, Anouk Filipetti, von einer Treppe gestoßen hat.«

      »Und ich habe mich also an ihm gerächt?«

      Schneider zuckte mit den Schultern.

      »Vielleicht wollten Sie ihn nur erschrecken – und dann ist es etwas ausgeartet, schiefgegangen, wie man so sagt. Die enge Abfolge der Ereignisse lässt jedenfalls darauf schließen, dass bei Ihnen etwas ausgehakt hat, Monsieur Verlain. Das gibt es, das wissen Sie doch. Wir Polizisten sind auch nur Menschen. Bei allem, was wir jeden Tag erleben …«

      »Sie haben noch etwas von einer Entführung gesagt …«

      »Genau. Und deshalb werde ich Sie nun in erster Linie befragen, denn ich möchte, dass Sie mir sagen, wo die Frau ist, die Sie entführt haben.«

      »Ich habe niemanden entführt …«

      Schneiders Ausdruck hatte sich verändert, er beugte sich vor, als wollte er seinem Verdächtigen auf den Leib rücken, er schien auf der Hut zu sein, Luc verstand nicht, warum.

      »Wo ist Cecilia Brückner?«

      »Ich verstehe nicht …«

      »Herrgott, Monsieur Verlain, nun hören Sie doch auf. Seit vorgestern ist die junge Frau aus Bordeaux verschwunden, Ihre alte Flamme. Die Mitbewohnerin in der WG hat die Polizei alarmiert – und die Kollegen von der Police municipale haben uns informiert, weil das Dossier gegen Sie hier im Baskenland läuft. Cecilia, die Surflehrerin aus Carcans. Die Frau, mit der Sie etwas hatten, während Sie schon mit Anouk Filipetti zusammen waren. War Sie Ihnen gefährlich geworden? Hat sie gedroht, die Affäre auffliegen zu lassen? Sie auffliegen zu lassen? Wo ist Mademoiselle Brückner?«

      »Ja, hören Sie mal, ich entführe doch nicht eine junge Frau, nur weil wir mal etwas hatten. Das ist doch wohl ein Witz? Ich habe keine Ahnung, wo Cecilia ist. Gibt es denn gar keine Spur?«

      »Es gibt einen Verdächtigen, Verlain, und der sitzt mir gegenüber. Sagen Sie mir, wo sie ist – wir haben keine Spur von ihr, und das beunruhigt uns sehr. Wir wollen nicht …«

      »Was?«

      Schneider lehnte sich wieder im Stuhl zurück, er schien sich zur Ruhe zu zwingen. Es war ein Nervenkrieg zwischen den beiden, der gerade erst begonnen hatte.

      »Sie kooperieren überhaupt nicht, richtig?«

      Eine kurze Pause, Schneider atmete tief durch.

      »Wissen Sie, Commissaire, ich habe im Verlauf meiner Karriere, die ein wenig kürzer ist als Ihre, aber nicht minder kometenhaft, wenn ich das sagen darf, jedenfalls habe ich schon mehrfach Kollegen gegenübergesessen, die vom rechten Weg abgekommen waren. Drüben in Besançon saß ich zweien gegenüber – und auch, bevor ich den Posten hier angenommen habe, das war ein Kollege, den Sie sogar kennen. Immer ist bei den Männern eines gleich, egal, ob sie korrupt sind und es nur wegen des Geldes tun oder ob da noch viel mehr schiefgegangen ist, wie das in Ihrem Fall zu sein scheint, wenn noch Rachsucht dazukommt. Immer glauben Typen wie Sie, dass sie auf der richtigen Seite stehen, auch wenn sie nur noch eines sind: kriminelle Polizisten.«

      »Sie …«

      Luc sprang wieder auf, diesmal hob er den Tisch an und warf ihn zur Seite, er war leicht, als wäre er aus Pappe, und er landete mit einem verheerenden Knall auf der Platte, die vier Füße in die Luft gestreckt. Luc stürzte sich auf Commissaire Schneider, der sich nicht wehrte. Er konnte ihn einfach packen, seine Lederjacke greifen, und ihn mit dem ganzen Gewicht seines Körpers an die Wand drücken. Ihre Gesichter waren ganz nah.

      »Sagen Sie das noch einmal, los …«

      »Du weißt, dass das jetzt keine gute Idee war, Verlain …«, antwortete der Commissaire ohne einen Ausdruck von Angst.

      Augenblicklich ging die Tür auf, und die beiden Polizisten in Uniform traten ein, einer von ihnen hatte wieder die Waffe gezogen.

      »Zurück, kommen Sie weg von dem Commissaire, Monsieur!«, rief der Breitschultrige und zielte.

      »Danke für die schöne Vorstellung«, flüsterte Schneider leise.

      Luc sah ihn an, dann ließ er Schneider los, nicht ohne ihm noch mal einen Schubs gegen die Wand zu geben. Nun war es wirklich ein süffisantes Lächeln, das dessen Züge umspielte, ein erschrockenes

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